[Debatte-Grundeinkommen] Émile Durkheim und Sanktionierung
Joerg Drescher
iovialis at gmx.de
Do Mai 9 13:47:41 CEST 2013
Hallo zusammen,
lange her, daß es hier wirkliche Debatten gab ;-)
Habe heute folgendes bei Wikipedia im Artikel über Émile Durkheim
gelesen, das jeder für sich einmal in Bezug zu den Hartz-IV-Sanktionen
setzen kann:
/Nach Durkheim ist der kollektive Zwang nicht direkt beobachtbar, aber
in der //*negativen Sanktionierung von abweichenden, d. h. regelwidrigen
Verhaltensweisen*//feststellbar und messbar. Wenn diese Abweichung in
der Gesellschaft zur Regel wird, das kollektive Gewissen also nicht mehr
in der Lage ist, für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen,
spricht man von "Anomie". Dies bedeutet, dass die Gesellschaft vom
"Normalzustand" in einen "pathologischen" Zustand übergegangen ist./
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89mile_Durkheim
In dem Artikel wird zu Anomie verlinkt, wo es heißt:
/Der Rückgang von religiösen Normen und Werten führt nach Durkheim
unweigerlich zu Störungen und zur Verringerung sozialer
Ordnung.//Aufgrund von Gesetz- und Regellosigkeit sei dann die
gesellschaftliche Integration nicht länger gewährleistet. Diesen Zustand
nannte Durkheim anomie, die beim Individuum zu Angst und Unzufriedenheit
führen müsse, ja sogar zur Selbsttötung führen könne ("anomischer Suizid")/
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Anomie
Warum ich das nun in einer Grundeinkommensdebattenliste anführe, wo es
eigentlich nicht um Hartz-IV geht, hängt mit der Überlegung zusammen, ob
unsere Gesellschaft "krank" ist (sich in einem "pathologischen Zustand"
befindet). Sollte ein Grundeinkommen wirklich einmal als bedingungsloses
Recht eingeführt werden, scheint damit eine "negative Sanktionierung
(über Geldverweigerung) von abweichenden/regelwidrigen Verhaltensweisen"
nicht mehr möglich. Entsprechend, so meine Überlegung, müßte ein
Grundeinkommen mit einer Erneuerung von (nicht-monetären) Werten
einhergehen, die es (ohne Sanktionierung) moralisch "verwerflich"
machen, z.B. nichts für das Gemeinwesen zu tun und nur auf dessen Kosten
zu leben. Offenbar ist das Vertrauen in solche Werte so stark
geschwunden, daß an ihre Stelle Gesetzesvorschriften traten.
Derzeit arbeite ich an einem Aufsatz über die Wichtigkeit des
"Gewissens" für eine Gesellschaft, um dies in Bezug auf ein
Grundeinkommen (selbst "bedingt") zu verstehen.
Sollte jemand eine Meinung dazu haben, können wir in dieser Liste ja
darüber debattieren.
Viele Grüße aus Kiew,
Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus
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