[Debatte-Grundeinkommen] Das sanfte Sterben der Demokratie

axel.tigges at gmx.de axel.tigges at gmx.de
Mo Mär 26 13:25:55 CEST 2012


Hallo Gero, 
warum so kompliziert und umfangreich, es ist doch viel einfacher
Professor Pter Kruse erklärt das in 1.40 Minuten. http://www.youtube.com/watch?v=KtU9-tU0z0M
Wir haben seit Hunderten von Jahren  immer Herrschaft gehabt die andere beherrscht haben, die Demokratie ist auch nur eine Art manipulativer Massenbeherrschung wo nur scheinbar Freiheit gegeben ist. Das BGE würde das mindern, weil ich nicht mehr das Lied singen müsste, dessen Brot ich esse. Somit geht es darum wieder wie die Kinder zu sein, die in ihrer Unschuld alles ausplaudern, davor hüten sich die angeblich Mächtigen, denn das würde nicht ihre Geschäfte fördern. In diesem Sinne geht natürlich die Art von Demokratie zu Ende die wir heute haben die im Sinne von Helmut Kohl ja auch nur die zweitbeste Lösung war und es kommt mit Hilfe des Internets ein Zusammenschluss der Gehirne, die nach den Visionen von Teilhard de Chardin als nächste Stufe ein allumfassendes Bewusstsein besitzen, was im Rahmen der Schwarmintelligenz bei Tieren längst zu beobachten ist, das drückt jedoch auch Professor Kruse aus: http://www.youtube.com/watch?v=ojqDYuJ8D4I

RÜCKBESINNUNG AUF DAS WIR - DIE INTELLIGENZ DES WIR 
Gruss Axel

> http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Das_sanfte_Sterben_der_Demokratie.html)
> 
> Teil I. Aufstieg und Konsolidierung von Demokratie und Gleichheitsgedanke
> 
> Es gibt Ideen, die – einmal geboren – sozusagen ein ewiges Leben
> genießen. Zu diesen Ideen gehört zweifellos die Demokratie. Sofern ein Regime
> seine Menschen nicht in einer Art von kollektivem Gefängnis gegen alle
> Informationen von außen abschirmt und es dabei einer andauernden
> ideologischen Gehirnwäsche unterwirft - wie das etwa im heutigen Nordkorea der Fall
> ist -, fühlt sich jeder Mensch irgendwann vor die Frage gestellt, warum nur
> einige Auserwählte das Gemeinwesen lenken und beherrschen, während er
> selbst keine Rechte genießt. Gibt es Menschen von grundlegend anderer Natur,
> die zum Herrschen geboren sind, während ich und meinesgleichen von
> minderwertiger Art und deshalb zum blinden Gehorsam verurteilt sind? Das ist die
> Grundfrage der Demokratie.
> 
> Menschen zu allen Zeiten werden diese Frage immer aufs Neue stellen,
> deswegen bleibe ich Optimist, auch wenn ich glaube und im zweiten Teil zeigen
> werde, dass die führenden Länder des Westens gerade einen rasanten Abbau
> der gelebten demokratischen Selbstbestimmung erleiden.
> 
> Doch bevor ich auf die heutige Zeit zu sprechen komme, möchte ich die
> Ausgangslage für Demokratien und deren Feinde beschreiben. Wie bekannt, haben
> Feudalregime auf die Grundfrage der Demokratie eine eindeutige Antwort
> gegeben. Ja, die einen sind von Gottes Gnaden zum Herrschen berufen, die
> anderen zum folgsamen Dienen (1). Im Jenseits mögen alle Menschen vor Gott die
> gleiche Stellung einnehmen, doch hier im Diesseits gelten andere Gesetze.
> Gott wird dafür eingespannt, um den einen ein naturgegebenes Vorrecht, den
> anderen hingegen eine ebenso von oben verordnete Minderwertigkeit zu
> verordnen (2). Nachdem Gott allerdings im 18. Jahrhundert von der Aufklärung
> seiner bis dahin unangefochtenen Stellung beraubt worden war, musste man die
> Rechtfertigung für menschliche Ungleichheit auf andere Weise begründen. Im
> modernen Feudalismus - dem oligarchischen Herrschaftssystem real
> existierender sozialistischer Staaten - ist an die Stelle von Gott die absolute
> Wahrheit getreten. Nur wer sich im Besitz der reinen Lehre befand, wie sie
> Marx, Engels, Lenin, Stalin oder Mao verkündet hatten, gehörte zur
> Nomenklatur und genoss das sichere Vorrecht, über andere Menschen zu herrschen. Doch
> damit hatte sich wenig geändert. Ob man Gott für die Zwecke der
> Herrschaft missbraucht, um die Menschen in Begnadete und Unbegnadete zu
> unterscheiden, oder ob man sich einer angeblich unanfechtbaren ideologischen Wahrheit
> bedient, um sie in Verblendete oder von der Wahrheit Erleuchtete
> einzuteilen, macht keinen grundsätzlichen Unterschied. Im einen wie im anderen Fall
> darf und kann es eine prinzipielle Gleichheit der Menschen nicht geben.
> 
> Gleichheit aber ist das Fundament der Demokratie
> 
> Doch genau diese Idee von der prinzipiellen Gleichheit der Menschen war
> der Stachel, der immer wieder gegen die vermeintlichen Vorrechte der
> Mächtigen löckte. Am frühesten in Griechenland, wo die freien Bürger
> gleichberechtigt über die Geschicke des Staates entschieden. Der Demos - das Volk -
> wurde zum Herrscher, nachdem es sich gegen das Gottesgnadentum der frühen
> Könige aufgelehnt hatte. Allerdings blieb die griechische Demokratie ein
> Torso - eine höchst unvollständige Idee. Von der Gleichheit aller Menschen
> war in ihr so gut wie niemals die Rede (3), denn der größte Teil der
> Bevölkerung blieb von ihr ausgenommen. Das waren die Sklaven. In Griechenland
> wie in Rom gab es weiterhin die einen, die zum Herrschen, die anderen, die
> zum Dienen und Gehorchen geboren wurden (4). Sowohl Griechenland wie Rom
> haben in kurzen Perioden Demokratien geschaffen – das Wort selbst wurde
> dort geboren -, doch die Idee von der prinzipiellen Gleichheit der Menschen
> hat sich in der Praxis nie durchzusetzen vermocht.
> 
> Die Gleichheit der Menschen im alten China
> 
> Man wird dem alten China die Auszeichnung gönnen müssen, die Vorstellung
> von der Gleichheit der Menschen zuerst in institutionell gesicherter Form
> konzipiert und verwirklicht zu haben. Jeder Chinese, der die entsprechenden
> Prüfungen der Hanlin-Akademien erfolgreich absolvierte, genoss seit der
> Han- bis zur Qing-Dynastie (also von 200 v. Chr. bis gegen Anfang des 20.
> Jahrhunderts) den gleichen Zugang zu sämtlichen Verwaltungsposten des
> Landes. Eine Ausnahme bildete allein die durch das erbliche Kaisertum besetzte
> höchste Stelle an der Spitze des Staates. Doch war das Gottesgnadentum auf
> die rituelle Sonderstellung des Kaisers beschränkt, der mit Opfern und
> Gebeten für das Wohlwollen des Himmels und der Geister verantwortlich war.
> Alle weltlichen Geschäfte lagen dagegen in der Hand einer literarisch
> geschulten Beamtenschaft, die ihre Privilegien allein den bestandenen Prüfungen
> verdankte (5).
> 
> Demokratien und der mündige Bürger
> 
> Die Idee von der prinzipiellen Gleichheit aller Menschen ist die
> Voraussetzung für die Entstehung eines demokratisch gelenkten Staates, aber sie ist
> nicht mit diesem identisch. Seit Ende des Ersten Weltkriegs wurde in den
> meisten Staaten des Westens allen volljährigen Bürgern, gleichgültig ob
> Mann oder Frau, Reich oder Arm, Schwarz oder Weiß das gleiche Stimmrecht
> zugebilligt – ein institutionell verankertes Zeugnis für die nun als
> selbstverständlich geltende Überzeugung von der prinzipiellen Gleichheit der
> Menschen. Dabei geht man von der optimistischen Annahme aus, dass diese
> prinzipielle Gleichheit jeden Bürger dazu befähige, die Erfordernisse des
> Staates vernünftig einzuschätzen. Nur der im Sinne Kants mündige Bürger
> trägt mit seiner Stimmabgabe zum Wohle der Allgemeinheit bei. Folgt der
> Wähler nur seinem Bauch, seinen irrationalen Neigungen oder der Propaganda von
> Demagogen, so verliert Demokratie ihren Sinn.
> 
> Gleich von Natur, aber ungleich von Bildung
> 
> Das alte China und die modernen Theoretiker der Demokratie, wie diese am
> konsequentesten in Nordamerika und im postrevolutionären Frankreich
> zunächst erdacht und dann später verwirklicht wurde, gehen beide von der
> prinzipiellen Gleichheit der Menschen aus. Im alten China hatte diese Einsicht zur
> Folge, dass im Prinzip jeder Mensch die Chance erhielt, sich jenes – in
> erster Linie philosophische – Wissen anzueignen, das ihn zur Leitung der
> Staatsgeschäfte qualifiziert. Die Menschen wurden als gleich von Natur
> gesehen, aber als ungleich von Wissen und Bildung. Nur der in den Akademien
> geformte Mensch erhielt Zugang zu den Posten der staatlichen Bürokratie. Es
> wäre den Chinesen nicht eingefallen, ungebildete Laien an die höchsten
> Posten des Staates zu stellen. Dieses System war keine Demokratie in unserem
> Sinne, aber mit aller Entschiedenheit setzte es eine naturgegebene
> Gleichheit aller Menschen voraus. Zweifellos war es dieser Umstand, welcher der
> politischen Ordnung eine in tausend Jahren nie ernsthaft in Frage gestellte
> Legitimation und Stabilität verschaffte.
> 
> Das unterscheidende Merkmal westlicher Demokratien
> 
> Westliche Demokratien haben den Menschen ebenfalls als gleich von Natur
> definiert (wobei die Unterschiede der Begabung unvorhersehbar sind und
> deshalb an keiner bestimmten Schicht festgemacht werden können). Über die
> Unterschiede der Bildung wurde hinweggesehen. Man ging davon aus, dass der
> Mensch schon als rein werten- und wollender das Recht und die Fähigkeit
> besitze, mit seiner Stimme die eigenen Vorstellungen angemessen zum Ausdruck zu
> bringen. Im Unterschied zum alten chinesischen System muss man dann
> allerdings damit rechnen, dass sowohl Wähler wie auch die von ihnen gewählten
> Vertreter über keinerlei Wissen und Qualifikation im Hinblick auf die richtige
> Lenkung des Staates verfügen. Jeder, sei er Professor, Analphabet,
> Schauspieler (USA), Boxer oder auch PornodarstellerIn (Italien) ist mit dem
> aktiven wie dem passiven Wahlrecht ausgestattet. Jeder kann zum Volksvertreter
> aufrücken und an die Spitze des Staates gelangen, sofern er eine
> ausreichende Zahl von Stimmen auf sich vereinigt. Die Legitimation der
> Volksrepräsentanten beruht einzig auf der Zahl der von ihnen gewonnenen Wähler. Ihr
> Wissen und Können spielt keinerlei Rolle.
> 
> Die Doppelstruktur der Herrschaft in westlichen Demokratien
> 
> Das blieb nicht ohne Folgen für die Struktur westlicher Demokratien, denn
> gerade die Lenkung hochkomplexer moderner Staaten setzt ein gewaltiges
> Expertenwissen politischer, sozialer, ökonomischer und technischer Art
> voraus. Unsere Demokratien kommen daher nicht ohne eine Parallelstruktur fachlich
> geschulter Beamten aus. Entweder gehören diese zu einer dauerhaft
> bestehenden Exekutivbürokratie (wie in Europa der Fall) oder jede neue Regierung
> sucht sich – das trifft auf die Vereinigten Staaten zu – ihre jeweils
> eigenen Fachleute unter den Professoren der renommiertesten Hochschulen oder
> führenden Köpfen aus Banken, Handel und Industrie. In beiden Fällen
> liegt die eigentliche Verwaltung letztlich in den Händen einer
> Expertenschicht, die sich zudem noch auf ein Heer von privaten Lobbyisten mit ihren
> privaten Interessen verlässt.
> 
> Die gewählten Volksvertreter geben nicht mehr als die Richtung vor. Sie
> fungieren als Bindeglied zwischen Bürokratie und Bürgern. Im besten Fall
> reagieren sie mit seismographischer Sensibilität auf Befindlichkeit und
> Bedürfnisse ihrer Wähler. In der Doppelstruktur westlicher Demokratien
> tragen die Volksvertreter die Verantwortung für die Wertorientierung der
> Gesellschaft, während die Bürokratie mit ihrem Wissen deren Durchführung
> garantiert.
> 
> Warum die Idee menschlicher Gleichheit sich so selten durchzusetzen
> vermochte
> 
> So etwa lautet die Theorie einer auf prinzipieller Gleichheit beruhenden
> Demokratie. Diese kennt keine Wahrheit außer dem Willen der Mehrheit, deren
> Entschlüsse alle ausschließlich dadurch legitimiert sind, dass sie eben
> von einer Mehrheit stammen. Ausgenommen von dieser Legitimation ist nur ein
> einziger Entschluss, nämlich jener, welcher das Mehrheitsvotum selbst in
> Frage stellt, indem er irgendwelche Wahrheiten oder Menschen über dieses
> Votum hinaushebt und damit indirekt oder indirekt gegen den Gedanken der
> prinzipiellen Gleichheit verstößt.
> 
> Die Praxis weicht allerdings ziemlich weit von dieser theoretischen
> Grundlegung ab. Denn Macht und Ökonomie sind Faktoren, die sowohl die Idee der
> Gleichheit wie die der Demokratie immer wieder in Frage stellen. Der
> Widerspruch machte sich schon sehr früh bemerkbar. In einer Agrargesellschaft –
> und dazu gehörten bis Mitte des 18. Jahrhunderts sämtliche Gemeinwesen,
> sofern sie nicht dem Handel einen Großteil ihres Wohlstands verdankten -
> fiel es einer kleinen Herrenschicht überaus leicht, sesshafte Bauern mit
> einer mobilen Soldateska dauernd in Schach zu halten, um als Parasiten von
> ihnen zu leben. Aufstände wurden mühelos unterdrückt und niedergeschlagen.
> Das Machtgefälle zwischen oben und unten war so überwältigend groß,
> dass schon der bloße Gedanke an menschliche Gleichheit absurd erschien. Denn
> selbst wenn die Herren sich einmal in einer schwierigen Lage befanden,
> gelang es ihnen fast immer, aus der Schicht der Beherrschten jene Söldner in
> das eigene Lager hinüberzuziehen, die sie dann gegen deren Brüder
> einzusetzen vermochten. Der klassische Feudalismus vermochte sich über
> Jahrtausende zu behaupten, weil die Macht stets genügend Mitläufer in der Schicht
> der Ohnmächtigen fand. Wirklich gefährlich waren immer nur rivalisierende
> Fürsten.
> 
> Mit wachsender Komplexität einer Gesellschaft steigt der Grad der
> Abhängigkeit zwischen Herrschern und Beherrschten
> 
> Ein dauerhafter Übergang zur Demokratie wurde erst möglich, als immer
> größere Teile der Bevölkerung ohne Beteiligung an der Macht nicht länger
> ruhig zu halten waren. Erst die Industriegesellschaft brachte eine so
> große Komplexität hervor, dass die Sabotage kleinerer Gruppen das gesamte
> ökonomische Räderwerk lahm legen konnte. Herrschaft allein durch Polizei-
> oder gar Militärgewalt ist unter solchen Umständen allenfalls solange
> möglich, wie ihr Erfolg – ein rapide steigender Wohlstand – sie für die
> Mehrheit erträglich macht. Das trifft auf das heutige China zu. Gilt es
> hingegen, schwierige Phasen ohne Wohlstandswachstum zu überstehen, dann hat
> eine undemokratische Herrschaft in einer modernen Gesellschaft auf Dauer kaum
> eine Chance. Erst eine auf breiter Mitwirkung begründete Herrschaft –
> also eine demokratische Verfassung – verschafft den Herrschenden die
> nötige Legitimation.
> 
> 
> Teil II. Das allmähliche Sterben der demokratischen Selbstbestimmung
> 
> Damit ist aber auch schon ausgesprochen, warum Demokratie unter den
> Bedingungen des Neoliberalismus in akuter Gefahr ist. Immer größere Teile
> unserer Gesellschaft werden für den ökonomischen Prozess nicht länger
> gebraucht oder können sich nur dann noch weiter an ihm beteiligen, wenn sie sich
> zu immer geringeren Preisen verkaufen. Mit anderen Worten, sie können
> keine Forderungen mehr stellen, beunruhigen niemanden, wenn sie streiken.
> Vielmehr wird ihnen klar gemacht, dass sie mühelos ersetzbar sind oder schlicht
> eine überflüssige Last darstellen. Damit setzt ein Prozess der
> Zersetzung ein. Demokratie wird geschaffen und verfestigt, wenn das ökonomische
> Ganze die (Mit-)Arbeit seiner einzelnen Glieder benötigt – im Idealfall die
> Mitarbeit aller Bürger. Demokratie wird erst geschwächt und dann
> demontiert, wenn immer größere Teile der Gesellschaft ökonomisch entbehrlich
> werden oder ihnen mit ihrer Ersetzbarkeit gedroht werden kann.
> 
> Die Arbeit wurde in Rom zu den Sklaven, heute wird sie nach Asien
> verlagert
> 
> Der Prozess der Marginalisierung wachsender Bevölkerungsteile hatte im
> Rom der ausgehenden Republik zur Folge, dass die noch verbliebenen
> republikanischen Freiheiten durch eine Monarchie beseitigt wurden. Mehr und mehr
> freie Menschen wurden für den Arbeitsprozess nicht länger gebraucht.
> Stattdessen wurden sie mit panem et circenses gefüttert – sprich, einem (fast)
> bedingungslosen Grundeinkommen, dessen einzige Anforderung darin bestand,
> dass die Masse der Almosenempfänger für ihren Brotherrn gegebenenfalls auf
> den Straßen der Hauptstadt zu demonstrieren hatte.
> 
> Ähnlich in den Vereinigten Staaten
> 
> Auch in den Vereinigten Staaten ist dieser Prozess inzwischen weit
> fortgeschritten. Bis zum Beginn der 80er Jahre herrschte dort nahezu
> Vollbeschäftigung, ein starker und selbstbewusster Mittelstand war entstanden, die
> Stütze einer lebendigen Demokratie. Doch ganz wie in Rom die Arbeit den freien
> Bürgern genommen und auf die billigeren Sklaven verlagert wurde, haben
> die USA seit Ronald Reagan den eigenen Bürgern einen wachsenden Teil der
> Arbeit entzogen und ihn ins weit kostengünstigere Asien verlagert. Die
> Verlagerung erstreckte sich zunächst auf die einfachsten Tätigkeiten.
> Schuhmacher, Textilarbeiter und ähnliche Berufe waren davon betroffen. Inzwischen
> aber wird auch Hochtechnologie, z.B. die Flugzeuge von Boeing, weitgehend in
> China erzeugt. Die Verlagerung der bestehenden Arbeit hat in den USA
> selbst keine neue Arbeit erzeugt und konnte sie auch nicht erzeugen, denn
> überall in der Welt gehorcht die Intelligenz verschiedener
> Bevölkerungsschichten der Gaußschen Normalverteilung. Nimmt man den weniger Begabten jene
> Tätigkeiten, für die sie bestens geeignet sind, dann zerstört man ihren
> bisherigen Lebensstandard. Wenn sie nicht überhaupt arbeitslos werden, müssen
> sie sich mit fallenden Löhnen bescheiden. Es ist nun einmal eine
> unumstößliche Tatsache der Biologie, dass sich die ganze Bevölkerung unmöglich
> zu Genies, Professoren oder Erfindern ummodeln lässt.
> 
> Demokratie als bloßer Formalprozess
> 
> Die zunehmende Wahlenthaltung der US-Amerikaner ist eine Reaktion auf ihre
> Ausgrenzung und Entwertung. Die Menschen sind sich bewusst, dass die
> Auslagerung von beiden Großparteien getragen wird. Ihr eigentlicher Theoretiker
> gehört sogar zum Lager der demokratischen Partei. Robert Reich,
> ehemaliger Arbeitsminister unter Präsident Clinton, hatte in seinem Buch „Die
> Neue Weltwirtschaft“ dezidiert die Forderung aufgestellt, dass Waren und
> Güter in Zukunft überall dort hergestellt sollten, wo dies am billigsten
> möglich ist (6). Ob der Kostenvorteil auf technischer Überlegenheit oder
> schlicht auf billiger Arbeit, fehlenden Umweltstandards etc. beruhe, spielte
> für ihn keine Rolle. Das führende Mitglied einer Partei, die in den
> Vereinigten Staaten eher dem linken Lager zugezählt wird, hat sich damit zum
> Sprachrohr der Lobbys von Industrie und Banken gemacht, den eigentlichen
> Profiteuren des outsourcing.
> 
> Das Programm Robert Reichs brachte in den Vereinigten Staaten denn auch
> die gleichen Wirkungen hervor wie die Politik jener Handvoll führender
> römischer Familien, welche die freien Bürger der Arbeit beraubten, um sie auf
> die Sklaven zu übertragen. Sie sahen sich nun zwar gezwungen, die ersteren
> mit Almosen abzuspeisen, um sie nicht schlicht verhungern zu lassen, doch
> lag für sie darin das geringere Übel, da sie in diesem Prozess ihre
> eigene Macht außerordentlich zu steigern vermochten. Mehr und mehr geriet Rom
> in die Hände einer Plutokratie (der Herrschaft der Reichsten).
> 
> Eine ähnliche Entwicklung hat sich in unserer Zeit seit dem Aufkommen des
> Neoliberalismus vollzogen. Der angesehene US-amerikanische Intellektuelle
> Noam Chomsky sieht in der tatsächlichen Machtstruktur der Vereinigten
> Staaten eine Herrschaft der Reichen: eine Plutokratie (7). Wir stoßen hier auf
> eine verblüffende, aber keinesfalls überraschende Parallele. In den USA
> – bis in die 70er Jahre ein Vorbild demokratischer Selbstbestimmung mit
> weltweiter Ausstrahlung – ist Demokratie in Gefahr zur bloßen Formalität
> zu erstarren. Mehr und mehr Bürger werden von der Gesellschaft nicht
> länger gebraucht und kehren dieser und ihren Repräsentanten den Rücken. In
> ihrer Stimmabgabe sehen sie längst keinen Sinn mehr, weil sie sich von
> keiner der bestehenden Parteien vertreten fühlen. Sobald amerikanische
> Präsidenten nur noch ein Viertel der Stimmen aller wahlberechtigten Bürger auf
> sich vereinen, ist aus einer lebendigen Demokratie eine bloße Hülle
> geworden.
> 
> Die Agenda 2010 war ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine Schwächung
> demokratischer Selbstbestimmung
> 
> Wir sollten nicht glauben, dass Europa sich dieser Entwicklung entzogen
> hätte. Das sanfte Sterben der Demokratie kennzeichnet inzwischen auch die
> politischen Verhältnisse in Deutschland. Mit der Agenda 2010, welche die
> Selbstbestimmung durch die Fremdbestimmung der Märkte ablöste, hat dieser
> Prozess sich deutlich beschleunigt. Deutsche Löhne, Renten,
> Arbeitsbedingungen und überhaupt das deutsche Sozialniveau werden inzwischen weitgehend
> von außen diktiert (8). Wenn die Wettbewerber, vor allem die erfolgreichen
> asiatischen Billiganbieter, bei gleicher Qualität der Produkte die
> Leistungen ihres Standorts (Arbeit, Sozialausgaben etc.) zu einem Bruchteil der bei
> uns üblichen Kosten anbieten, muss Deutschland nachziehen, und zwar umso
> mehr, je stärker sein jetzt noch bestehender technologischer und
> innovativer Vorsprung zusammenschrumpft. Die erste Agenda zieht dann zwangsläufig
> eine zweite, eine dritte etc. nach sich, und zugleich zwingt Deutschland
> seine europäischen Nachbarn, bei dieser Politik des „race to the bottom“
> Schritt zu halten, da andernfalls ihre Produkte und Industrien auf dem
> Weltmarkt keine Chance haben.
> 
> Kuriose Koinzidenz. Wie in den USA die Demokraten mit ihrem
> Cheftheoretiker Robert Reich die demokratische Selbstbestimmung durch Globalisierung
> ausgehöhlt haben, hat in Deutschland ein sozialdemokratischer Kanzler dieselbe
> Entwicklung vorangetrieben. Beide Male beruht diese Entwicklung
> keinesfalls auf naturgegebenen Zwängen. Die USA sind ein Kontinent, der über die
> besten Voraussetzungen verfügt, um mit erneuerbaren Energien autark zu
> werden (9) und seine Wirtschaft in Produktion und Konsum weitgehend unabhängig
> von der übrigen Welt zu betreiben, so wie dies zwischen dem Bürgerkrieg
> um die Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. tatsächlich der Fall
> war. Einzig die Gier einer kleinen Schicht von Plutokraten (in den Worten von
> Noam Chomsky) hat seit Beginn der 80er Jahre die amerikanische Wirtschaft
> in eine andere Richtung gedrängt.
> 
> Diese Feststellung trifft auch auf Europa zu. Ein vereinigtes Europa ist
> groß, reich und technologisch fortgeschritten genug, um die Bedürfnisse
> seiner Bürger nach dem Übergang zu erneuerbarer Energieversorgung
> weitgehend aus eigener Kraft zu befriedigen. Es braucht sich keiner äußeren
> Abhängigkeit auszuliefern und dabei die demokratische Selbstbestimmung zu
> opfern. Keine objektiven äußeren Zwänge haben diesen Prozess der Selbstaufgabe
> bewirkt, sondern einzig der Egoismus einer vom Gemeinwohl abgekoppelten
> ökonomischen und politischen Elite.
> 
> Mit dem „Fiskalpakt“ wird die Aushöhlung der Demokratie aktiv auch in
> Europa betrieben
> 
> Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Kräfte, die diese
> Entwicklung so energisch befördert haben und dies auch weiterhin tun, dabei die
> gleichen Motive verfolgen wie jene Handvoll Familien des antiken Rom, die
> in einem ähnlichen Prozess immer mehr Macht in ihren Händen vereinigten
> und dabei alle Selbstbestimmung der Bürger durch ihre eigene Herrschaft
> ersetzten. Es ist eine traurige Tatsache, dass gerade Deutschland – einst
> der wichtigste Fürsprecher für ein auch politisch vereinigtes Europa –
> mit seiner Politik wachsender Weltmarktabhängigkeit den auf Europa
> ausgehenden Druck der großen Konzerne, des großen Geldes und seiner Vertreter (der
> Rating-Agenturen) überhaupt erst ermöglicht hat. Durch die äußere
> Abhängigkeit ist eine kleine Schicht zu schwindelerregendem Reichtum und zu
> unverhältnismäßigem Einfluss gelangt. Das ist inzwischen in so starkem
> Maße der Fall, dass Demokratie und Wohlstand der Bürger durch die
> neoliberale Politik der Abhängigkeit in ganz Europa gefährdet sind. Zunächst vor
> allem in Südeuropa, das stranguliert wird, weil ihm der Euro keine
> Möglichkeit zur Abwertung und damit zu einer relativ schmerzfreien Reduktion
> seiner Kosten gewährt. Diese Strangulation wird den Südeuropäern von den
> Eliten verordnet, da diese inzwischen nichts so sehr fürchten wie das
> demokratische Votum in diesen Ländern. Schon in den Abstimmungen über den Vertrag
> von Lissabon war das Misstrauen der Eliten gegen das eigene Volk zu
> erkennen. Sie wurden solange abgehalten, bis man – nach gehöriger Propaganda
> – das zuvor beschlossene Ziel endlich erreichte. Auf dem Weg zu dieser
> Missachtung des demokratischen Willens stellt der sogenannte Fiskalpakt nun
> einen neuen Höhepunkt dar. Der Fiskalpakt ist nicht mehr und nicht weniger
> als eine Frontalattacke gegen die demokratische Selbstbestimmung: Er ist
> deren ganz und gar unsanfte Euthanasie. Doch das ist eine neue Geschichte, und
> diese wurde bereits auf vorzügliche Weise geschrieben (10).
> 
> Und dennoch: die Idee der Demokratie ist unausrottbar
> 
> Die Demontage der Demokratie ist eine unbestreitbare Tatsache, und sie
> wird sich mit Sicherheit in der näheren Zukunft noch verstärken. In weiterer
> Perspektive bin und bleibe ich dennoch ein Optimist. Denn, wie zu Anfang
> gesagt, gehört die demokratische Selbstbestimmung zu jenen Ideen, denen
> eine Art Unsterblichkeit eignet. Einmal in die Welt gesetzt, sind sie so
> unausrottbar wie die elementaren physischen Errungenschaften Feuer, Rad,
> Elektrizität. Irgendwann, vielleicht schon in den kommenden Jahren, vielleicht
> auch erst in einigen Jahrzehnten, werden sich die Menschen wieder auf ihre
> Rechte besinnen und sie, wenn es sein muss, erkämpfen.
> 
> 1 Eine Frage, die vor dem Dogma der Ungleichheit erst ihre ganze Brisanz
> erhält. Es war, wie Norbert Elias sagt „die natürliche und
> selbstverständliche Ordnung der Welt, dass die Krieger, die Edlen Muße haben, sich zu
> vergnügen, und dass die anderen für sie arbeiten. Es fehlt die
> Identifizierung von Mensch und Mensch. Es gibt nicht einmal am Horizont dieses Lebens
> /im christlichen Mittelalter/ die Vorstellung, alle Menschen seien
> »gleich«.“ Denn „so hat Gott die Welt geschaffen, die einen sind Herren, die
> anderen sind Knechte“ (Norbert Elias, Der Prozess der Zivilisation, Bd.
> 1, S. 289, 294).
> 2 Als Antwort auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte schrieb
> Pius VI. am 10. März 1791: „Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als
> eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?“
> (http://de.wikipedia.org/wiki/Pius_VI.).
> 3 Zu diesen Ausnahmen gehören Lykophron und Alkidamas. In Messeniakos,
> einer Rede für die von Epameinondas in Messenien angesiedelten spartanischen
> Heloten, sagt Alkidamas „Gott hat alle Menschen freigelassen; die Natur
> hat niemand zum Sklaven gemacht." Alkidamas Ausspruch ist aber nur über
> eine Randbemerkung, ein so genanntes Scholion, zu Aristoteles` Rhetorik (I 13
> S. 1373b 18) überliefert. Hierzu auch Brockmeyer, Sklaverei, S. 6.
> 4 Attika war um 431 v. Chr. von etwa 315 000 Menschen besiedelt (Fernand
> Braudel, Mémoires, S. 398). Von diesen gehörten nur etwas mehr als der
> zehnte Teil (40 000) zu den freien Bürgern, die übrigen neun Zehntel waren
> in Attika selbst angesiedelte, weitgehend rechtlose Ausländer oder Sklaven,
> wobei die Zahl der letzteren mindestens 200 000 betragen hat (hier handelt
> es sich um Schätzungen, vgl. Brockmeyer, Sklaverei, S. 115). Ähnliche
> Zustände treffen in unserer Zeit auf die Vereinigten Emirate zu.
> 5 Hier sind die Arbeiten Max Webers immer noch grundlegend (Gesammelte
> Aufsätze zur Religionssoziologie).
> 6 Robert Reich: The Work of Nations: Preparing Ourselves for 21st Century
> Capitalism.
> 7 Noam Chomsky, The Prosperous Few and the Restless Many, 1993; S. 67.
> Vgl. auch Michael Lind, The Next American Nation. S. 312. „The American
> campaign finance system could not work better if it had been deliberately
> designed to ensure government of the rich, by the rich, and for the rich.“
> Hierzu Der Spiegel (09/48. S. 83): „Wenn man die USA mit der gleichen
> analytischen Kühle wie Russland betrachten würde“, so der amerikanische
> Ökonom James Galbraith, „würde man nicht umhin kommen, von der Herrschaft
> eines Oligopols aus Politikern und Bankern zu sprechen. Die Mächtigen an der
> Wall Street und in Washington seien nicht weniger eng verflochten als
> Premier Wladimir Putin und die Magnaten des russischen Rohstoffimperiums.“
> 8 Hierzu vgl. mein Buch: Von der Krise ins Chaos.
> 9 Die »Union of Concerned Scientists«, eine Vereinigung von mehr als 100
> 000 amerikanischen Wissenschaftlern, darunter vielen Nobelpreisträgern,
> hatte schon 1979 eine Studie veröffentlicht, in der die vollständige
> Umstellung der US-amerikanischen Energieversorgung auf erneuerbare Quellen bis
> zum Jahr 2050 empfohlen und im Detail dargestellt wurde (Kendall u.a.,
> Energy Strategies).
> 10 Vgl. Lukas Oberndorfer, Fiskalpakt – ein weiterer Schritt in Richtung
> Entdemokratisierung
> (http://rechtsvergleichung.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/Rechtsvergleich_Verschraegen/Verschraegen/MitarbeiterInnen/Lukas_Oberndorfer/Oberndorfer__Der_Fiskalpakt_-_ein_weiterer_Schritt_in_Richtung_Entdemokratisierung__EU-Infobrief_1-2012.doc.pdf).
> Hierzu vgl. den am 25. März 2012 in der Welt anonym erschienenen,
> besonders aufschlussreichen Artikel: Ein Staat ohne Legitimation
> (http://www.welt.de/welt_print/article779393/Ein_Staat_ohne_Legitimation.html).
> 
-- 
Axel Tigges
Heinrich-Kandl-Weg 2
A-4030 Linz 
Phone +43 650  8080095
Alternativadresse 
axel.tigges at gmail.com
Facebook Axel Valentin Tigges


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