[Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Sa Aug 23 23:27:01 CEST 2014


Hallo, Bert!

Ich bin zwar auch kein Ökonom, aber nachdem ich mich nun eine Dekade
auf dem Feld von Politik, Ökonomie und Philosophie tummle, habe ich
wohl eine gewisse Erfahrung im Umgang mit diesen Themenkomplexen.

Wenn ich es richtig betrachte - korrigiert mich bitte unbedingt, wenn
ich falsch liegen sollte -, ist das bedingungslose Grundeinkommen in
erster Linie ein Inflationsdämpfer!

Nicht umsonst bezeichnet man das Aufkommen an Grundeinkommen umgekehrt
auch als Grundumsatz der Wirtschaft, weil definitionsgemäß restlos
ALLES, was als Grundeinkommen ausgezahlt wird, in der einen oder
anderen Form unmittelbar im gleichen Monat, in dem es ausbezahlt wird,
über die Wirtschaft wieder umgesetzt wird.

Dieses Geld zeichnet sich also dadurch aus, dass es aus der Wirtschaft
entnommen wird und noch im gleichen Monat - volkswirtschaftlich also
praktisch unmittelbar - in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt. Das
Geld hat in der Zwischenzeit wohl kaum Gelegenheit, auf irgendeine
Weise auf die Geldmenge einzuwirken. Alle damit angeschafften
Sachwerte haben noch ziemlich genau denselben monetären Wert, den sie
mit ihrer Produktion an (Lohn-)Kosten verschlungen haben.

Du versuchst, Inflation als bloße Verteuerung durch Lohnforderungen
hier und Kostensteigerungen dort abzubilden. Inflation ist aber die
Dynamik der (steigenden) Geldmenge im Vergleich zu den Produktwerten.
Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt sich aber auf die Geldmenge
nicht aus. Bei seiner Einführung mögen die Preise von
Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen etwas ansteigen, weil die
Nachfrage danach ansteigt, aber da die Höhe des Grundeinkommens an den
Preisindex genau jener Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen
gekoppelt ist, zieht das Grundeinkommen volkswirtschaftlich betrachtet
praktisch ebenso schnell nach.

Auf Arbeitskostenseite verschwinden die volkswirtschaftlichen Kosten
der Arbeitslosigkeit definitionsgemäß vollständig, weil es
Arbeitslosigkeit im heutigen Sinne nicht mehr gibt, sondern nur noch
Sabbaticals. Die Kosten für die Sabbaticals - also schlicht die
Nicht-Produktivität - hingegen werden bei weitem nicht so weit
ansteigen, dass sie denen der heutigen Arbeitslosigkeit entsprechen
könnten, weil zugleich natürlich ein gehöriger Rationalisierungsschub
einsetzt. Wer würde seine Lebenszeit noch verschwenden wollen, indem
man Parkraumbewirtschaftung betriebe (das Berufsbild der "Politesse"
wird vollständig von der Bildfläche verschwinden) oder an der Kasse
einer Lebensmittelverteilstelle säße (auch das Berufsbild der
"KassiererIn" verschwindet - ich betone es - vollständig!)??

Problematisch ist in erster Linie der Gewerkschaftseffekt. Heute
glauben viele GewerkschafterInnen, dass das BGE die Gewerkschaften
schächen würde, weil niemand mehr um seine Existenzgrundlage kämpfen
müsste. Das ist natürlich ein hanebüchenes Argument, weil es davon
ausgeht, dass die Gewerkschaften (noch) gar nicht existierten und die
ArbeitnehmerInnen würden sich erst im Moment der Einführung des BGE
organisieren. Das ist offenkundig totaler Quatsch! Tatsächlich ist es
vielmehr so, dass wir Gewerkschaften doch nun wirklich schon sehr
lange haben und dass somit kein/e organisierte/r (!!!) ArbeitnehmerIn
mehr um die Existenzgrundlage kämpfen müsste und mit der - bereits
existierenden und nun aus lauter sorglos jederzeit Streikenden
bestehenden - Gewerkschaft eine praktisch unschlagbare Streitmacht
entstünde!
Wenn die Gewerkschaften das endlich kapieren würden, könnte eine
gewisse Anfangsinflation bei der Einführung des BGE resultieren, aber
die werden wir wohl verschmerzen können, wenn das BGE wiederum an die
Preise gekoppelt ist ;-)

Mit solidarischen Grüßen

Manfred


-- 
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