[Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl

Agnes Schubert Agne.s at gmx.de
Mi Apr 4 12:58:08 CEST 2012


Hallo Jörg und andere,

/Jörg:"... Vielmehr sprechen für die Ursache mehrere mögliche Impulse; die Fähigkeit einem Impuls "bewusst" zu folgen wäre dann unsere Freiheit."
/
Auch beim Willen stellt sich also die Frage: "frei wovon?". Geht man davon aus, dass Bewusstsein Grundsätzlich deterministisch ist, dann bleibt die (relative) Freiheit von einzelnen Impulsen gerade durch die (entsprechend relative) Abhängigkeit von allen anderen Einflüssen (wie anderen Impulsen, ...).
Aber das Thema "Freier Wille" - allein betrachtet - führt uns hier nicht wirklich weiter.

/Jörg:"... Geld... ist eine "indirekte Belohnung" die als Impuls dient, bestimmte Dinge zu tun....Bei einem Grundeinkommen (vor allem durch die geforderte Bedingungslosigkeit) fällt die Bestimmtheit der "Handlung" weg. "/

Na ja. Entweder die BGE-Empfänger selber wiederum verwenden das Geld nicht der Bedeutung von Geld nach(sondern zahlen es zurück, oder verbrennen es ...) oder aber sie nutzen es eben doch als Geld zur eigenen Bedürfnisbefriedigung (Wobei ersteres ja in letzterem eigentlich auch drin steckt - wenn einer die "paar" 100EUR-Scheine eben gut zum Zigarre anzünden brauchen kann).
So oder so ist eben das,*was die Gesellschaft*mit dem BGE*bezweckt*  (wenn man ihr denn eben diesen Willen aus der Gesamtheit der Individuen übertragen will)  genau das was passieren wird,*die Bedürnisbefriedigung der Empfänger*.
Was man (Gesellschaft?) sich davon zusätzlich verspricht, ist die relative Befreiung der Handlungsmotivation der BGE-Empfänger vom Geldeinkommen und damit die höhere Geltung anderer Handlungsmotivationen - wie solche die der Arbeit selber innewohnen (Spaß an der Arbeitstätigkeit selbst, beim Kontakt mit den Kollegen, ...) oder, das direkte (also das gerade nicht durch Einkommen vermittelte)  Interesse an den Gebrauchseigenschaften der Arbeitsprodukte.
Letzteres zusätzliches Ziel ist eigentlich ein sekundäres aber notwendiges,
- um die Existenz von Gesellschaft selbst zu gewährleisten
oder anders gesagt:
- um die bessere Bedürfnisbefriedigung der Individuen durch Nutzung der Gesellschaft (ja immer einer Gesellschaft von Individuen) zu ermöglichen.

  Ob die Rechnung aufgeht und tatsächlich die durch BGE verbesserte neue Arbeits-Motivation die durch BGE verschlechterte alte Arbeits-Motivation
mehr als abzulösen im Stande sein wird, zeigt dann nur der Versuch.


/Jörg:"Dabei spielt Geld nun eine wesentliche Rolle, wenn es um eine Gesellschaft geht: Es ist eine "indirekte Belohnung" die als Impuls dient, bestimmte Dinge zu tun. Wer Geld hat, kann die "Handlung" bestimmen und ... Zwecke damit verfolgen. Bei einem Grundeinkommen ... fällt die Bestimmtheit der "Handlung" weg. Man kann also nicht von einer "indirekten Belohnung" sprechen, weshalb die Frage besteht, worin dann der Zweck liegen soll?"/

Es geht ja genau nicht primär um die Ersetzung der "indirekte Belohnung" sondern um die Ersetzung des bzw. die zusätzliche*Frei*setzung eines alternativen Impulses, bestimmte Dinge zu tun.


/Jörg:"Eine "zweckorientierte Gesellschaft", ... nennen wir ... "Staat" (auch ...). "/
In der Staatstheorie scheinen wir ja zumindest soweit einig.
Wenn der Zweck der gegenwärtigen Gesellschaft (inklusive der notwendigen Bedingung "Selbsterhalt" = "Selbstzweck"), dem widerspricht, was sich (genaugenommen: der machtentscheidende Teil der) Leute von einer Gesellschaft erhoffen, dann kann BGE eben kein Zweck dieses Staates sein (weil mit dessen Aufgaben eben genau nicht vereinbar), sondern eben eines anderen.*Wenn*  die einst Mächtigen die Regelwerke nach ihren Vorteilen und den Nachteilen der Ohnmächtigen eingerichtet haben und sich die Macht (aus welchen inneren Notwendigkeiten auch immer:Globalisierung - Kkonkurenzfähigkeit - Erhöhung der allgemeinen Bildung und Konsum- und Teilhabeansprüche, ... ) verlagert, dann ändert sich eben dieser Staat und der zugehörige Zweck der Gesellschaft.


/Jörg:"Unterschied Egoismus und Altruismus: ...
Ähnlich ist es auch beim Grundeinkommen: Fordern wir es primär "für uns" oder primär "für andere" (die Gesellschaft)? Selbst wenn wir es nur "für uns" fordern, kann es auch für die Gesellschaft einen Nutzen haben.
Allerdings stellt sich die Frage, was bei Entscheidungsträgern Priorität hat, denn sie brauchen prinzipiell kein "Grundeinkommen" und gehe ich Deiner "Egoismus-Theorie" nach, stellt sich mir die Frage, warum Entscheidungsträger überhaupt ein Grundeinkommen einführen sollten, wenn sie daraus keinen "Primärnutzen" haben..."/

1) Entweder BGE wird gegen die bisherige Macht (Machtwechsel hat das Primat) eingeführt
  
oder wovon ich eher ausgehe:
2a) die Ruhigstellung der Massen und der Erhalt der "Reserve"arbeitskräfte auf höherem Bildungs- und Anspruchniveau erweitern den Zweck aller bisherigen staatlich gelenkten sozialen Umverteilung und/oder
2b) die Erhöhung der Konkurrenzvorteile durch Nutzung einer von Sozialängsten weitgehend befreiten Arbeiterschaft mit deren neu entfesselten Arbeitsbereitschaft, Kreativität, ...

und verlangen ein neues Mittel BGE zur Gewährleistung bisheriger Zwecke des Staates wegen der Anpassung an neue Produktionsmittel und -verfahren.

viele Grüße

AgneS

> Message: 2
> Date: Thu, 29 Mar 2012 11:17:44 +0300
> From: "Joerg Drescher"<iovialis at gmx.de>
> To:<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl
> 	(ReGrundeinkommen als Mittel zum Zweck)
> Message-ID:<4A67D19786E040E9AE2AC20B0214646E at iovialis>
> Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"
>
> Hallo Agnes und wen's sonst noch interessiert,
>
> die Frage des "freien Willens" läßt sich einfach beantworten, indem wir von einem "bewußten Willen" sprechen. Prinzipiell würde dann Freiheit auf die Stufe des Bewußtsein gestellt. Hätte dann ein Tier auch einen "bewußten Willen"? Diese Frage läßt sich insofern beantworten, indem man zurückfragt, ob sich das Tier über alternative Möglichkeiten bewußt war. Und hier kommen wir zu Deiner "Willkür", die sich dadurch auszeichnet, daß es keinen ersichtlichen kausalen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt. Vielmehr sprechen für die Ursache mehrere mögliche Impulse; die Fähigkeit einem Impuls "bewußt" zu folgen wäre dann unsere Freiheit.
>
> Dabei spielt Geld nun eine wesentliche Rolle, wenn es um eine Gesellschaft geht: Es ist eine "indirekte Belohnung" die als Impuls dient, bestimmte Dinge zu tun. Wer Geld hat, kann die "Handlung" bestimmen und (eigene oder allgemeine) Zwecke damit verfolgen. Bei einem Grundeinkommen (vor allem durch die geforderte Bedingungslosigkeit) fällt die Bestimmtheit der "Handlung" weg. Man kann also nicht von einer "indirekten Belohnung" sprechen, weshalb die Frage besteht, worin dann der Zweck liegen soll?
>
> Die Sache mit dem "Mittel" und "Zweck" ist sowieso ein gefährliches Spiel. "Mittel" können "Zweck" sein, und umgekehrt. So ist das Streben nach Macht ein "Zweck", wobei Macht oftmals als "Mittel" verwendet wird, Macht zu erlangen; bei Geld ist es ähnlich - und bei der Gesellschaft auch.
>
> Eine "zweckorientierte Gesellschaft", die mittels Verträgen, Rechte und Pflichten in Regeln und Gesetzen verteilt, nennen wir grob gesagt "Staat" (auch Vereine, Aktiengesellschaften usw. fallen unter diesen Begriff). Das "grobe" fällt weg, wenn wir das Gewaltmonopol des Staates hinzunehmen. Aber jetzt gleite ich in den Bereich Staatsphilosophie/-theorie ab.
>
> Unterschied Egoismus und Altruismus: Der "Streit" ist alt, da auch altruistisches Verhalten "Eigenbefriedigung" bringen kann. Allerdings drückt der primäre Zweck die Idee aus, ob etwas "für sich selbst" (Egoismus) oder "für andere" (Altruismus) getan wird. Ein nettes Beispiel hierzu ist: Wir leben in einem Mehrfamilienhaus mit einem gemeinsamen Eingang ohne Licht; bauen wir ein Licht ein, so machen wir das primär "für uns" und nicht primär "für andere", obwohl auch andere einen Nutzen davon haben.
>
> Ähnlich ist es auch beim Grundeinkommen: Fordern wir es primär "für uns" oder primär "für andere" (die Gesellschaft)? Selbst wenn wir es nur "für uns" fordern, kann es auch für die Gesellschaft einen Nutzen haben. Allerdings stellt sich die Frage, was bei Entscheidungsträgern Priorität hat, denn sie brauchen prinzipiell kein "Grundeinkommen" und gehe ich Deiner "Egoismus-Theorie" nach, stellt sich mir die Frage, warum Entscheidungsträger überhaupt ein Grundeinkommen einführen sollten, wenn sie daraus keinen "Primärnutzen" haben. Die Zweck-Idee gibt aus meiner Sicht interessante Einsichten...
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> Bevor es zu lange wird, belasse ich's aber erstmal dabei ;-)
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> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus


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