[Debatte-Grundeinkommen] Die Bilanz ist wichtig /Re: Arbeit geht aus? Re: Kommentar zum Artikel/Re: Götz Werner

Werner Popken Werner at Stuerenburg.com
Di Sep 27 16:00:24 CEST 2011


Hallo Agnes!

> Nun, in einzelnen Branchen wird immer mal die notwendige Arbeit weniger.
> Man schaue sich nur mal die Entwicklung des Grades der Beschäftigten in 
> der Landwirtschaft an. Und inzwischen braucht es Leute, die Apps für 
> Handys programmieren, ...

Die Frage ist doch nicht, ob überhaupt neue Arbeitsplätze geschaffen
werden, sondern wie viele im Vergleich zu denen, die wegfallen. Was
bleibt unter dem Strich übrig?

Natürlich werden neue Arbeitsplätze geschaffen, das ist doch gar keine
Frage - aber wenn es zu wenige sind, haben wir ein Problem. Wie viele
Leute brauchen wir, um Apps zu programmieren, um bei Deinem Beispiel
zu bleiben, und für wie lange - und wie viele Arbeitsplätze fallen in
der gleichen Zeit in der Landwirtschaft weg, in der Industrie, im
Handel, im Gewerbe, bei den Dienstleistungen?

Nehmen wir zum Beispiel den Buchhandel. Wie viele Buchhandlungen gibt
es in Deutschland, wie viele Menschen beschäftigen die, und wie viele
Menschen beschäftigt Amazon?

Wie lange wird Amazon brauchen, bis der Laden völlig ohne Menschen
läuft, höchstens noch in der Reklamationsabteilung und in der
Unternehmensleitung? Da wollen doch alle hin, und dagegen kann man
sich auch gar nicht wehren, das ist die Konsequenz der menschlichen
Faulheit und Intelligenz.

Und welche Auswirkungen wird das auf den herkömmlichen Buchhandel
haben? Wir haben hier im Ort (13.000 Einwohner) eine Buchhandlung, die
davon lebt, dass die Schüler an der Gesamtschule (über 1000 Schüler)
mehrmals im Jahr Schulbücher kaufen müssen. Wann werden die das über
das Internet erledigen?

Ich habe da noch nie ein Buch gekauft, aber schon viele über das
Internet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, und die werden sich
über kurz oder lang bis in jeden Haushalt rumsprechen.

Dass der stationären Buchhandel keine Zukunft hat, hat man schon 1995
gesehen, als das Internet kommerziell wurde; gegen Ende des
Jahrtausends wurde die Bedrohung ernst genommen. Es ging allerdings
nicht so schnell wie befürchtet. Daher empfindet man diese Bedrohung
nicht mehr als so stark. Es ist wie mit der Bedrohung durch die
Atomtechnik. Man gewöhnt sich daran; außerdem kann man nichts machen,
man fühlt sich hilflos und verdrängt. Aber der Trend ist ganz klar und
die Zahlen sprechen für sich.

> Es ist doch gar nicht so, dass es da nichts mehr zu tun gäbe für die
> Menschen,  und sie /deshalb /streiten müssten, etwas von der "tollen 
> Erlebniswelt Arbeit" abzubekommen. Neue spannende Beschäftigungen lassen 
> sich immer finden, wenn man denn bereit und physisch fähig ist, denen 
> nachzugehen.

Was meinst Du damit, wenn Du formulierst: »bereit und physisch fähig«?
Das klingt für mich so, als wären die Arbeitslosen selber schuld, als
wollten die gar nicht arbeiten, als gäbe es überall genug zu tun, wenn
man nur wollte. Über diese Stufe der Diskussion sollten wir doch schon
lange hinweg sein, oder?

> Das, was da temporär mal mehr mal weniger ist, ist  eher die
> renditetaugliche Benutzung von Arbeitern. Wenn man mittels Maschinen das 
> Geschäft rationalisiert, dann braucht man weniger Arbeiter, wenn man 
> neue geschäftsfelder Aufmacht, bracht man wieder welche.  Das insgesamt 
> mal mehr und mal weniger Arbeiter beschäftigt werden, hängt von den 
> zyklischen Krisen in der Marktwirtschaft ab.

Eben nicht. Selbst der Milliardär Warren Buffett hat neulich in einem
Brandbrief in der New York Times seiner Regierung vorgerechnet, dass
die angeblichen Förderungsmaßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen
(Senkung der Unternehmenssteuern als Anreiz für Investitionen) nicht
gegriffen haben und in einem Zeitraum von 20 Jahren Millionen von
Arbeitsplätzen verloren gegangen sind, während in einem
Vergleichszeitraum mit hohen Steuern viele Arbeitsplätze geschaffen
wurden.

Ich habe den Artikel übersetzt:
http://bbm-ddp.tumblr.com/post/8952350075/kommentar-von-warren-buffet-in-der-ny-times-stop

Buffett sieht natürlich nicht, dass die Zeiten, in denen Arbeitsplätze
geschaffen wurden, lange zurückliegen, und die Automatisierung
inzwischen enorme Fortschritte gemacht hat. Dieser Mann versteht etwas
von Finanzwirtschaft und sonst hat er keinen Dunst. Insbesondere sieht
er nicht die Probleme, die sich durch die zunehmende Rationalisierung
ergeben.

> Na denn, braucht es doch keinen Mindestlohn und nur minimalen
> (Grund-)Einkommens, damit man dann seiner inneren Bestimmung des Dienens 
> nachgehen und glücklich sein kann. - oder doch nicht?

Ich fühle mich missverstanden; genau das Problem habe ich doch
angesprochen. Was soll ich da noch sagen? Vielleicht nochmal
nachlesen?

Mit freundlichen Grüßen
Werner Popken

-- 
________________________________________________________________

Dr.math. W. Popken · 32609 Hüllhorst · http://bbm-ddp.tumblr.com
Tel. +49-5744-511-574  ·  Fax. -575  ·  Mobil. +49-151-2327 3955

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Bandbreitenmodell eingeführt 
werden muß, und zwar global. http://www.bandbreitenmodell.de/vision

  




Agnes Schubert schrieb am Dienstag, 27. September 2011, 00:29:12:
> Hallo,

> "Die Arbeit geht aus?"

> Wohin denn? Da wünsche ich ihr viel Spaß - aber um Mitternacht sollte 
> sie wieder da sein.

> Werner Popken (nur hier beispielhaft für viele vergleichbare Autoren) 
> schreibt:
> " Durch die zunehmende und unvermeidliche Rationalisierung und 
> Automatisierung nämlich, nicht so sehr durch die Verlagerung der 
> Arbeitsplätze in Billiglohnländer, geht den Menschen die Arbeit aus. Und 
> diese Arbeit kommt nicht wieder, nirgendwo. ..."

> Nun, in einzelnen Branchen wird immer mal die notwendige Arbeit weniger. 
> Man schaue sich nur mal die Entwicklung des Grades der Beschäftigten in 
> der Landwirtschaft an. Und inzwischen braucht es Leute, die Apps für 
> Handys programmieren, ...

> Es ist doch gar nicht so, dass es da nichts mehr zu tun gäbe für die 
> Menschen,  und sie /deshalb /streiten müssten, etwas von der "tollen 
> Erlebniswelt Arbeit" abzubekommen. Neue spannende Beschäftigungen lassen 
> sich immer finden, wenn man denn bereit und physisch fähig ist, denen 
> nachzugehen.

> Das Gerede von der ausgehenden Arbeit (mit entsprechender jeweiliger 
> Begründung) ist doch  weder empirisch haltbar -   noch theoretisch 
> nachvollziehbar!
> Das, was da temporär mal mehr mal weniger ist, ist  eher die 
> renditetaugliche Benutzung von Arbeitern. Wenn man mittels Maschinen das 
> Geschäft rationalisiert, dann braucht man weniger Arbeiter, wenn man 
> neue geschäftsfelder Aufmacht, bracht man wieder welche.  Das insgesamt 
> mal mehr und mal weniger Arbeiter beschäftigt werden, hängt von den 
> zyklischen Krisen in der Marktwirtschaft ab.

> "Für die Frage des Gebrauchtwerdens hat der Autor ebenfalls keine 
> richtige Antwort....
> Es geht nämlich wirklich gar nicht um mehr oder weniger Geld, sondern um 
> das Selbstwertgefühl,um den Sinn des Lebens."
> Weil es an dem Widerspruch desjenigen liegt, der da gebracht werden 
> will, gibt es jene verlangte "richtige Antwort" auch gar nicht. Jemandem 
> *ohne Gegenleistung dienen *zu wollen, soll es ja ehrlich dann doch 
> nicht sein. Sonst könnte man sich ja locker im Ehrenamt betätigen, ... 
> oder gar wildfremden die Schuhe putzen. Eine Anerkennung - wenn nicht 
> mit Geld - dann mit irgendeinem anderen "/Leistungsgerechtem/" Dank 
> solle schon sein, ...

> Was soll der Autor also da für Antworten finden? Oder stehen die 
> Menschen tatsächlich auf der Straße und sagen: "Bitte bitte *benutze 
> mich*! -Das ist mein ganzer Lebenssinn." ?

> "Menschen sind soziale Wesen und leben nicht vom Brot allein."
> Na denn, braucht es doch keinen Mindestlohn und nur minimalen 
> (Grund-)Einkommens, damit man dann seiner inneren Bestimmung des Dienens 
> nachgehen und glücklich sein kann. - oder doch nicht?


> AgneS




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