[Debatte-Grundeinkommen] Willis "nur" und Auflösung der Speicherfunktion
unversoehnt
unversoehnt at gmx.de
Di Sep 9 15:47:04 CEST 2014
Lieber Willi,
ich will dich ja auch nicht damit nerven und bin noch immer von leichter
Freude darüber erfüllt, wie unser Geheckmecke sich dann doch in
angenehmer gegenseitiger Anerkennung aufgelöst hat. Aber ...
"Und alle Staatssysteme sind parasitaer. Sie verbrauchen nur, ohne etwas
zu erschaffen. Ausser vielleicht die Zerstoerung."
Sosehr ich dir im Kern recht gebe, so falsch finde ich nach wie vor das
"nur". Soweit ich sehe, hast du dich mit meinen Argumenten dazu nicht
auseinandergesetzt. Finde ich schade.
"Wenn wir also ueber bedruckte Papierschnipsel oder Kontenzahlen
tauschen wollen, dann muessen wir fuer 2 Grundfragen die Antwort suchen.
a) die Wertbestimmung
b) die Speicherfunktion
Wenn die Speicherfunktion aufgeloest ist und die Wertbildung objektiv
bestimmbar, dann koennen wir unbedenklich auch ein Geldsystem verwenden.
Weil dann ist das Tauschaequivalent tatsaechlich die Zeit."
Vorweg: Ich kenne mich mit Schwundgeldtheorien nicht im Ernst aus und
habe ideologiegeschichtliche Vorbehalte, die insbesondere durch
Gremlizas konkret recht vielseitig fundiert werden.
Ich will nur mehr eine Verständnisfrage stellen: Was bitteschön soll vom
Wert über bleiben, wenn du ihm die Speicherfunktion entziehen willst?
Wert ist ja nicht bloß Geld, sondern beispielsweise auch eine Immobilie.
Wie willst du der überhaupt die Speicherfunktion entziehen?
Ansonsten halte ich die objektive Wertbildung über das Maß Zeit für
Unsinn. Fertigst du mit großer Muße und ästhetischem Wohlgefallen an der
eigenen Tätigkeit beispielsweise in einem Monat einen Kochlöffel aus
einem Stück Holz am Wegesrand, dann erhältst du dafür vielleicht wegen
des künstlerlischen Werts ein bisschen mehr Kohle auf dem Markt als die
VerkäuferInnen von Kochlöffeln aus Industrieproduktion, wirst aber deine
Arbeit dennoch kaum monetär gewürdigt finden. Der Wertverwertungsdruck
ist auf einer sehr abstrakten Ebene einfach nur der Effizienzdruck einer
tauschenden Reproduktionsgemeinschaft. Selbst wenn du von industriellen
Fertigungsprozessen und ähnlichem abstrahierst, bleibt das alte Problem,
das jede WG kennt: Sollen deine sieben von ewiger Laberei begleiteten
und unterbrochenen Stunden Geschirrspülen (6 Teller, 2 Töpfe, eine
Pfanne, 13 Besteckteile, 8 Tassen, 11 Gläser und ein bisschen
Huschiwusch über die Arbeitsflächen) gleichwertig sein zu den sieben
flink und fachfraulich erledigten Stunden Putzarbeit deiner
Mitbewohnerin im WC innerhalb der letzten zwei Wochen? Solange wir auf
dem Standpunkt stehen bleiben, dass Wert etwas mit Arbeitszeit und nicht
bloß mit Fetisch zu tun hat, so lange können wir ganz sicher nicht in
Muße leben, sondern bleiben dem tayloristischen Effizienzdruck bis in
den Pfelgesektor hinein hilflos ausgeliefert. Scheint mir keine
sinnvolle Sache ...
Liebe Grüße,
Bert
Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen