[Debatte-Grundeinkommen] Band 50, Eintrag 7 Nachricht 1 von Sven

Johannes Ponader johannesponader at googlemail.com
Sa Mai 7 16:43:21 CEST 2011


Hallo Sven & Gregor,

ohne Partei für eine der Positionen zu ergreifen, will ich auf logische Fehler in der Diskussion aufmerksam machen:

> 
>>> Für einen Finanzierungsansatz eines Grundeinkommens gibt es aus meiner
>>> Sicht 3 Möglichkeiten.
>>> 1. es wird der Verbrauch/Konsum besteuert
>>> 2. es wird das/die Einkommen/Einnahmen besteuert
>>> 3. es wird das Vermögen besteuert

Es fehlen m. E. wichtige Untergruppen:

3a. Es wird Liquidität besteuert 
3b. Es wird Grundbesitz besteuert
(3a + 3b: Freiwirtschaft)

1a. Es wird Ressourcenverbrauch versteuert

Diese Untergruppen führen zu völlig anderen Effekten als eine globale Besteuerung von "Konsum" oder "Vermögen".

>> 
> Die Einkommen schwanken heute zwischen ca. 10000 € für Hartz IV Empfänger und zweistelligen Millionengehältern für Manager, Sportler und Vermögende. Auch nach einem BGE erwarte ich noch ähnliche Unterschiede. Sicherlich geben Einkommensmillionäre mehr Geld für höherwertigen Konsum aus, aber haben beim 1000-fachen Einkommen nicht den 1000-fachen Konsum. Das ist aber nicht der entscheidende Wert. Ein Hartz IV Empfänger wird 90-100% in den Konsum investieren, was auf Gehaltsmillionäre nicht annähernd zutrifft - ich gehen von einer Konsumquote von 40% aus. D.h. der Gehaltsmillionär kann sein Vermögen jedes Jahr um 60% seines Einkommens erhöhen, der Hartz IV Empfänger so gut wie gar nicht. Und solange es in unserer Welt noch persönlichen Besitz gibt, bedeutet mehr Vermögen auch mehr Macht.

Berechnung:

"Hartz IV-Empfänger": bekommt 10.000 Euro, konsumiert dafür, davon bspw. die Hälfte Konsumsteuer, bedeutet: er bekommt 10.000 Euro, bezahlt 5.000 Euro, Ergebnis: bekommt 5.000 Euro vom Staat. Steuerquote Minus unendlich.

"Mittelverdiener": Einkommen 30.000 Euro, Grundeinkommen 10.000 Euro. Konsum 30.000 Euro (10.000 Sparen).
Ergebnis: zahlt 5.000 Euro an Staat, Steuerquote 17%

"Großverdiener": Einkommen 60.000 Euro, Grundeinkommen 10.000 Euro.
Konsum 50.000 Euro (20.000 Sparen).
Ergebnis: zahlt 15.000 Euro an Staat, Steuerquote 25%

"Millionär": Einkommen 20 Mio., Konsum 8 Mio. Grundeinkommen 10.000 Euro.
Ergebnis: zahlt knapp 4 Mio. an Staat, Steuerquote 20%

Soll zeigen: Der Ungerechtigkeits-Knick ist nicht zwischen dem armen Geringverdiener (der seine Steuer voll im BGE rückvergütet bekommt) und dem Millionär, sondern zwischen Gutverdienenden und Millionären.

Abgesehen davon, dass 100% Konsumsteuer nicht reichen, um BGE und weitere Staatsausgaben zu finanzieren, würden hier also, wenn die Annahmen stimmen, die Gutverdiener auf der Seite des "Proletariats" gegen ein solches Modell kämpfen.

Ich sage: Ein Konsumsteuermodell bekämpft Steuerflucht durch Millionäre genausowenig wie ein Einkommenssteuermodell. Ich kann in BEIDEN Modellen als Gutverdiener die Steuer umgehen.

Das Konsumsteuermodell ist aber transparenter und macht daher die mögliche Steuerflucht offensichtlich. Die Möglichkeit gibt es aber im Einkommenssteuermodell genauso, man sieht sie nur viel schlechter.

Zu sagen: Das Konsumsteuer begünstigt Steuerflucht, ist ungefähr so, wie wenn man an einem dunklen Ort, wo jahrelang ein Verbrechen passiert, eine helle Lampe aufstellt, und dann, weil man das Verbrechen plötzlich sieht, sagt: Die Lampe erzeugt ein Verbrechen.

Steuerflucht in Investitonen kann man weder mit Einkommenssteuer noch mit Konsumsteuer bekämpfen, sondern mit  Substanzsteuern (Vermögenssteuern).

Hier kommt allerdings ein berechtigter Einwand:

> 
>> 
>> Die meisten Vermögenswerte dienen letztlich der Gesellschaft:
>> - Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen stellen den Firmen das
>> notwendige Kapital für deren Wirtschaftliche Tätigkeit zur Verfügung.
>> - Geldanlagen werden von Banken normalerweise als Darlehen in mehrfacher Höhe
>> des Anlagevolumens an Unternehmen oder Privatpersonen weitergereicht, wodurch
>> sie wieder in Konsum oder Investition umgesetzt werden.
>> - Bodenwerte werden - normalerweise - zu landwirtschaftlichen oder anderen
>> Firmenzwecken und für Wohnungsbetrieb genutzt. Lediglich brach liegende
>> Flächen sind der gesellschaftlichen Nutzung entzogen, wenn sie nicht z.B. von
>> Kindern - auch ohne Erlaubnis - zum Spielen genutzt werden.

Besteuere ich nicht Vermögen an sich, sondern nur Grundbesitz und liquides Vermögen, dann schöpfe ich die Kapitalrendite ab, ermögliche und fördere aber weiterhin die Vergabe von Krediten. Diese Besteuerung erfüllt zudem sogar den Zweck, dass sie brachliegendes Kapital (brachliegenden Boden, liquides Vermögen) in den Kapitalmarkt drängt - eine Funktion, die bisher der Zins erfüllt. Dadurch kann der Zins auf Null sinken, d. h. Kredite werden zinslos gehandelt.

Weil in Waren und Dienstleistungen allerdings ca. 30% Zinsen eingepreist sind, können nun die Preise für den Konsum um 30% sinken, d. h.:

Das BGE muss nur noch 600 statt 900 Euro betragen und ist damit sehr viel leichter finanzierbar. Der Vorteil durch den Wegfall von Zinsen in den Konsumpreisen kommt bei denen prozentual am stärksten an, die den größten Teil ihres Einkommens verkonsumieren.

Dann ist es mir, ehrlich gesagt, egal, durch welche Steuer der Rest des BGE finanziert wird, wenngleich mir dann die Konsumsteuer aufgrund der höheren Transparenz schlüssiger erscheint.

Soweit

Johannes



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