[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 76, Eintrag 19

Agnes Schubert Agne.s at gmx.de
Do Sep 29 11:46:28 CEST 2011


Martin Brucks schrieb:
> .. ich bin etwas überrascht über den Gebrauch des Wortes Arbeit und 
> sehe, wie sich an diesem Begriff immer wieder missverständliche 
> Debatten entzünden.
Das Problem sehe ich auch.
> Wir werden nicht umhin kommen, den Begriff Arbeit klar zu definieren 
> und im Sinne dieser Definition dann auch korrekt zu gebrauchen. 
Ich glaube nicht, dass es so herum geht, sonst müsste man immer die 
Definition zu Arbeit zu seinem Posting dazu schreiben, denn es tauchen 
immer wieder neue Disskutanten auf, die ihren jeweiligen Arbeitsbegriff 
eben mitbringen. Den Begriff BGE, der ja noch relativ neu ist, für alle 
Disskutanten wenigsten annähernd gleich zu definieren, ist schon schwer, 
macht aber nich einigermaßen Sinn. Bei dem Wort Arbeit wird das nicht so 
einfach klappen.
1. Jeder sollte selber beim verstehenden Lesen darauf achten, dass es 
verschiedene Bedeutungen zu dem Wort "Arbeit" gibt und gerade wenn er 
einen Widerspruch zu entdecken glaubt, mal prüven, ob es unter einer 
anderen Bedeutung mehr sinn ergibt, was er da gerade liest.
2. für den Schreiber sollte klar sein, dass man Missverständnisse 
vermeiden kann, wenn man präziser von z.B. von "Lohnarbeit" oder aber 
von "Tätigkeit" spricht.

Also:
> Arbeit ist eben nicht all das was sich direkt oder indirekt "auszahlt" - 
"Lohnarbeit" aber z.B. schon! - oder allgemein eben "Tauschwertschöpfene 
Arbeit" oder (bei Marx) "abstrakte Arbeit," ...

> es ist viel mehr und darum gibt es ja so viel unbezahlter Arbeit. 
unbezahlte Tätigkeiten haben bzw. schaffen eben im Allgemeinen auch 
keinen Tauschwert - sind selber somit auch nicht zu bewerten, ...
> Der Erwerb (von was auch immer) hat mit der Arbeit nichts zu tun,
Das stimmt so nicht! Sich etwas anzueignen, sei es durch Lohnarbeit, 
oder unternehmerischer Tätigkeit, oder auch gar durch schlichten 
Diebstahl, es ist immer mit auch mit einer konkreten Tätigkeit verbunden.
Die moralische oder sonstige Bewertung einer solchen Tätigkeit, (dass 
man auch vielleicht schwitzen müsse, um es dann Arbeit nennen zu dürfen, 
oder es nach außen so aussehen müsste, dass man diese Tätigkeit nicht 
wirklich gerne machte, weil man vielleicht eigenes Interesse an dem 
Produkt als Gebrauchsgegenstand hat ) ist eben schwer zu 
verallgemeinern. Man wird so also kein einheitliches maß neben dem ja 
schon vorhanden Tauschwert finden.
> unglücklicherweise wurden diese beiden Begriffe irgend wann so 
> miteinander verknüpft, dass es heute selbst Vor- und Mitdenkern schwer 
> fällt das auseinander zu halten. Nicht zuletzt haben die 
> Gewerkschaften in bester Absicht an dieser Verknüpfung mitgewirkt und 
> tun es noch. "Arbeit muss sich wieder lohnen" Aha! Falsch - Arbeit 
> will und muss einfach nur getan werden und *damit *dies in vollem 
> Umfang geschehen kann braucht der Mensch ein Einkommen.
Übrigens:
Unglücklicherweise machst du an der Stelle des Konsums selber die 
Verknüpfung, die dir bei der Arbeit so aufstößt.
Nein, der Mensch braucht kein Einkommen, er braucht eine gesicherte 
Existenz ...
Dass die Möglichkeit der Existenz im Kapitalismus im Allgemeinen eben an 
ein Einkommen geknüpft ist, ist genauso, wie die Tatsache, dass bisher 
der Erwerb von Einkommen für die meisten an eine Lohnarbeit geknüpft ist.
Es ist also immer die Frage, wie weit man zur Erreichung seiner Ziele 
bereit ist, gewohntes Denken aufzugeben, um dann die vielleicht besseren 
Forderungen zu stellen.
Wenn aber die Arbeiter mit ihren Gewerkschaften (mit ihrem ganzen Stolz) 
ihre Mühe bei der konkreten Arbeit zur Herstellung der Gebrauchsgüter 
benutzen als moralische Rechtfertigung, um auf ihre Forderung nach 
(mehr) Einkommen bestehen zu können, dann sind sie auf der Stufe jener, 
die ihre Rendite für ihren Kapitalvorschuss mit temporärem 
Konsumverzicht moralisch zu begründen wissen.
Der Witz ist aber, dass aus der moralischen Rechtfertigung wie "Arbeit 
muss sich wieder Lohnen" aber gar nichts Erhofftes wie Lohnerhöhungen 
folgt, sonder allein aus der Stärke, die eigene Arbeitskraft dem 
Gebrauch zur Tauschwerteproduktion auch versagen zu können. Da aber eine 
individuelle Arbeitsverweigerung bisher schnell die eigene Existenz 
gefährdet, ohne gleichzeitig entsprechenden Druck auf den Arbeitgeber 
ausüben zu können, nutzt bisher selten die individuelle Lohnforderung. 
Dank der Gewerkschaften gibt es aber deshalb das Mittel des Streiks (und 
damit auch der realen Streikdrohung)
Das BGE wird individuell zugesprochen. Dafür braucht es keine 
Gewerkschaft. Aber dadurch wird auch jeder individuell in die Lage 
versetzt, den Gebrauch seiner Arbeitskraft zu verweigern und somit für 
den anderen Fall einen Lohn zu fordern, der ihm persönlich als 
Rechtfertigung für den Aufwand dient.
Dafür braucht es dann aber keinen gemeinschaftlichen Streik mehr und 
somit ist die Gewerkschaft als Vereinigung der natürliche Gegner des 
BGE. Wenn die Gewerkschafter also den Erhalt oder Ausbau der 
Gewerkschaft als Selbstzweck verfolgen, werden sie sich immer gegen ein 
BGE wenden MÜSSEN.
Nimmt sich der Gewerkschafter aber statt dessen dem Wohl der Arbeiter an 
und macht das zur seiner primären Aufgabe, dann sieht es ja vielleicht 
anders aus. Aber mit einer Unterstützung des BGE-Gedanken forciert man 
dann auch die Auflösung der Gewerkschaften.

AgneS



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