[Debatte-Grundeinkommen] Mal eine grundsätzliche Frage

Konrad Schlichtherle kconny at gmx.de
So Okt 16 11:35:41 CEST 2011


Hallo willi, Hallo Liste,

Am 15.10.2011 22:13, schrieb willi übelherr:
> das BGE hat seine bedeutung in der zeit der geldgetriebenen oekonomie
> und macht auch nur dort sinn. wenn das geld nicht mehr bindeglied
> zwischen produktion und konsumption ist, verleirt es von selbst seine
> bedeutung.

Dieses Bindeglied bleibt es bei meiner Idee einer gerechteren Welt.

> auch hat das BGE heute eine befreiende wirkung, weil sie die
> zwanghaftigkeit reduziert, der wir in industriellen umgebungen
> ausgesetzt sind. wenn du dies negierst, dann frage ich mich, auf welcher
> philosophischen grundlage du "ein danach" skizzieren willst.

Wenn ich mir das BGE ansehe und dabei besonders auf jene Blicke, die es
finanzieren müssen, sehe ich die Arbeiter bis hinauf in den Mittelstand.
Die ganz oben, die ihre Einkommen arbeitslos durch - ich sage bewußt -
Geldanlagen durch Rendite und Zins erwirtschaften, bezahlen das nicht
oder wenn man sie das BGE mitbezahlen läßt, geht deren Geld in den
Streik, wird daher aus der Wirtschaft genommen und wandert sicher in
einen Tresor, da sich die Geldanlage dann ja nicht mehr rentiert.

> wenn du das geld als tauschmittel beibehalten willst, dann begruende
> dies, sonst entsteht der anschein, dass es deiner gewohnheitstraege
> entspricht und wenig mit rationalem denken zu tun hat.

Ohne ein universelles Tauschmittel wie es Geld eines ist - ich kenne das
aus dem Privaten zw. Mann und Frau - würde jeder seiner Arbeit einen
höheren Wert zuordnen als sie tatsächlich Wert hat. Gleichzeitig würde
auch der Naturaltausch nötig werden und das geht in einer Gesellschaft
wie wir sie  haben nicht. Das funktionierte ja schon nicht richtig, als
es noch Großfamilien und Stämme gab. Nicht grundlos wurde daher ein
Tauschmittel erfunden.

> und wenn du den begriff marktwirtschaft einbringst und sie auch noch
> propagierst, dann begruende dies und mache deutlich, was dies fuer dich
> ist. auch die eigenschaft "freie marktwirtschaft".

Eine Marktwirtschaft gibt es auch im Naturaltausch, auch wenn diese
nicht gerade zufriedenstellen funktioniert, da ich nicht gerade das zum
Tauschen besitze, was derjenige braucht, dessen Gut ich begehre. Daher
wäre ein universelles Tauschmittel durchaus sinnvoll, da es sonst wohl
zu Schuldscheinen kommen würde, da man ja eben nur selten das zum Tausch
hat, das der Geschäftspartner selbst begehrt. Und wenn wir dann bei
Schuldscheinen sind, haben wir gleich auch wieder einen Zins auf diese.

> wenn du ueber ein tauschmittel nachdenken willst, dann beschaeftige dich
> mit den grundlagen, auf denen eine oekonomie sich entfaltet. nur daraus
> ist die frage beantwortbar, unter welchen rahmenbedingungen und fuer
> welche gegebenheiten ein tauschmittel benoetigt wird.

Diese Gedanken mache ich mir schon Jahrelang und bin dabei auch auf
Silvio Gesell gestoßen. Über Silvion Gesell als Person kann man denken,
wie man will. Aber die Idee eines umlaufgesicherten Geldes mittels
Umlaufsicherungsgebühr, man könnte auch Geldhaltegebühr dazu sagen, ist
schon mal ein guter Ansatz, da er eben das Tauschmittel den Waren und
Dienstleistungen (zu den Dienstleistungen zähle ich auch die Arbeit
eines abhängig beschäftigten) gleichstellt - es quasi unter den gleichen
Angebotsdruck stellt wie die Waren und Dienstleistungen. Gleichzeitig
kann man so ein Geld wertstabil halten und wäre auch in einer Deflation
noch im Umlauf.

Dieses Tauschmittel sollte auch nicht an die Marktteilnehmer verliehen
werden und Zinspflichtig sein, sondern als Gutschein in Umlauf gebracht
werden. Damit das Tauschmittel Wertstabil bleibt (Geld ist zwangsläufig
 durch die Wirtschaftsleistung gedeckt und kommt bei einer zweiten
Deckung über beispielsweise Edelmetalle leicht in eine Schieflage), kann
man bei nachlassender Wirtschaftsleistung über die
Umlaufsicherungsgebühr eine entsprechende Menge des Tauschmittels aus
dem Markt ziehen oder bei steigender Wirtschaftsleistung über den
Staatshaushalt zusätzliches Tauschmittel in den Markt pumpen. Die
Umlaufsicherungsgebühr selbst kann auch dem Staatshaushalt zugeführt werden.

Gleichzeitig bin ich, wie auch Silvio Gesell, der Meinung, daß Grund und
Boden nichts in privater Hand zu suchen hat, da es einen neu geborenen
Menschen, der von seinen Eltern kein Land vererbt bekommen kann, schon
von Geburt an, in die Schuld nimmt.

Abweichend zu Silvio Gesell würde ich anstelle einer staatlichen
Behörde, die das Geldwesen steuert, eine weitere Macht installieren, die
unabhängig ist, damit das Geld nicht für andere Dinge missbraucht werden
kann, die nicht im Interesse der Marktteilnehmer sind.

Damit man mich besser versteht, wäre es von Vorteil, "Die Natürliche
Wirtschaftsordnung" von Silvio Gesell auch verstanden zu haben:
http://userpage.fu-berlin.de/roehrigw/gesell/nwo/

Das Problem, das sich aus so einer Wirtschaftsordnung dann allerdings in
unserer heutigen Zeit ergibt, wäre ein hemmungsloses prosperieren
unserer Wirtschaft und daher muß man hier dagegen steuern. Genau an
dieser Stelle kommt dann das bedingungslose Grundeinkommen zum Zug, über
das man die Wirtschaftsleistung auf einem gleichmäßigen und der Umwelt
zuträglichen Niveau halten könnte.

Durch mein Tauschmittel braucht es eben auch kein zwanghaftes
Wirtschaftswachstum mehr.

> geldscheine und geldmuenzen und virtuelle geldbetraege ruhen auf
> entstehungsprozessen. der traeger dieser objekte setzt auf die
> anerkennung der schulderklaerung durch den geber eines gegenwerts.
> dahibnter verbergen sich wertzuordnungen und dies muessen dir klar sein,
> wenn du geld als tauschmittel, wohl auch generelles, propagierst.

Es kommt auf die Geldkonstruktion an. Alles Geld, das heute im Umlauf
ist, befindet sich dort nur, weil es sich jemand geliehen hat und dafür
Zins bezahlt. Entschulden sich die Menschen und Staaten in einem
Wirtschaftsbereich mit einer Währung, verschwindet das Geld.

Und: Ich muß nicht im einzelnen wissen, wie unser heutiges Geld
funktioniert, um ein Tauschmittel zu konstruieren, das allen Menschen
eines Wirtschaftsbereichs dient und nicht nur einer kleinen Minderheit,
die darüber arbeitsloses Einkommen generiert, das andere für sie
erwirtschaften müssen.

mfg Konrad

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