[Debatte-Grundeinkommen] Band 50, Eintrag 7 Nachricht 1 von Sven

Gerrit P. Haase gerrit.haase at gmail.com
So Mai 8 15:15:27 CEST 2011


Hallo Johannes,

ich denke, Grundbesitz zu besteuern bringt nicht die gewünschten Effekte.
Die dem Problem zugrundeliegende Idee ist wohl, Grundbesitz abzuschaffen,
und lediglich eine Nutzung gegen (Erb-)Pacht zuzulassen. Wenn dem so ist,
dann sollte man es gleich richtig machen und eben Grundbesitz ganz
abschaffen.


MfG,

Gerrit


2011/5/7 Johannes Ponader <johannesponader at googlemail.com>

> Hallo Sven & Gregor,
>
> ohne Partei für eine der Positionen zu ergreifen, will ich auf logische
> Fehler in der Diskussion aufmerksam machen:
>
> >
> >>> Für einen Finanzierungsansatz eines Grundeinkommens gibt es aus meiner
> >>> Sicht 3 Möglichkeiten.
> >>> 1. es wird der Verbrauch/Konsum besteuert
> >>> 2. es wird das/die Einkommen/Einnahmen besteuert
> >>> 3. es wird das Vermögen besteuert
>
> Es fehlen m. E. wichtige Untergruppen:
>
> 3a. Es wird Liquidität besteuert
> 3b. Es wird Grundbesitz besteuert
> (3a + 3b: Freiwirtschaft)
>
> 1a. Es wird Ressourcenverbrauch versteuert
>
> Diese Untergruppen führen zu völlig anderen Effekten als eine globale
> Besteuerung von "Konsum" oder "Vermögen".
>
> >>
> > Die Einkommen schwanken heute zwischen ca. 10000 € für Hartz IV
> Empfänger und zweistelligen Millionengehältern für Manager, Sportler und
> Vermögende. Auch nach einem BGE erwarte ich noch ähnliche Unterschiede.
> Sicherlich geben Einkommensmillionäre mehr Geld für höherwertigen Konsum
> aus, aber haben beim 1000-fachen Einkommen nicht den 1000-fachen Konsum. Das
> ist aber nicht der entscheidende Wert. Ein Hartz IV Empfänger wird 90-100%
> in den Konsum investieren, was auf Gehaltsmillionäre nicht annähernd
> zutrifft - ich gehen von einer Konsumquote von 40% aus. D.h. der
> Gehaltsmillionär kann sein Vermögen jedes Jahr um 60% seines Einkommens
> erhöhen, der Hartz IV Empfänger so gut wie gar nicht. Und solange es in
> unserer Welt noch persönlichen Besitz gibt, bedeutet mehr Vermögen auch mehr
> Macht.
>
> Berechnung:
>
> "Hartz IV-Empfänger": bekommt 10.000 Euro, konsumiert dafür, davon bspw.
> die Hälfte Konsumsteuer, bedeutet: er bekommt 10.000 Euro, bezahlt 5.000
> Euro, Ergebnis: bekommt 5.000 Euro vom Staat. Steuerquote Minus unendlich.
>
> "Mittelverdiener": Einkommen 30.000 Euro, Grundeinkommen 10.000 Euro.
> Konsum 30.000 Euro (10.000 Sparen).
> Ergebnis: zahlt 5.000 Euro an Staat, Steuerquote 17%
>
> "Großverdiener": Einkommen 60.000 Euro, Grundeinkommen 10.000 Euro.
> Konsum 50.000 Euro (20.000 Sparen).
> Ergebnis: zahlt 15.000 Euro an Staat, Steuerquote 25%
>
> "Millionär": Einkommen 20 Mio., Konsum 8 Mio. Grundeinkommen 10.000 Euro.
> Ergebnis: zahlt knapp 4 Mio. an Staat, Steuerquote 20%
>
> Soll zeigen: Der Ungerechtigkeits-Knick ist nicht zwischen dem armen
> Geringverdiener (der seine Steuer voll im BGE rückvergütet bekommt) und dem
> Millionär, sondern zwischen Gutverdienenden und Millionären.
>
> Abgesehen davon, dass 100% Konsumsteuer nicht reichen, um BGE und weitere
> Staatsausgaben zu finanzieren, würden hier also, wenn die Annahmen stimmen,
> die Gutverdiener auf der Seite des "Proletariats" gegen ein solches Modell
> kämpfen.
>
> Ich sage: Ein Konsumsteuermodell bekämpft Steuerflucht durch Millionäre
> genausowenig wie ein Einkommenssteuermodell. Ich kann in BEIDEN Modellen als
> Gutverdiener die Steuer umgehen.
>
> Das Konsumsteuermodell ist aber transparenter und macht daher die mögliche
> Steuerflucht offensichtlich. Die Möglichkeit gibt es aber im
> Einkommenssteuermodell genauso, man sieht sie nur viel schlechter.
>
> Zu sagen: Das Konsumsteuer begünstigt Steuerflucht, ist ungefähr so, wie
> wenn man an einem dunklen Ort, wo jahrelang ein Verbrechen passiert, eine
> helle Lampe aufstellt, und dann, weil man das Verbrechen plötzlich sieht,
> sagt: Die Lampe erzeugt ein Verbrechen.
>
> Steuerflucht in Investitonen kann man weder mit Einkommenssteuer noch mit
> Konsumsteuer bekämpfen, sondern mit  Substanzsteuern (Vermögenssteuern).
>
> Hier kommt allerdings ein berechtigter Einwand:
>
> >
> >>
> >> Die meisten Vermögenswerte dienen letztlich der Gesellschaft:
> >> - Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen stellen den Firmen das
> >> notwendige Kapital für deren Wirtschaftliche Tätigkeit zur Verfügung.
> >> - Geldanlagen werden von Banken normalerweise als Darlehen in mehrfacher
> Höhe
> >> des Anlagevolumens an Unternehmen oder Privatpersonen weitergereicht,
> wodurch
> >> sie wieder in Konsum oder Investition umgesetzt werden.
> >> - Bodenwerte werden - normalerweise - zu landwirtschaftlichen oder
> anderen
> >> Firmenzwecken und für Wohnungsbetrieb genutzt. Lediglich brach liegende
> >> Flächen sind der gesellschaftlichen Nutzung entzogen, wenn sie nicht
> z.B. von
> >> Kindern - auch ohne Erlaubnis - zum Spielen genutzt werden.
>
> Besteuere ich nicht Vermögen an sich, sondern nur Grundbesitz und liquides
> Vermögen, dann schöpfe ich die Kapitalrendite ab, ermögliche und fördere
> aber weiterhin die Vergabe von Krediten. Diese Besteuerung erfüllt zudem
> sogar den Zweck, dass sie brachliegendes Kapital (brachliegenden Boden,
> liquides Vermögen) in den Kapitalmarkt drängt - eine Funktion, die bisher
> der Zins erfüllt. Dadurch kann der Zins auf Null sinken, d. h. Kredite
> werden zinslos gehandelt.
>
> Weil in Waren und Dienstleistungen allerdings ca. 30% Zinsen eingepreist
> sind, können nun die Preise für den Konsum um 30% sinken, d. h.:
>
> Das BGE muss nur noch 600 statt 900 Euro betragen und ist damit sehr viel
> leichter finanzierbar. Der Vorteil durch den Wegfall von Zinsen in den
> Konsumpreisen kommt bei denen prozentual am stärksten an, die den größten
> Teil ihres Einkommens verkonsumieren.
>
> Dann ist es mir, ehrlich gesagt, egal, durch welche Steuer der Rest des BGE
> finanziert wird, wenngleich mir dann die Konsumsteuer aufgrund der höheren
> Transparenz schlüssiger erscheint.
>
> Soweit
>
> Johannes
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