[Debatte-Grundeinkommen] Arbeit geht aus? Re: Kommentar zum Artikel/Re: Götz Werner

Christian Thun christian at mrthun.net
Di Sep 27 16:11:28 CEST 2011


Hi,

Das Ende der Arbeit sehe ich auch noch nicht. Man muss aber dazu sagen, dass sowohl das Ende der Arbeit, als auch das "Fortbestehen" der Arbeit nicht wirklich beweisbar sind.
Ich denke auch, dass es für das Grundeinkommen keine Rolle spielt. Dabei geht es ja nicht darum wie viel Arbeit vorhanden ist, sondern um den Zwang zur Arbeit um das Grundeinkommen zu sichern. Mit dem BGE wird dieser Aspekt abgeschafft und der Mensch kann sich darauf konzentrieren sich selbst zu verwirklichen - wie das in dieser Diskussion ja auch festgestellt wurde.
Zum Glück gehen wir davon aus, dass sich auch mit BGE viele Menschen durch Arbeit, ähnlich dem was heute im Angebot ist, verwirklichen wollen. Gleichzeitig wird es Arbeit geben die nur wenige oder niemand mehr tun will. Wodurch entweder diese Arbeit sehr teuer wird (z.B. Müll abfahren) oder Alternativen entstehen (die erwähnten RFID Chips im Supermarkt).

Aus sozialer Sicht - um noch einmal auf das Thema "Ende der Arbeit" zurückzukommen - würde ich sagen, dass das Problem nicht der Mangel an Arbeit ist, sondern der Mangel an lebenssichernder Bezahlung. Dieser Trend wird sich fortsetzen und zwar in allen Bereichen. Wir kennen ja die ausreichend diskutierte Entwicklung Landwirtschaft->Industrie->Dienstleistung. Jetzt sind wir - nach meiner persönlichen Meinung - im nächsten Sektor "Wissen" angekommen. Leider ist der Sektor durch unsere neue Fähigkeit Informationen digital zu übertragen total mit Arbeitsangebot aus aller Welt geflutet. Ich kann mir einen guten Programmierer in Indonesien für $5/Stunde einstellen und einen Projektmanager in Pakistan für $10/Stunde, damit eine Software erstellen die ein paar Inder für $8/Stunde online vermarkten, etc. Gleichzeitig - oder auch deswegen - erleben wir eine enorme Konzentration von Kapital in wenigen Händen und es wird schwerer für die breite Masse in der westlichen Welt ansprechende Arbeit zu finden.
Das beschreibt sicher nur einen Teil des Problems. Man könnte noch über Bildung, Liberalisierung der Märkte, den Abbau von Sozialleistungen, wachsende Bürokratie, veraltete politische Systeme usw. sprechen. Aber mir geht es nur darum festzustellen: Nicht das Ende oder der Fortbestand der Arbeit ist das Problem, sondern die Existenzsicherung, bzw. das Aufrechterhalten des Lebensstandards und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Das Grundeinkommen kann genau das lösen.

Grüße,
Christian



On Sep 26, 2011, at 6:29 PM, Agnes Schubert wrote:

> Hallo,
> 
> "Die Arbeit geht aus?" 
> 
> Wohin denn? Da wünsche ich ihr viel Spaß - aber um Mitternacht sollte sie wieder da sein.
> 
> Werner Popken (nur hier beispielhaft für viele vergleichbare Autoren) schreibt:
> " Durch die zunehmende und unvermeidliche Rationalisierung und Automatisierung nämlich, nicht so sehr durch die Verlagerung der Arbeitsplätze in Billiglohnländer, geht den Menschen die Arbeit aus. Und diese Arbeit kommt nicht wieder, nirgendwo. ..."
> 
> Nun, in einzelnen Branchen wird immer mal die notwendige Arbeit weniger. Man schaue sich nur mal die Entwicklung des Grades der Beschäftigten in der Landwirtschaft an. Und inzwischen braucht es Leute, die Apps für Handys programmieren, ... 
> 
> Es ist doch gar nicht so, dass es da nichts mehr zu tun gäbe für die Menschen,  und sie deshalb streiten müssten, etwas von der "tollen Erlebniswelt Arbeit" abzubekommen. Neue spannende Beschäftigungen lassen sich immer finden, wenn man denn bereit und physisch fähig ist, denen nachzugehen.
> 
> Das Gerede von der ausgehenden Arbeit (mit entsprechender jeweiliger Begründung) ist doch  weder empirisch haltbar -   noch theoretisch nachvollziehbar!
> Das, was da temporär mal mehr mal weniger ist, ist  eher die renditetaugliche Benutzung von Arbeitern. Wenn man mittels Maschinen das Geschäft rationalisiert, dann braucht man weniger Arbeiter, wenn man neue geschäftsfelder Aufmacht, bracht man wieder welche.  Das insgesamt mal mehr und mal weniger Arbeiter beschäftigt werden, hängt von den zyklischen Krisen in der Marktwirtschaft ab. 
> 
> "Für die Frage des Gebrauchtwerdens hat der Autor ebenfalls keine richtige Antwort....
> Es geht nämlich wirklich gar nicht um mehr oder weniger Geld, sondern um das Selbstwertgefühl,um den Sinn des Lebens."
> Weil es an dem Widerspruch desjenigen liegt, der da gebracht werden will, gibt es jene verlangte "richtige Antwort" auch gar nicht. Jemandem ohne Gegenleistung dienen zu wollen, soll es ja ehrlich dann doch nicht sein. Sonst könnte man sich ja locker im Ehrenamt betätigen, ... oder gar wildfremden die Schuhe putzen. Eine Anerkennung - wenn nicht mit Geld - dann mit irgendeinem anderen "Leistungsgerechtem" Dank solle schon sein, ...
> 
> Was soll der Autor also da für Antworten finden? Oder stehen die Menschen tatsächlich auf der Straße und sagen: "Bitte bitte benutze mich! -Das ist mein ganzer Lebenssinn." ?
> 
> "Menschen sind soziale Wesen und leben nicht vom Brot allein."
> Na denn, braucht es doch keinen Mindestlohn und nur minimalen (Grund-)Einkommens, damit man dann seiner inneren Bestimmung des Dienens nachgehen und glücklich sein kann. - oder doch nicht?
> 
> 
> AgneS
> 
> 
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