[Debatte-Grundeinkommen] Band 50, Eintrag 7 Nachricht 1 von Sven

Gerrit P. Haase gerrit.haase at gmail.com
So Mai 8 00:57:45 CEST 2011


Hallo Sven,

Quellensteuer gibt es ja schon, da kann auch mehr abgeschöpft werden,
Konsumsteuer gibt es auch schon, kann ggf. auch erhöht werden.
Einkommensteuer ist ein Auslaufmodell, denke ich. Aber darum geht es doch
beim BGE gar nicht? Der Staat braucht nicht mehr Geld!

Wie auch immer, noch einige Kommentare zu deiner Kritik: Leute die richtig
viel verdienen hauen ab aus Deutschland, mir fällt auf anhieb Michael
Schuhmacher ein, der lebt seit Jahren in der Schweiz, da sind die Steuern
niedriger. Und da gibt es noch viele andere wie den, und noch viele andere
Steuerparadiese. Also ich denke, je mehr die Superreichen und Superverdiener
geschröpft werden, um so weniger wird es davon in Deutschland geben.

Ich halte auch von diesem Linken Märchen nicht viel, dass die Reichen zu
wenig Steuern zahlen, es wird nicht gelingen, denen die viel haben noch mehr
abzuknöpfen. Also bzgl. Ungerechtigkeit, irgendwo hast du auch geschrieben,
dass Leute die viel haben absolut mehr zahlen als Normalos, das ist heute
so, und das wird immer so bleiben, und wenn du denen noch mehr wegnehmen
willst, dann heißt es auch gleich wieder, dass ist ungerecht. Also, wer hat
Recht? Warum sollen die, die sowieso schon mehr als andere bezahlen, noch
mehr zahlen? Und wofür eigentlich? Siehe oben, für ein BGE braucht der Staat
nicht mehr Geld als schon da ist.

Also worum geht es eigentlich? BGE ist das Thema, und soweit ich das bisher
studiert habe, ist nicht die Frage ob oder wie es finanziert werden kann, es
gibt schon genug Geld, sondern es geht darum, jedem bedingungslos soviel zu
geben, dass er Leben kann, also eine Erweiterung des bestehenden Systems,
Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung, und Pauschalen auszahlen, an jeden
der es beansprucht, oder gleich an alle. Und jeder kann dazuverdienen, ohne
dass irgendwelche Leistungen gekürzt werden müssen.

Es gibt kluge Leute, die das alles schon durchgerechnet haben.

Scheinbar ist alles nur ein Missverständnis...

Häni in der Schweiz sagt, man müsste die Steuer erhöhen, die MwSt meint er,
weil er meint, dass der Staat mehr Geld braucht für ein BGE, wenn dem so
ist, dann kann man ja die Quellensteuer UND MwSt ein paar Punkte zusätzlich
anheben, das ist das einzige das ich als gerecht empfinde, die einen und die
anderen zahlen lassen, diese ewige Diskussion um Gerechtigkeit... ist wohl
entstanden, weil manche sagen, theoretisch könnte man alle Steuern
abschaffen und durch eine 100% Konsumsteuer ersetzen...

Mein Meinung speziell dazu: das mit den 100% Konsumstuer ist nur ein MODELL
zur Veranschaulichung, um zu zeigen, wie sich die Produktpreise
zusammensetzen, und um klarzumachen, dass sowieso schon genug Geld da ist.
Wer das nicht sieht, und nicht weiterdenken kann, ja da weiß ich auch nicht
weiter...


Gute Nacht und alles Gute,

Gerrit


2011/5/7 Sven <sven.bge at arcor.de>

> Moin,
>
> ich möchte noch einmal näher darauf eingehen, warum ein Konsumsteuer
> finanziertes BGE zu noch mehr Ungerechtigkeit führt. Es geht dabei nicht um
> Neid, im Gegenteil bin ich der Meinung, dass sich Leistung lohnen soll und
> wer mehr leistet auch mehr dafür bekommen soll. Nur Einkommen aus Vermögen,
> welches somit nicht auf Arbeit bzw. eigener Leistung beruht, stehe ich
> skeptisch gegenüber und möchte dies einschränken.
>
>  Für einen Finanzierungsansatz eines Grundeinkommens gibt es aus meiner
>>> Sicht 3 Möglichkeiten.
>>> 1. es wird der Verbrauch/Konsum besteuert
>>> 2. es wird das/die Einkommen/Einnahmen besteuert
>>> 3. es wird das Vermögen besteuert
>>>
>>
>> gut erkannt :)
>>
>>  Die 1. Möglichkeit als alleinige Finanzierungsquelle halte ich
>>> aufgrund der ungerechten Einkommensverteilung für falsch, weil sie die
>>> Ungerechtigkeiten weiter manifestiert.
>>>
>>
>> Die von mir angeführte Steuergerechtigkeit bei weitgehender Schöpfung des
>> Steueraufkommens aus _unterschiedlich_hohen_ Konsumsteuersätzen ergibt
>> sich
>> aus
>>
>> 1) der Tatsache, dass Menschen mit hohem Einkommen natürlich auch mehr
>> konsumieren (z.B. Geringverdiener mit monatlich ~1000 EUR netto -> Konsum
>> ~900
>> bis 1000 EUR; Hochverdiener mit monatlich ~10000 EUR netto -> Konsum ~6000
>> bis
>> 7000 EUR)
>>
>
> Die Einkommen schwanken heute zwischen ca. 10000 € für Hartz IV Empfänger
> und zweistelligen Millionengehältern für Manager, Sportler und Vermögende.
> Auch nach einem BGE erwarte ich noch ähnliche Unterschiede. Sicherlich geben
> Einkommensmillionäre mehr Geld für höherwertigen Konsum aus, aber haben beim
> 1000-fachen Einkommen nicht den 1000-fachen Konsum. Das ist aber nicht der
> entscheidende Wert. Ein Hartz IV Empfänger wird 90-100% in den Konsum
> investieren, was auf Gehaltsmillionäre nicht annähernd zutrifft - ich gehen
> von einer Konsumquote von 40% aus. D.h. der Gehaltsmillionär kann sein
> Vermögen jedes Jahr um 60% seines Einkommens erhöhen, der Hartz IV Empfänger
> so gut wie gar nicht. Und solange es in unserer Welt noch persönlichen
> Besitz gibt, bedeutet mehr Vermögen auch mehr Macht.
>
>  2) dem Umstand, dass Menschen mit hohem Einkommen auch _anders_
>> konsumieren
>> (Geringverdiener: preiswerte Produkte zur einfachen Lebensführung, hoher
>> Anteil an Grundnahrungsmitteln; Hochverdiener: höherpreisige Produkte,
>> viel
>> mehr Ernährung außer Haus, kurzlebigere Nutzung von Gebrauchsgütern wie
>> Textilien und Technik)
>>
>
> Für Vermögender und Gutverdiener gibt es keinen Zwang zum Konsum, damit ist
> das Aufkommen aus einer Konsumsteuer nicht stabil. Gehälter und Einkommen
> aus einer Vermögenssteuer sind da wesentlich stabiler und berechenbarer.
>
>  3) dem zusätzlichen Umstand, dass natürlich die Produkte zur einfachen
>> Lebensführung geringeren Konsumsteuersätzen unterliegen werden als
>> Luxusgüter
>> Es sind im Prinzip beliebig viele Konsumsteuersätze denkbar, praktisch
>> werden
>> sich vielleicht vier oder fünf etablieren.
>>
>
> Gerade was den Konsum von Luxusprodukten angeht wird es zu negativen
> Effekten durch Steuerflucht kommen, da in einer globalisierten Welt es
> genügend Alternativen gibt, sein Geld woanders auszugeben. Das trifft gerade
> auf die Vermögenden und Gutverdiener zu und führt dazu, dass gerade die
> nicht gut verdienenden die größte Last tragen.
>
> Unterschiedliche Steuersätze führen zu horrenden Preisen für Luxusprodukte,
> so dass sich viele Geringverdiener diese alleine wegen der Steuer nicht
> leisten können. Auch ist die Abgrenzung dann schwierig und führt zu
> Ungerechtigkeiten und Diskussionen, welche Produkte Luxus und welchen keinen
> Luxus darstellen. 2 verschiedene Steuersätze, Grundversorgung und der Rest,
> halte ich für ausreichend
>
>  Aus den drei Punkten ergibt sich, dass mit steigendem Einkommen
>> überproportional viel Konsumsteuer gezahlt wird, die _auch_zur
>> Umverteilung in
>> das bGE genutzt wird.
>>
>
> Daraus ergibt sich, dass gerade mit steigendem Einkommen die prozentuale
> Belastung durch die Konsumsteuer sinkt und nur die absolute Belastung
> ansteigt - aber keinesfalls überproportional.
>
>  Zudem ist es mein Konsum, durch den ich die Gesellschaft und das was
>> andere
>> erarbeitet haben in Anspruch nehme. Ich halt es nur für sinnvoll und
>> gerecht,
>> wenn an _dieser_ Stelle das Gros des Steueraufkommens geschöpft wird.
>>
>
> Aha, wie kommst du darauf?
> Am meisten nimmt ein Mensch die Gesellschaft in Anspruch, indem er die
> Infrastruktur,
> die öffentliche Sicherheit und seine persönliche Freiheit nutzt.
> Das sind die größten Kosten einer Gesellschaft.
>
>  Die 2. Möglichkeit führt zu Steuerflucht und untergräbt das
>>> Leistungsprinzip, welches eine der groߟen Antriebsfedern für
>>> Fortschritte ist und reicht deshalb nicht als alleinige
>>> Finanzierungsquelle.
>>>
>>
>> Aus meiner Sicht ein noch wichtigeres Argument gegen Besteuerung der
>> Arbeitseinkommen: Mit meiner Arbeit bringe ich mich in die Gesellschaft
>> ein,
>> stelle ich der Gesellschaft Dienstleistung und Produktivität zur
>> Verfügung.
>> Warum soll ich dafür bestraft werden?
>>
>
> Wenn das Arbeitseinkommen in einem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten
> Leistung stünde hättest du Recht. Aber in Zeiten in denen Menschen 10 Mio.
> und mehr € pro Jahr verdienen, obwohl Sie auch nur maximal 80 Stunden die
> Woche arbeiten, steht dem keine äquivalente Leistung gegenüber. Es soll nur
> den
> Anreiz einer kurzfristigen Gewinnmaximierung erhöhen.
>
>  Das größte Potential als Finanzierungsquelle für ein Grundeinkommen
>>> sehe ich bei der Besteuerung des Vermögens, weil es den Menschen
>>> weniger weh tut und Vermögen schon alleine durch seine Existenz
>>> Einnahmen erwirtschaftet. Zudem lässt sich Vermögen nicht komplett
>>> ausser Landes schaffen bzw. leicht einer Person zuordnen. Beispiel
>>> Bodenwerte und Aktien, Geldanlagen. Dabei sollte alles Vermögen einer
>>> Person, egal ob in D oder im Ausland vorhanden, besteuert werden.
>>> Alleine wird das vielleicht, neben den Einsparungen, nicht zur
>>> Finanzierung reichen, aber es kann einen sehr groߟen Anteil einnehmen.
>>>
>>
>> Die meisten Vermögenswerte dienen letztlich der Gesellschaft:
>> - Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen stellen den Firmen das
>> notwendige Kapital für deren Wirtschaftliche Tätigkeit zur Verfügung.
>> - Geldanlagen werden von Banken normalerweise als Darlehen in mehrfacher
>> Höhe
>> des Anlagevolumens an Unternehmen oder Privatpersonen weitergereicht,
>> wodurch
>> sie wieder in Konsum oder Investition umgesetzt werden.
>> - Bodenwerte werden - normalerweise - zu landwirtschaftlichen oder anderen
>> Firmenzwecken und für Wohnungsbetrieb genutzt. Lediglich brach liegende
>> Flächen sind der gesellschaftlichen Nutzung entzogen, wenn sie nicht z.B.
>> von
>> Kindern - auch ohne Erlaubnis - zum Spielen genutzt werden.
>>
>
> Private Vermögen dienten noch fast nie der Gesellschaft. Aktionäre,
> Geldanleger und
> Grundbesitzer wollen höchste Renditen erzielen, keiner verschenkt sein
> Eigentum -
> von Erbschaft einmal abgesehen.
>
>  Vermögen als solches ist also - zumindest aus meiner Sicht - nicht
>> pauschal zu
>> verurteilen. ßœber die Höhe einer Versteuerung von Einkommen aus Vermögen
>> kann
>> natürlich diskutiert werden.
>>
>
> Das ist zwingend nötig und sollte so hoch sein, dass Einkommen aus Vermögen
> unrentabler gegenüber einer Nutzung wäre - Renditen unterhalb der
> Inflation.
>
>  Ich weiߟ, dass sich das nach Zitaten von Götz Werner anhört. Stimmt ja
>> auch.
>> Aber ich stehe voll hinter diesen Argumenten weil sie zu einer einfachen,
>> effektiven und - meiner Meinung nach - gerechten Lösung oder Milderung von
>> wirklich vielen gesellschaftlichen Problemen führen können.
>>
>
> Die Lösung erinnert mich an Rom - Brot und Spiele, damit die Mächtigen
> raffen und raffen können.
>
>  Danke an alle Beteiligten für diese sehr offene Diskussion, die mir immer
>> wieder zu mehr Klarheit verhilft.
>>
>>
>> Gregor Bednarek
>>
>> Hardtstraߟe 94
>> 42107 Wuppertal
>>
>> FON 0202/8977257
>> alles-ist-gut at gmx.de
>>
>
> Gruߟ Sven.
>
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