[Debatte-Grundeinkommen] Fragen zur Gesellschen Geselligkeit der Werte

unversoehnt unversoehnt at gmx.de
Fr Sep 12 19:00:28 CEST 2014


Hallo,

da du, lieber Jens, ja tatsächlich Checkung von Schwundgeldtheorien zu 
haben scheinst und ich bislang nur mit Menschen in Kontakt stand, die da 
allerhöchstens ein gutes Bauchgefühl, aber nicht unbedingt theoretische 
Ahnung zu mitbringen, möchte ich die Gelegenheit mal nutzen, um meine 
Vorurteile zu überprüfen.

Erstmal eine Frage zum Diskussionrahmen: Schwundgeldtheorien wären wie 
das bGE eine drastische Veränderung der ökonomischen Verkehrsregeln. Das 
ist aber erstmal nur eine äußere Ähnlichkeit. Gibt's irgendeinen 
inhaltlichen Zusammenhang? Um's mal wieder in plastische Polemik zu 
packen: Möchte irgendjemand sowohl bGE als auch Schwundgeld, mit dem zu 
befürchtenden Effekt, dass mein 30-Jahre-Plan, mir nach der Einführung 
eines bGE davon langsam soviel Geld zusammenzusparen, dass ich die 
Malediven wenigstens einmal live erleben kann, bevor sie im indischen 
Ozean wegen Polkappenschmelzens untergegangen sind, vereitelt wird, weil 
gespartes Geld entschwindet? (Das hat wieder polemischen 
Scherzcharakter. Ich kann glaube ich auch gut ohne einen Besuch auf den 
Malediven mein Leben zu Ende leben. Soll nur einen Punkt klar machen: 
Nicht nur den Reichen, sondern auch den Armen wird die Möglichkeit des 
Sparens zur Erfüllung größerer Träume mit einem Schwundgeld strukturell 
genommen, oder nicht?)

Von den ganzen Kritiken an Gesell in Richtung Faschismus- und 
Menschenverachtungsvorwurf kann ich abstrahieren. Nur weil jemand häufig 
ein Arschloch ist, heißt das nicht, dass er nicht auch seine guten 
Momente hat oder vielleicht sogar gerade aus der Perspektive des 
Arschlochs etwas sehr Wahres sagen könnte. Auch blinde Hühner finden 
Körner. Und in Bezug auf Marx' Fetisch-Begriff interessiert mich auch 
kein Stück, was man ihm so als Familienmensch alles zum Vorwurf machen 
könnte. (Was wiederum nicht heißen soll, dass ich Gesell als Arschloch 
tituliere. Ich weiß nur vom Hörensagen irgendwas über ihn und will mir 
da gar kein Urteil zu rausnehmen. Das Arschloch-Argument hat mehr 
logisch-allgemeinen Charakter.) Ein bisschen anders gelagert ist's für 
mich beim Thema "struktureller Antisemitismus". Das halte ich für ein 
wichtiges theoretisches Lehrstück und deshalb vielleicht und gerade auch 
in Bezug auf Gesell von einiger Wichtigkeit. Da ich das aber wegen 
Ignoranz gegenüber Gesell nicht im Ernst beurteilen kann und das Fass 
auch nicht wirklich hier aufmachen möchte, halte ich das nur mehr 
abstrakt fest.

Sachlich gibt's vor allem zwei Gründe, die mich bislang davon haben 
Abstand nehmen lassen, mich eingehender mit Schundgeldtheorien zu 
befassen, weil diese beiden Gründe mir grundlegend die Sinnhaftigkeit 
dieses theoretischen Ansatzes in Zweifel ziehen. Die möchte ich kurz 
skizzieren und Schwundgeld-Sympathisanten auffordern, sie auf eine Weise 
auszuräumen, die es mir dann doch interessant erscheinen lassen könnte, 
mich mit Gesell und anderen dieser theoretischen Richtung 
auseinanderzusetzen.

1. Die Form-Geschichte des allgemeinen Äquivalents:
Das allgemeine Äquivalent, also das Geld, hat die längste Zeit seiner 
historischen Geschichte in der Form edler und weniger edler Metalle 
verbracht. Muscheln, Brot und Schafe waren hier und da auch mal eine 
beliebte Bekleidungsformen fürs Geld, aber die edlen Metalle zeichnet 
vor allem ihre relative Langlebigkeit (also die Speicherfunktion), mehr 
oder weniger beliebige Teilbarkeit und relative Seltenheit in besonderer 
Weise für die Funktion des allgemeinen Äquivalents aus. Dort, wo der 
Markt durch Gewalt und/oder Vertrauen soweit allgemein akzeptiert war, 
dass mehr oder weniger alle sich an die Spielregeln des Marktes hielten, 
konnte man zu Papiergeld, Schuldscheinen, Bits&Bytes, letztlich einfach 
der mündlichen Vertragsform übergehen. Dies reflektiert 
realgeschichtlich den Gehalt des Marxschen Fetischbegriffs: Geld ist 
seinem wesentlichen Gehalt nach kein natürliches, sondern ein 
gesellschaftliches Ding, und damit eigentlich nur von psychosozialer 
Realität. Ist die Gesellschaft in ihren allgemeinen Verkehrsformen 
stabil genug, kann sie deshalb auch davon absehen, Geld als Ding 
anzusehen und es beispielsweise in Bits&Bytes verwandeln. Seit dem Ende 
von Bretton Woods im Kontext der Ölkrise 1973 basiert das Weltgeld nicht 
mehr auf irgendeiner Form von Goldstandard, hat sich also seit zumindest 
vier Jahrzehnten von jeder dinglichen Bekleidungsform dem Grundsatz nach 
verabschiedet. Obwohl's freilich dennoch Papier- und Münzgeld etc. gibt. 
Das hat seiner polit-ökonomischen Konstitution nach aber keinen 
dinglichen Wertcharakter, sondern ist im Kern als Fetisch anerkannt, der 
im Zweifelsfall über die imperiale Militärmacht der USA/NATO auch denen 
eingepeitscht wird, die's mit diesem Fetisch nicht so genau nehmen 
wollen. Ich find's durchaus lustig, dass die bürgerliche Ökonomie, die 
von Marx ja echt nie nix wissen möchte, in ihrer zentralen Konstruktion 
ihm sachlich einfach recht gibt: Yo man, money makes the world go round, 
but isn't anything material at all. Wenn ich's richtig verstehe, ist der 
Clou dabei das Triffin-Dilemma (vgl. 
http://de.wikipedia.org/wiki/Triffin-Dilemma ), das gerade die relative 
Seltenheit der Edelmetalle, also insbesondere des Goldes, dafür 
verantwortlich macht, dass sie sich im Zuge der unglaublichen globalen 
Produktivkraftentfesselung des 20. Jahrhunderts nicht mehr als Geldform 
eignen: Die edlen Metalle sind einfach nicht liquide genug. Klar, gegen 
den Börsenhandel in Nanosekundengeschwindigkeit sind die alten Geldsäcke 
mit selbigen auf dem Buckel wirklich extrem langsame, unflexible und 
kleingeistige Schnecken. Dabei ist m. E. von entscheidender 
Bedeutsamkeit, immer im Blick zu behalten, dass das allgemeine 
Äquivalent sich durch universelle Tauschbarkeit gegen wirkliche Dinge 
auszeichnet, gegen Brot und Butter, Haus und Hof, Fabrik und Land, 
Dienstleistung und Ware Arbeitskraft, Tarnkappenbomber und Atombombe. 
Das meine ich mit relativer Stabilität der gesellschaftlichen 
Verkehrsformen: Das fiktionale Bits&Bytes-Geld muss sich schon in echte 
Gegenstände jederzeit verwandeln können. Sonst kommt es zu einer echten 
Geldkrise, in der sich die Sache plötzlich ganz anders darstellt.
Nehmen wir nun mal an, nicht nur die eine oder andere lokale Ökonomie 
sieht plötzlich mit einem liebenden Herzen auf die Idee des 
Schwundgelds, sondern sie setzt sich als globales Geldkonstrukt 
tatsächlich durch. Das finde ich zwar unwahrscheinlicher als die 
Umsetzung eines bGE in relevanter Höhe und selbst unwahrscheinlicher als 
eine kommunistische Weltrevolution. Aber sei's drum: Nehmen wir's 
einfach mal an. Nehmen wir aber zusätzlich an, dass die Charaktermaske, 
die Moliére ziemlich prägnant in seinem Stück "Der Geizige" gezeichnet 
hat, nicht einfach ausstirbt. Bzw. allgemeiner: Nehmen wir an, dass 
weder das aufgehäufte (Sach-)Vermögen sich durch die Einführung eines 
Schwundgelds in Luft auflöst noch das individuelle Kalkül der 
Gewinnmaximierer, aus ihrem Vermögen noch mehr und mehr und mehr 
Vermögen zu machen. Was hindert diese Leute dann daran, auf das 
Schwundgeld zu pfeifen und einfach wieder auf die edlen und weniger 
edlen Metalle, auf Perlen und Diamanten, auf Eigentumstitel in Bezug auf 
Fabriken, Immobilien und Yachten, also allgemein: auf die langlebigeren 
dinglichen Gestalten des Werts zurückzugreifen, um ihre Vorstellung von 
einem allgemeinen Äquivalent am Leben zu erhalten? Gut, das wäre 
definitiv eine drastische Entschleunigung des Weltmarkts gegenüber der 
Bits&Bytes-Hektik von heute. Aber vom Grundsatz her sehe ich nicht, dass 
es einen Unterschied machen würde. Der Zins ließe sich einfach so 
konstruieren: "Ich leihe dir jetzt Haus, Hof, Fabrik, 10 Kilo Gold oder 
what ever und dafür gibt's du mir in ein, zwei, x Jahren das renovierte 
Haus plus Anbau, den modernisierten Hof plus neuem Schweinestall, die 
modernisierte Fabrik plus neuem Filialnetz, 10 plus y Kilo Gold oder das 
verbesserte what ever plus what ever else. Und wenn du auch nur eine 
Silbe über das Schwundgeld verlierst, dann leihe ich dir ganz gewiss 
überhaupt gar nichts aus meinem Vermögen. Du spinnst wohl!"
Was anderes wäre es vielleicht, wenn man das Zentralbanksystem so 
strukturieren könnte, dass sich niemand mehr bei irgendjemandem mit 
Vermögen irgendetwas leihen müsste, sondern einfach bei einer 
staatlichen Bank. Das würde aber wieder nicht hinhauen, weil das Geld ja 
nur dann überhaupt als Geld funktioniert, wenn es hinreichend allgemein 
anerkannt ist. Sonst hat es im Zweifelsfall überhaupt keine Nützlichkeit 
oder höchstens die, in Form von Papiergeld zum Kaminanzünden zu dienen. 
Zählt plötzlich nicht mehr das aufgehäufte (Sach-)Vermögen, sondern nur 
noch das inflationär über eine Zentralbank ausgestreute Schwundgeld, 
dann ist wieder genauso wenig einzusehen, warum die Eigentümer von 
(Sach-)Vermögen irgendjemandem irgendetwas geben sollte für das sowohl 
inflationär unter die Leute gebrachte wie wegen seines immanenten 
Schwundcharakters deflationär wirksame Geld. Jede Investition würde dann 
nicht an Mangel an Geld scheitern, sondern an Mangel der Anerkennung 
dieses Geldes. (Sach-)Vermögensbesitzer könnten sich auf den Standpunkt 
stellen, dass sie mit diesem Geld einfach nichts zu tun haben wollen und 
daher auch nicht die für die Investitionen benötigten Dinge im Austausch 
gegen dieses Geld liefern. Dies könnte zumindest perspektivisch aber 
tatsächlich einen Unterschied machen, wenn die ArbeiterInnen kein 
Problem mit dem Schwundgeld als Lohn haben. Peu à peu ließe sich mit der 
lebendigen Arbeit ein neues Produktivsystem aufbauen, das unabhängig vom 
alten (Sach-)Vermögen ist. Solange aber die große Industrie sich auf so 
ein Geld nicht einlässt, wäre das in der Tat ein Neustart von unten, 
also ein Anfang ohne Zugriff auf die heute entfesselten 
Produktivkapazitäten, also im Zweifelsfall auch nicht auf Brot und 
Butter für die Arbeiter. Da bliebe die Frage für mich: Was soll die 
mühsam neu aufgebauten Produktivkapazitäten davor behüten a) einfach 
nicht konkurrenzfähig gegenüber den alten zu sein, b) selbst wieder in 
die Eigentumshände von Leuten zu fallen, die lieber ihr persönliches 
Vermögen als das der Gesellschaft im Blick zu haben und bei 
hinreichendem Gesettletsein ihrerseits wieder kein Schwundgeld 
akzeptieren zu wollen?

2. Der Gehalt des Ausbeutungsbegriffs:
Sieht man mal von allen kategorialen Detailkonstruktionen ab, kann man 
aus der Perspektive der Gesamtgesellschaft Marx' Ausbeutungsbegriff 
folgendermaßen fassen: Grundlage ist erstmal, dass die Produktivität der 
Gesellschaft überhaupt so hoch ist, dass nicht nur das produziert wird, 
was die Gesellschaft unmittelbar an Lebensmitteln etc. verknuspert, 
sondern zusätzlich irgendeine Form von langlebigem Surplus in dinglicher 
Form: gelagerte Rohstoffe, Immobilien, Fabriken, die ISS, whatever. Das 
gegeben, lässt sich sagen: Die Proletarier (oder weniger altmodisch: die 
produktiv im Gesamtsystem Tätigen) werden insofern ausgebeutet, als sie 
zwar den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, aber nix (bzw. mit 
Blick auf die kleinbürgerliche Immobilie mit Vorgarten: nicht sehr viel) 
von dessen langlebigem Surplus erhalten, also insbesondere keinen 
Eigentumsanteil an den Produktionsmitteln (sieht man mal von 
Genossenschaften und sonstigen Beteiligungsvarianten für die 
ArbeiterInnen ab) und keinen Zugriff auf die Produkte der 
gesellschaftlichen Luxusproduktion. Beides bleibt zumindest im 
Wesentlichen den Eigentümern von (Sach-)Vermögen vorbehalten.
Um diesen Zusammenhang zu formulieren, musste ich nicht ein einziges Mal 
von Geld sprechen. Das hat in dem gesamten System ja bloß einen 
Vermittlungscharakter, der sich durch andere Vermittlungsformen ersetzen 
ließe. Von daher: Wieso sollte ein Schwundgeld an diesem grundsätzlichen 
Tatbestand von Ausbeutung im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang 
irgendetwas ändern?
Wenn es das aber nicht tut, leuchtet mir nicht ein, wozu es gut sein soll.

Liebe Grüße,

Bert










Am 11.09.2014 12:10, schrieb Jens Kasten:
> Hallo Mitlesende,
> im letzten Schreiben von Willi behauptet er zurecht,
> das Silvio Gesell (ja wer ist das?) sich mit der Speicherfunktion des 
> Geldes beschäftigt hat.
> Leider hat Willi den Eindruck erweckt, dass die nachfolgenden Aussagen 
> in seinem Text
> irgendetwas mit dieser Beschäftigung Gesells zu tun hätten.
> Für mich würden solch allgemeinen Aussagen - diese und jener hätten 
> sich mit xy beschäftigt -
> keinen rechten Sinn ergeben, wenn die nachfolgenden Erläuterungen sich 
> auf etwas davon
> verschiedenes beziehen.
> Also dann werde ich wenigstens die Kurzfassung dieser Beschäftigung 
> mal nachreichen.
> Geld ist ein Verkehrsmittel. Ein Güterwagen kann nicht gleichzeitig 
> Güter von A nach B, C, D
> und vielleicht wieder zurück nach A bringen, wenn er irgendwo auf der 
> Strecke auf ein Nebengleis
> geschoben wird, und dann als Wohnwagen, als Schatztruhe oder als 
> Messecontainer benutzt wird.
> Sobald Geld jedoch mit einer Speicherfunktion besetzt wird, geschieht 
> genau das.
> Geld als Verkehrsmittel unterliegt fortan der Willkür seiner Besitzer.
> Geben sie es aus, oder überlassen sie es anderen zum ausgeben 
> (Kredit), dann ist es gut,
> wenn nicht - also wenn sie es zurückhalten und einfach weglegen und 
> "vergessen" -,
> erleiden sie keinen unmittelbaren Nachteil.
> Ganz anders die Produzenten von Waren. Diese können sich bis auf 
> verschwindend geringe Ausnahmen
> nicht hinter ihre Waren stellen und behaupten, das ein schleppender 
> oder ein allzu schleppender Verkauf
> ihnen nicht an die Substanz ginge.
> Waren brauchen, sobald sie fertiggestellt sind, beständig Energie, um 
> im neuwertigen Zustand erhalten zu bleiben.
> Kühlung, Trockenheit, Sicherheit, vielleicht auch Feuchtigkeit, 
> Reinigung, Schutz vor Druck,Zug und vielerlei
> Formen von Energie, welche das Ergebnis von Arbeit sind.
> Waren haben bis zum Zeitpunkt ihres Verkaufes Durchhaltekosten. Waren 
> haben ein Ablaufdatum, das nur durch
> beständige Energiezufuhr, durch weitere Arbeit nach hinten verschoben 
> werden kann.
> Verkaufe ein Auto 20 Jahre nicht, ohne je irgendwas in die Erhaltung 
> des einstigen Neuwagens gesteckt zu haben.
> Und du musst dich auch danach nicht eine Minute mehr darum kümmern.
> Denn es will keiner mehr geschenkt haben. Es würde nicht mal als 
> Oldtimer weggehen.
> Die im Vergleich zu den Warenbesitzern vernachlässigbaren 
> Durchhaltekosten der Geldbesitzer machen diese,
> sobald es sich um Ersparnisse - also überschüssiges Geld - handelt, 
> den Warenbesitzern überlegen.
> Diese Überlegenheit ist der alleinige Grund für die Erscheinung Zins.
> Der Zins ist der Schatten desjenigen Geldes, mit dem eine 
> Speicherfunktion verknüpft wird. Verknüpfbar ist.
> Zinsgeld.
> eigene Anmerkung (nicht von Gesell)
> Die letztliche Ursache für die Umverteilung von täglich 1 Milliarde 
> Euro und mehr - allein in Deutschland - von Arbeit zu Besitz
> wird durch eine Geld bewerkstelligt, dem keine Durchhaltekosten 
> berechnet werden.
> Die Zinsgutschriften auf deutschen Bankkonten belaufen sich 
> mittlerweile auf mehr als 400 Milliarden Euro jährlich.
> Also jene die Geld übrig haben, überlassen es jenen, die es für die 
> Produktion oder für den Verbrauch dringend benötigen
> und bekommen damit immer mehr übriges Geld. Das geht in der nächsten 
> Runde wieder auf Zinsfang.
> Der Zins ist ein Verdoppeler. Wird die Grundsubstanz an überschüssigem 
> Geld nicht angetastet, verdoppelt sich über diesen Mechanismus
> die Gesamtsumme in 72 geteilt durch den Betrag des Zinses * 100 in Jahren
> Beispiel (der Zins betragt 7,2 %, dann verdoppelt sich das Vermögen 
> innerhalb von 10 Jahren: 72 / 0,072 * 100 oder eben 72/7,2)
> Aus 1 Million werden so in 50 Jahren? In 100 Jahren, in 200 Jahren?
> Personen vergehen nach 70 Jahren. Aber Familien, Dynastien?
> wieder Gesell:
> Verkehrsfunktion (Tauschfunktion) und Speicherfunktion schließen sich 
> für einen konfliktfreien Ablauf der Dinge aus.
> Klar wenn Güterwaggons zweckentfremdet werden, dann können neue 
> produziert werden,
> damit die Menge der nötigen Waggons irgendwie gesteuert werden kann.
> Wir stellen fest, wieviele durch willkürliche Zweckentfremdung fehlen 
> und produzieren dafür neue.
> Vielleicht sind ja irgendwann alle Nebengleise vollgestellt. Dann 
> könnte man mit den Zweckentfremdeten immer noch im Weg rumstehen.
> Beim Geld sieht das wie folgt aus:
> Geld landet nicht so schnell auf dem Nebengleis. Erst viel später. 
> Ungefähr jetzt.
> Auf Grund seiner Bedeutung für die Aufrechterhaltung unserer 
> Zivilisation - sprich unserer Arbeitsteilung sind
> die bedürftigen Produzenten immer wieder bereit, Zinslasten auf sich 
> zu nehmen und leihen sich das Anlage suchende - das überschüssige - Geld.
> Kreditnehmer konkurrieren unentwegt um Marktanteile, denn nur aus den 
> Verkäufen ihrer Produkte können sie ihre
> Kredite tilgen und ihre Kreditwürdigkeit aufrechterhalten, wenn es mit 
> dem Tilgen doch nicht so schnell gehen sollte,
> wie sich das mancher gewünscht und "ausgerechnet" hat. Denn die 
> Kreditsummen verlaufen parallel zu den exponentiell steigenden 
> Vermögenssummen.
> Diese Konkurrenz bedingt ein stetiges zur Überhitzung tendierendes 
> Wirtschaftswachstum, welches einzig allein dem exponentiell steigenden 
> Renditeanspruch,
> dem Verdoppelungsanspruch des überschüssigen Geldes, das ohne 
> Durchhaltekosten ist, geschuldet ist.
> All die kriminellen Machenschaften mit denen sich Konkurrenten im 
> wahrsten Sinne bekriegen, haben eine einzige echte Ursache und tausend 
> vermeintliche.
> Würde der Druck aus dem Kessel genommen, wäre "leben und Leben lassen" 
> die einzige durchgehend verständliche Maxime.
> Deswegen bewegt sich die Zivilisation am Rande des Abgrundes.
> Die Verschuldungsfähigkeit der Produzenten hat ihr Limit erreicht. So 
> wie die Inkubationszeit einer ausgewachsenen Diabetes 20 bis 30 Jahre 
> währt,
> so verhält es sich mit den sklerotischen Zuständen auf dem 
> Geldverkehrssektor.
> Aus einer linear steigenden Produktion lassen sich keine endlosen 
> exponentiellen Ansprüche ableiten. Exponentiell schlägt linear.
> Die Schuldner sind am Ende. Nicht nur der Staat oder die Staaten (von 
> Liechtenstein mal abgesehen ;-))
> 7,5 Billionen Geldschulden in Deutschland (zu je einem Drittel bei 
> Staat/Unternehmen/Privat), lassen sich mit 1 % Wirtschaftswachstum 
> nicht mehr
> steigern.
> Einfach aussteigen ist nicht.
> Bleibt das Kreditkarussell stehen, dann bleibt auch die Produktion stehen.
> Wer kann das wollen? Mal eine Woche nichts produzieren? Kein Problem.
> Aber dann mal einen Monat nichts essen?
> Wie böse macht das denn?
> Deswegen braucht es eine Lösung, für das Ungleichgewicht in den 
> Durchhaltekosten zwischen Waren und Geld
> Das ist der Grundwiderspruch unserer Epoche. Diesmal fehlen die 
> Gänsefüßchen. Das ist keine Ironie.
> Ein Geld mit einem Ablaufdatum kann das leisten.
> Freigeld. Eine "Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und 
> Freigeld".
> Sollte man wirklich gelesen haben.
> Nicht nur im Munde führen.
> Viele Grüße
> Jens
> *Gesendet:* Montag, 08. September 2014 um 21:13 Uhr
> *Von:* "willi uebelherr" <wube at gmx.net>
> *An:* debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> *Betreff:* Re: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff
>
> Lieber Jochen,
>
> dass ist gut, dass du dir den flotten Schreibstil von Bert angewoehnt
> hast. Ich danke dir fuer die Muehe zu deinem Text. Diese Liste
> entwickelt sich wirklich grossartig.
>
> Ich will hier einen Satz eines argentinischen Philosophen zitieren, den
> auch Hugo Chavez oft verwendet hat. "Die Einheit in der Vielfalt". Ich
> sehe, wir sind auf diesem Weg. In den Kernfragen sind wir uns einig, in
> den vielen abgeleiteten Bereichen herrscht die Vielfalt. Und ohne diese
> Vielfalt gibt es keine Entwicklung.
>
> Mit einigen deiner Standpunkten will ich mich deutlicher beschaeftigen.
>
> 1. Lokale Oekonomie und Austauschmechanismen
>
> Wenn wir politisch und gesellschaftlich frei agieren wollen, dass heisst
> frei in der Akzeptanz der Wirklichkeit, frei im Suchen nach der
> Wahrheit, dann geht dies nur ueber die oekonomische Unabhaengigkeit. Das
> bedeutet, all jenes selbst und souveraen herstellen zu koennen, was wir
> brauchen oder meinen, zu brauchen. An dieser oekonomischen
> Unabhaengigkeit fuehrt kein Weg vorbei. Oekonomisch abhaengig bedeutet
> Sklaverei, materiell wie auch ideell.
>
> Die oekonomische Unabhaengigkeit ruht auf lokal unabhaengigen
> technischen Infrastrukturen. Und diese ruhen auf der Unabhaengigkeit in
> der Anwendung der Technologie, der Materialisation der Wissenschaften
> der Natur. Oder kurz; den inneren Gesetzen der Natur.
>
> Das ist nicht neu. Unsere Vorfahren haben dies ebenso verstanden und
> angewandt. Der Bruch geschah vor etwa 7-8000 Jahren. Das sehe ich wie
> du. Es war die Zeit der Herausbildung elitaerer Strukturen. Und diese
> benoetigen den Staat und das Geldsystem.
>
> 2. Geld, bGE und Staat
>
> Die Form, wie wir es diskutieren, bezieht sich auf ein Geldsystem. Der
> philosophische und ethische Inhalt ist frei davon. Das sehe ich genauso
> wie du und viele in dieser Liste.
>
> Aber: in der Oekonomie existert kein Geld. Nur in der
> Distributionssphaere. Wenn wir uns also mit der Oekonomie beschaeftigen,
> die Grundlage fuer ein bedingunsloses Existenz- und Lebensrecht aul dem
> allgemeinen Niveau, dann beschaeftigen wir uns eigentlich nicht mit Geld
> und Geldmengen, sondern mit den Strukturen unseres gesellschaftlichen
> Seins. Aus unseren formulierten Vostellungen und Perspektiven entwickeln
> wir jene inner-regionalen Relationen, die wir brauchen und die uns
> nuetzlich sind.
>
> du schreibst:
> "Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu finanzieren
> halte ich für keine gute Idee. Was das für Entwicklungen auslöst sollte
> vielleicht mal detaillierter ausgemalt werden, ich fürchte das ist dann
> nicht mehr steuerbar."
>
> Gemaess deinem noch bestehenden Wunsch nach Erhaltung eines Staates
> eroeffnet sich hier ein gewaltiger Widerspruch. Alle Staaten finanzieren
> sich ueber "einfaches Gelddrucken". Die USA mit mindestens 85 Millareden
> Dollar/Monat ueber die FED. Nicht eingerechnet die vielen dunklen und
> verdeckten Kanaele. Alle Staaten sind Instrumente der Finanzsysteme. Und
> alle Staatssysteme sind parasitaer. Sie verbrauchen nur, ohne etwas zu
> erschaffen. Ausser vielleicht die Zerstoerung.
>
> 3. Austausch, Wert und Zeit
>
> Du hast etwas die Details ueberlesen. Die Zeit, also unsere Lebenszeit,
> ist das einzige, was wir in die Sphaere der Oekonomie einbringen. Wir
> muessen nur dafuer sorgen, dass unsere Zeit fuer wirklich notwendiges
> und sinnvolles verwendet wird. Wir koennen auch nur ein Minimum grob
> abschaetzen, was jedE aufbringen muss, sofern gesundheitlich oder
> sonstwie in der Lage.
>
> Unsere Lebenszeit ist die einzige objektive Grundlage fuer einen
> wertaequivalenten Tausch. Geldsysteme sind spekulative Wertabstraktionen
> mit immanenter Speicherfunktion. Silvio Gesell hat sich dieser inneren
> Speicherfunktion zugewandt.
>
> Wenn wir also ueber bedruckte Papierschnipsel oder Kontenzahlen tauschen
> wollen, dann muessen wir fuer 2 Grundfragen die Antwort suchen.
>
> a) die Wertbestimmung
> b) die Speicherfunktion
>
> Wenn die Speicherfunktion aufgeloest ist und die Wertbildung objektiv
> bestimmbar, dann koennen wir unbedenklich auch ein Geldsystem verwenden.
> Weil dann ist das Tauschaequivalent tatsaechlich die Zeit.
>
> Die Umlaufmenge ergibt sich aus den geschaffenen Werten, basierend auf
> der verdinglichten Zeit, und den Zeitmengen, die sich fuer die
> Herstellung materieller Instanzen zur Verfuegung stellen. Deswegen
> erhalten auch nur jene das Geld in ihrer Funktion als Eingangstor in das
> Tauschnetzwerk, die dieses brauchen und zur Herstellung der materiellen
> Grundlagen beitragen. Und das sind immer die Kommunen bzw.die lokalen
> Lebensgemeinschaften.
>
> Es gaebe noch mehr an Details zu diskutieren. Aber ich denke, dass ich
> hiermit die wesentlichen und substanziellen Themen angeschnitten habe.
>
> mit Dank fuer deinen Beitrag und lieben Gruessen an alle, willi
> Esperanza, Ibarra, Ecuador
>
> _______________________________________________
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