[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 76, Eintrag 19

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Do Sep 29 19:48:18 CEST 2011


Tschüss, Proletarier!

Stellungnahme von Karl-Heinz Pachura zur Ablehnung des Existenzeinkommens durch ver.di *

Heike Langenberg praktiziert ein unverantwortliches Hand in Hand gehen mit einer stalinistischen Argumentation (Spalter) und einer neoliberalistischen Argumentation (Faulheit), die beide darauf abzielen, den bisherigen geduldeten gesellschaftlichen Zustand, das Hunger, Krankheit und Obdachlosigkeit für Arme ein natürlicher Zustand sein soll, zu festigen.

Michael Schlecht redet vom Recht auf den kollektiven Freizeitpark, wie ihn sich heute viele leisten, und verbindet dies dann völlig unmotiviert mit der Sehnsucht von 10-20 Millionen Menschen (gleich ¼ der Gesellschaft) nach Lebenssicherheit. Diese Menschen müssten auch eine Zielgruppe von Gewerkschaften sein, denn dies ist die proletarische Reservearmee, die ohne bedingungsloses Existenzgeld und ohne Mindestlohn den Druck auf die Erwerbseinkommen auslöst, der auch die jetzigen Erwerbstätigen in den Strudel von Not und Armut reißen kann. Was die weiteren angedeuteten neoliberalistischen Thesen bei einer Diskussion über ein bedingungsloses Existenzgeld zu suchen haben, bleibt nebulös. Götz Werner gehört in das Umfeld der esoterischen Zirkel der Anhänger von Rudolf Steiner, und deren Slogan „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ hat nichts mit Neo-Liberalismus zu tun. Denn dieser Slogan gibt auf hellsichtige Art und Weise die Tatsache wieder, dass in Zukunft Vollbesc
 häftigung nur zu Armutslöhnen möglich ist.

Dieses aber kann keine Perspektive für Gewerkschaften sein. Bernhard Jirku warnt nicht nur vor trojanischen Pferden, sondern gesteht auch ein „es macht uns ein Geschwätz nicht satt“. Meint aber nicht sich selber, sondern die BGE Befürworter, und unterstellt dabei, daß das BGE eine Forderung von Faulen ist, die den Arbeitnehmern das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Diese selbsternannten proletarischen Vordenker, die so wie Jirku argumentieren, wissen, dass dies aber auch eine weit verbreitete und deckungsgleiche Denkweise von Menschen ist, die ihr Einkommen ausschließlich aus der Arbeitstätigkeit anderer Menschen ziehen, dazu gehören auch die neoliberalistischen Führer von Henkel bis Glos, die diesen Marktradikalismus predigen und transportieren, und damit das Konstrukt des neuen Untermenschen erzeugen: Den nicht mehr markttauglichen Menschen! Und dieses aus dem Munde der stalinistischen Speerspitze, die es lieber sieht, wenn Menschen Massenhaft im Elend sitzen, 
 als dass durch gesellschaftliche Reformen der Staat an Gerechtigkeit zu gewinnt, und nur, weil Jirku sich mit denen in ein Boot setzt, für sie „Reformismus“ auch heute noch ein Schimpfwort ist. Außerdem sollte sich Jirku einmal um seinen Begriff der Arbeit kümmern, da sein Begriff der Arbeit zutiefst neo-liberal ist, und er damit den Erwerbstätigen schadet. Denn Erwerbstätigkeit ist nicht gleich Arbeitstätigkeit.

Arbeitstätigkeit ist an die Strukturen der Arbeit gebunden. Dort, in den Strukturen der Arbeit, befindet sich der einzige materiellen Wert schaffende Bereich in der Gesellschaft; wo durch Arbeitstätigkeit die Basis für alles materielle in der Gesellschaft erzeugt wird. Alles außerhalb der Strukturen der Arbeit und der Arbeitstätigkeit gehört der Aneignungs- und der Umverteilungssphäre an.

Tätigkeiten an den kulturellen Strukturen der Gesellschaft sind unternehmerische Tätigkeit, politische Tätigkeit, Verwaltungstätigkeit, Bildungstätigkeit, Pflegetätigkeit, also alles was im Kulturbereich an Erwerbstätigkeiten und Aneignungstätigkeiten ausgeführt wird. Arbeitstätigkeit ist eine besondere Form der Tätigkeit, und findet an den Strukturen der Arbeit statt. Alle anderen Tätigkeiten finden an den Strukturen der Kultur statt. Aber der Unterschied ist: Arbeitstätigkeit schafft materielle Werte, Kulturtätigkeit verzehrt materielle Werte. Arbeit und Mühsamkeit ist nicht dasselbe.

Interpretiere ich aber jede Tätigkeit, also auch jede Erwerbstätigkeit als Arbeitstätigkeit, kann ich nur den falschen Schluss ziehen: Wer kein Einkommen hat, ist faul! Wer kein Einkommen hat, muss auf jeden Fall nachweisen, dass er sich abmüht! Da, jetzt kommt wieder der Fehlschluss, da Mühsamkeit = Arbeit! Die Verausgabung körperlicher Leistungsfähigkeit ist aber erst recht keine Arbeit und braucht noch nicht einmal Tätigkeit zu sein, sonst würde jede Kniebeuge zu Hause den materiellen Reichtum der Gesellschaft mehren.

Aber genau dies wird von den Faulheitspredigern unterstellt, anstatt die folgende Tatsache festzuhalten: Ja, wir alle Leben von dem materiellen Wert, der im Prozess der Arbeit als Referenzgröße erzeugt wird. Der Kapitalist, der sich in der kapitalistischen Produktion Wert und Mehrwert aneignet, die Bürokratie, die sich Wert und Mehrwert aneignet, der Bundestags-, Landtags- und sonstige Abgeordnete, die Banken und Sparkassen, die Krankenkassen, die Krankenhäuser, die Mediziner, die Polizei, die Armee, die Richter und Anwälte, die (Sozial) Pädagogen, die Universitäten, Makler, die Hausbesitzer, die Vermieter, die Ladenbesitzer und alle die, die ich nicht aufgezählt habe. Die gesamte Gesellschaft lebt von den in den Arbeitstrukturen durch Arbeitstätigkeit geschaffenen materiellen Werten. Es ist mehr als ungerechtfertigt, die Befürworter eines BGE´s als Ausbeuter der Arbeiter hinzustellen. Die gesamte Gesellschaft beutet die Arbeitstätigen aus, wenn ich mit Kampfbegri
 ffen argumentiere; der gesamte materielle Reichtum der Gesellschaft basiert auf der Arbeitstätigkeit und auf den dort erschaffenen materiellen Werten, wenn ich es mit den Abhängigkeitsbeziehungen der Gesellschaft von der Arbeit ausdrücken will.

Die BGE Befürworter fordern eine andere Umverteilung, und keine zusätzliche Belastung von Erwerbstätigen. Die angeblichen Linken mit ihren neoliberalen Thesen in den K-Gruppen, bei der Partei DieLinke, bei den Grünen, der SPD und den Gewerkschaften müssen sich von ihrem Arbeitsfetischismus lösen, der nur auf der Gleichsetzung von Arbeitstätigkeit mit kultureller Tätigkeit beruht. Die Aneignungssphäre (Kultur) und die Erschaffungssphäre (Arbeit) müssen fein säuberlich auseinander gehalten werden. Genauso fein muss Aneignung von Arbeitswerten in der kapitalistischen Produktion von der Erzeugung von materiellen Werten im industriellen System getrennt werden.

Kapitaleigner arbeiten nicht, sondern eignen sich Arbeitswerte an. Kulturtätige arbeiten nicht, sondern leben in der Umverteilungssphäre von den materiellen Werten, die bei der Arbeitstätigkeit erzeugt werden. Und der Markt, erzeugt schon gar keine Werte. Dort treten die materiellen Werte zusätzlich noch in Beziehung zu den nicht materiellen Werten. Darum kann alles einen Marktwert erlangen, aber nicht alles kann einen materiellen Wert hervorbringen.

Der materielle Wert, der in den Strukturen der Arbeit erzeugt wird, ist die Referenzgröße für alle anderen mit Wert belegten Größen, die auf dem Markt ausgetauscht werden. Ein BGE lässt alle Menschen an diesem Austausch teilhaben.

Anmerkung:

Es handelt sich um einen – nicht abgedruckten – Lesebrief zum Artikel „Der große Wurf?“ von Heike Langenberg in ver.di publik Ausgabe 06/07 externer Link
-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Thu, 29 Sep 2011 11:46:28 +0200
> Von: Agnes Schubert <Agne.s at gmx.de>
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 76, Eintrag 19

> Martin Brucks schrieb:
> > .. ich bin etwas überrascht über den Gebrauch des Wortes Arbeit und 
> > sehe, wie sich an diesem Begriff immer wieder missverständliche 
> > Debatten entzünden.
> Das Problem sehe ich auch.
> > Wir werden nicht umhin kommen, den Begriff Arbeit klar zu definieren 
> > und im Sinne dieser Definition dann auch korrekt zu gebrauchen. 
> Ich glaube nicht, dass es so herum geht, sonst müsste man immer die 
> Definition zu Arbeit zu seinem Posting dazu schreiben, denn es tauchen 
> immer wieder neue Disskutanten auf, die ihren jeweiligen Arbeitsbegriff 
> eben mitbringen. Den Begriff BGE, der ja noch relativ neu ist, für alle 
> Disskutanten wenigsten annähernd gleich zu definieren, ist schon schwer, 
> macht aber nich einigermaßen Sinn. Bei dem Wort Arbeit wird das nicht so 
> einfach klappen.
> 1. Jeder sollte selber beim verstehenden Lesen darauf achten, dass es 
> verschiedene Bedeutungen zu dem Wort "Arbeit" gibt und gerade wenn er 
> einen Widerspruch zu entdecken glaubt, mal prüven, ob es unter einer 
> anderen Bedeutung mehr sinn ergibt, was er da gerade liest.
> 2. für den Schreiber sollte klar sein, dass man Missverständnisse 
> vermeiden kann, wenn man präziser von z.B. von "Lohnarbeit" oder aber 
> von "Tätigkeit" spricht.
> 
> Also:
> > Arbeit ist eben nicht all das was sich direkt oder indirekt "auszahlt" -
> "Lohnarbeit" aber z.B. schon! - oder allgemein eben "Tauschwertschöpfene 
> Arbeit" oder (bei Marx) "abstrakte Arbeit," ...
> 
> > es ist viel mehr und darum gibt es ja so viel unbezahlter Arbeit. 
> unbezahlte Tätigkeiten haben bzw. schaffen eben im Allgemeinen auch 
> keinen Tauschwert - sind selber somit auch nicht zu bewerten, ...
> > Der Erwerb (von was auch immer) hat mit der Arbeit nichts zu tun,
> Das stimmt so nicht! Sich etwas anzueignen, sei es durch Lohnarbeit, 
> oder unternehmerischer Tätigkeit, oder auch gar durch schlichten 
> Diebstahl, es ist immer mit auch mit einer konkreten Tätigkeit verbunden.
> Die moralische oder sonstige Bewertung einer solchen Tätigkeit, (dass 
> man auch vielleicht schwitzen müsse, um es dann Arbeit nennen zu dürfen,
> oder es nach außen so aussehen müsste, dass man diese Tätigkeit nicht 
> wirklich gerne machte, weil man vielleicht eigenes Interesse an dem 
> Produkt als Gebrauchsgegenstand hat ) ist eben schwer zu 
> verallgemeinern. Man wird so also kein einheitliches maß neben dem ja 
> schon vorhanden Tauschwert finden.
> > unglücklicherweise wurden diese beiden Begriffe irgend wann so 
> > miteinander verknüpft, dass es heute selbst Vor- und Mitdenkern schwer 
> > fällt das auseinander zu halten. Nicht zuletzt haben die 
> > Gewerkschaften in bester Absicht an dieser Verknüpfung mitgewirkt und 
> > tun es noch. "Arbeit muss sich wieder lohnen" Aha! Falsch - Arbeit 
> > will und muss einfach nur getan werden und *damit *dies in vollem 
> > Umfang geschehen kann braucht der Mensch ein Einkommen.
> Übrigens:
> Unglücklicherweise machst du an der Stelle des Konsums selber die 
> Verknüpfung, die dir bei der Arbeit so aufstößt.
> Nein, der Mensch braucht kein Einkommen, er braucht eine gesicherte 
> Existenz ...
> Dass die Möglichkeit der Existenz im Kapitalismus im Allgemeinen eben an 
> ein Einkommen geknüpft ist, ist genauso, wie die Tatsache, dass bisher 
> der Erwerb von Einkommen für die meisten an eine Lohnarbeit geknüpft
> ist.
> Es ist also immer die Frage, wie weit man zur Erreichung seiner Ziele 
> bereit ist, gewohntes Denken aufzugeben, um dann die vielleicht besseren 
> Forderungen zu stellen.
> Wenn aber die Arbeiter mit ihren Gewerkschaften (mit ihrem ganzen Stolz) 
> ihre Mühe bei der konkreten Arbeit zur Herstellung der Gebrauchsgüter 
> benutzen als moralische Rechtfertigung, um auf ihre Forderung nach 
> (mehr) Einkommen bestehen zu können, dann sind sie auf der Stufe jener, 
> die ihre Rendite für ihren Kapitalvorschuss mit temporärem 
> Konsumverzicht moralisch zu begründen wissen.
> Der Witz ist aber, dass aus der moralischen Rechtfertigung wie "Arbeit 
> muss sich wieder Lohnen" aber gar nichts Erhofftes wie Lohnerhöhungen 
> folgt, sonder allein aus der Stärke, die eigene Arbeitskraft dem 
> Gebrauch zur Tauschwerteproduktion auch versagen zu können. Da aber eine 
> individuelle Arbeitsverweigerung bisher schnell die eigene Existenz 
> gefährdet, ohne gleichzeitig entsprechenden Druck auf den Arbeitgeber 
> ausüben zu können, nutzt bisher selten die individuelle Lohnforderung. 
> Dank der Gewerkschaften gibt es aber deshalb das Mittel des Streiks (und 
> damit auch der realen Streikdrohung)
> Das BGE wird individuell zugesprochen. Dafür braucht es keine 
> Gewerkschaft. Aber dadurch wird auch jeder individuell in die Lage 
> versetzt, den Gebrauch seiner Arbeitskraft zu verweigern und somit für 
> den anderen Fall einen Lohn zu fordern, der ihm persönlich als 
> Rechtfertigung für den Aufwand dient.
> Dafür braucht es dann aber keinen gemeinschaftlichen Streik mehr und 
> somit ist die Gewerkschaft als Vereinigung der natürliche Gegner des 
> BGE. Wenn die Gewerkschafter also den Erhalt oder Ausbau der 
> Gewerkschaft als Selbstzweck verfolgen, werden sie sich immer gegen ein 
> BGE wenden MÜSSEN.
> Nimmt sich der Gewerkschafter aber statt dessen dem Wohl der Arbeiter an 
> und macht das zur seiner primären Aufgabe, dann sieht es ja vielleicht 
> anders aus. Aber mit einer Unterstützung des BGE-Gedanken forciert man 
> dann auch die Auflösung der Gewerkschaften.
> 
> AgneS
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