[Debatte-Grundeinkommen] Band 50, Eintrag 7 Nachricht 1 von Sven

Sven sven.bge at arcor.de
Sa Mai 7 10:14:03 CEST 2011


Moin,

ich möchte noch einmal näher darauf eingehen, warum ein Konsumsteuer  
finanziertes BGE zu noch mehr Ungerechtigkeit führt. Es geht dabei  
nicht um Neid, im Gegenteil bin ich der Meinung, dass sich Leistung  
lohnen soll und wer mehr leistet auch mehr dafür bekommen soll. Nur  
Einkommen aus Vermögen, welches somit nicht auf Arbeit bzw. eigener  
Leistung beruht, stehe ich skeptisch gegenüber und möchte dies  
einschränken.

>> Für einen Finanzierungsansatz eines Grundeinkommens gibt es aus  
>> meiner
>> Sicht 3 Möglichkeiten.
>> 1. es wird der Verbrauch/Konsum besteuert
>> 2. es wird das/die Einkommen/Einnahmen besteuert
>> 3. es wird das Vermögen besteuert
>
> gut erkannt :)
>
>> Die 1. Möglichkeit als alleinige Finanzierungsquelle halte ich
>> aufgrund der ungerechten Einkommensverteilung für falsch, weil sie  
>> die
>> Ungerechtigkeiten weiter manifestiert.
>
> Die von mir angeführte Steuergerechtigkeit bei weitgehender  
> Schöpfung des
> Steueraufkommens aus _unterschiedlich_hohen_ Konsumsteuersätzen  
> ergibt sich
> aus
>
> 1) der Tatsache, dass Menschen mit hohem Einkommen natürlich auch mehr
> konsumieren (z.B. Geringverdiener mit monatlich ~1000 EUR netto ->  
> Konsum ~900
> bis 1000 EUR; Hochverdiener mit monatlich ~10000 EUR netto -> Konsum  
> ~6000 bis
> 7000 EUR)

Die Einkommen schwanken heute zwischen ca. 10000 € für Hartz IV  
Empfänger und zweistelligen Millionengehältern für Manager, Sportler  
und Vermögende. Auch nach einem BGE erwarte ich noch ähnliche  
Unterschiede. Sicherlich geben Einkommensmillionäre mehr Geld für  
höherwertigen Konsum aus, aber haben beim 1000-fachen Einkommen nicht  
den 1000-fachen Konsum. Das ist aber nicht der entscheidende Wert. Ein  
Hartz IV Empfänger wird 90-100% in den Konsum investieren, was auf  
Gehaltsmillionäre nicht annähernd zutrifft - ich gehen von einer  
Konsumquote von 40% aus. D.h. der Gehaltsmillionär kann sein Vermögen  
jedes Jahr um 60% seines Einkommens erhöhen, der Hartz IV Empfänger so  
gut wie gar nicht. Und solange es in unserer Welt noch persönlichen  
Besitz gibt, bedeutet mehr Vermögen auch mehr Macht.

> 2) dem Umstand, dass Menschen mit hohem Einkommen auch _anders_  
> konsumieren
> (Geringverdiener: preiswerte Produkte zur einfachen Lebensführung,  
> hoher
> Anteil an Grundnahrungsmitteln; Hochverdiener: höherpreisige  
> Produkte, viel
> mehr Ernährung außer Haus, kurzlebigere Nutzung von Gebrauchsgütern  
> wie
> Textilien und Technik)

Für Vermögender und Gutverdiener gibt es keinen Zwang zum Konsum,  
damit ist das Aufkommen aus einer Konsumsteuer nicht stabil. Gehälter  
und Einkommen aus einer Vermögenssteuer sind da wesentlich stabiler  
und berechenbarer.

> 3) dem zusätzlichen Umstand, dass natürlich die Produkte zur einfachen
> Lebensführung geringeren Konsumsteuersätzen unterliegen werden als  
> Luxusgüter
> Es sind im Prinzip beliebig viele Konsumsteuersätze denkbar,  
> praktisch werden
> sich vielleicht vier oder fünf etablieren.

Gerade was den Konsum von Luxusprodukten angeht wird es zu negativen  
Effekten durch Steuerflucht kommen, da in einer globalisierten Welt es  
genügend Alternativen gibt, sein Geld woanders auszugeben. Das trifft  
gerade auf die Vermögenden und Gutverdiener zu und führt dazu, dass  
gerade die nicht gut verdienenden die größte Last tragen.

Unterschiedliche Steuersätze führen zu horrenden Preisen für  
Luxusprodukte, so dass sich viele Geringverdiener diese alleine wegen  
der Steuer nicht leisten können. Auch ist die Abgrenzung dann  
schwierig und führt zu Ungerechtigkeiten und Diskussionen, welche  
Produkte Luxus und welchen keinen Luxus darstellen. 2 verschiedene  
Steuersätze, Grundversorgung und der Rest, halte ich für ausreichend

> Aus den drei Punkten ergibt sich, dass mit steigendem Einkommen
> überproportional viel Konsumsteuer gezahlt wird, die _auch_zur  
> Umverteilung in
> das bGE genutzt wird.

Daraus ergibt sich, dass gerade mit steigendem Einkommen die  
prozentuale Belastung durch die Konsumsteuer sinkt und nur die  
absolute Belastung ansteigt - aber keinesfalls überproportional.

> Zudem ist es mein Konsum, durch den ich die Gesellschaft und das was  
> andere
> erarbeitet haben in Anspruch nehme. Ich halt es nur für sinnvoll und  
> gerecht,
> wenn an _dieser_ Stelle das Gros des Steueraufkommens geschöpft wird.

Aha, wie kommst du darauf?
Am meisten nimmt ein Mensch die Gesellschaft in Anspruch, indem er die  
Infrastruktur,
die öffentliche Sicherheit und seine persönliche Freiheit nutzt.
Das sind die größten Kosten einer Gesellschaft.

>> Die 2. Möglichkeit führt zu Steuerflucht und untergräbt das
>> Leistungsprinzip, welches eine der groߟen Antriebsfedern für
>> Fortschritte ist und reicht deshalb nicht als alleinige
>> Finanzierungsquelle.
>
> Aus meiner Sicht ein noch wichtigeres Argument gegen Besteuerung der
> Arbeitseinkommen: Mit meiner Arbeit bringe ich mich in die  
> Gesellschaft ein,
> stelle ich der Gesellschaft Dienstleistung und Produktivität zur  
> Verfügung.
> Warum soll ich dafür bestraft werden?

Wenn das Arbeitseinkommen in einem vernünftigen Verhältnis zur  
erbrachten
Leistung stünde hättest du Recht. Aber in Zeiten in denen Menschen 10  
Mio.
und mehr € pro Jahr verdienen, obwohl Sie auch nur maximal 80  
Stunden die
Woche arbeiten, steht dem keine äquivalente Leistung gegenüber. Es  
soll nur den
Anreiz einer kurzfristigen Gewinnmaximierung erhöhen.

>> Das größte Potential als Finanzierungsquelle für ein Grundeinkommen
>> sehe ich bei der Besteuerung des Vermögens, weil es den Menschen
>> weniger weh tut und Vermögen schon alleine durch seine Existenz
>> Einnahmen erwirtschaftet. Zudem lässt sich Vermögen nicht komplett
>> ausser Landes schaffen bzw. leicht einer Person zuordnen. Beispiel
>> Bodenwerte und Aktien, Geldanlagen. Dabei sollte alles Vermögen einer
>> Person, egal ob in D oder im Ausland vorhanden, besteuert werden.
>> Alleine wird das vielleicht, neben den Einsparungen, nicht zur
>> Finanzierung reichen, aber es kann einen sehr groߟen Anteil  
>> einnehmen.
>
> Die meisten Vermögenswerte dienen letztlich der Gesellschaft:
> - Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen stellen den Firmen das
> notwendige Kapital für deren Wirtschaftliche Tätigkeit zur Verfügung.
> - Geldanlagen werden von Banken normalerweise als Darlehen in  
> mehrfacher Höhe
> des Anlagevolumens an Unternehmen oder Privatpersonen  
> weitergereicht, wodurch
> sie wieder in Konsum oder Investition umgesetzt werden.
> - Bodenwerte werden - normalerweise - zu landwirtschaftlichen oder  
> anderen
> Firmenzwecken und für Wohnungsbetrieb genutzt. Lediglich brach  
> liegende
> Flächen sind der gesellschaftlichen Nutzung entzogen, wenn sie nicht  
> z.B. von
> Kindern - auch ohne Erlaubnis - zum Spielen genutzt werden.

Private Vermögen dienten noch fast nie der Gesellschaft. Aktionäre,  
Geldanleger und
Grundbesitzer wollen höchste Renditen erzielen, keiner verschenkt sein  
Eigentum -
von Erbschaft einmal abgesehen.

> Vermögen als solches ist also - zumindest aus meiner Sicht - nicht  
> pauschal zu
> verurteilen. ßœber die Höhe einer Versteuerung von Einkommen aus  
> Vermögen kann
> natürlich diskutiert werden.

Das ist zwingend nötig und sollte so hoch sein, dass Einkommen aus  
Vermögen
unrentabler gegenüber einer Nutzung wäre - Renditen unterhalb der  
Inflation.

> Ich weiߟ, dass sich das nach Zitaten von Götz Werner anhört. Stimmt  
> ja auch.
> Aber ich stehe voll hinter diesen Argumenten weil sie zu einer  
> einfachen,
> effektiven und - meiner Meinung nach - gerechten Lösung oder  
> Milderung von
> wirklich vielen gesellschaftlichen Problemen führen können.

Die Lösung erinnert mich an Rom - Brot und Spiele, damit die Mächtigen
raffen und raffen können.

> Danke an alle Beteiligten für diese sehr offene Diskussion, die mir  
> immer
> wieder zu mehr Klarheit verhilft.
>
>
> Gregor Bednarek
>
> Hardtstraߟe 94
> 42107 Wuppertal
>
> FON 0202/8977257
> alles-ist-gut at gmx.de

Gruߟ Sven.




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