[Debatte-Grundeinkommen] Gleichberechtigung und BGE

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Di Jun 28 00:03:46 CEST 2011


Hallo, Cathrin!

Wer behauptet, Eva Herman würde eine "evangelikale,
nazionalsozialistische (sic!) Perspektive" bzgl. des Frauenbildes
einnehmen (und das auch noch ohne das Buch auch nur quergelesen zu
haben), könnte genausogut eine schriftliche Erklärung totaler
Ahnungslosigkeit abgeben. Was willst Du aus dieser absurden
Nonsens-Behauptung denn wieder herauskommen??

Das Buch von Eva Herman ist so wichtig, weil es (bei allen Schwächen)
Kategorien zurechtrückt, die auch in der FES-Broschüre teilweise
verrutscht sind. Das Offensichtlichste: In der FES-Broschüre werden
alle aufgeführten Behauptungen als "antifeministische Behauptungen"
bezeichnet. Dabei hat eine ganze Reihe davon mit dem Anliegen des
Feminismus nichts zu tun, ganz zu schweigen davon, dass sie evident
anti-feministisch wären!

Hermans Hinweis in Kurzform: Der Feminismus ist über sein Ziel
hinausgeschossen. Statt für Emanzipation zu sorgen (die, so auch die
FES-Studie unisono, noch keineswegs erreicht ist), wird versucht,
Frauen den Männern gleichzumachen, vor allem in Gestalt der
Ökonomisierung der Lebensausrichtung auf eine außerhäusige Karriere
beider Geschlechter ohne Rücksicht auf evtl. vorhandene Kinder, die
dann anderweitig - natürlich "hochqualitativ" - betreut werden und -
möchte ich hinzufügen - das Ganze ohne einen Funken
Kapitalismuskritik, da "Karriere" bei den meisten Menschen die
Optimierung der Ausbeutung bedeutet und viele Tätigkeiten bei der
Kinderbetreuung im Kapitalismus gerade aufgrund ihrer Professionalität
hochgradig entfremdet sind.

Wie abwegig die Diskussion verläuft, kannst Du Deinen eigenen
Äußerungen entnehmen:
> Natürlich ist das eine Frauenfalle - Wenn du Kinder großziehen musst, dann kannst du nicht so arbeiten gehen, wie manche das verlangen. Es gibt einfach zu wenig Kitas die noch abends aufhaben - von einer Schule ganz zu schweigen.
Kinder großziehen MÜSSEN? Arbeiten gehen, wie DIE das VERLANGEN????
Kitas und Schulen, die ABENDS aufhaben?? Wenn Du diese Fragen mal von
einem aufgeklärten Standpunkt aus reflektieren würdest, würdest Du
nichts als Nihilismus finden.

WIE übel die FES-Broschüre ist, kann ich Dir sehr erhellend an Punkt
4.2 auseinandersetzen. Die "antifeministische Behauptung" lautet:
"Immer mehr Familien gehen kaputt, weil Frauen arbeiten und sich
selbst verwirklichen wollen." Zunächst zum Charakter dieses Satzes als
"Behauptung": Der erste Halbsatz ist eine Beobachtung, die man in
Zweifel ziehen könnte, aber das wird hier keineswegs versucht. Dann
zum antifeministischen Charakter der "Behauptung": Wenn die
Beobachtung zutrifft und auf Grundlage dieser Beobachtung die
Behauptung des zweiten Halbsatzes aufgestellt wird, dann ist es
zunächst einmal eine Behauptung des kritischen Feminismus, denn wenn
es so wäre, dass "immer mehr" Frauen ihre Familienzusammenhänge
riskieren, bloß um arbeiten zu können, würde das die Methoden des
Feminismus in Frage stellen. Damit weiter zur angeblichen...

4.2.1 Widerlegung

– "Wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen führt nicht zur
Trennung, wenn die Beziehung intakt ist."
Das ist keine Widerlegung, sondern eine haltlose Behauptung, haltlos,
da weder die "wirtschaftliche Selbstständigkeit" (sic!) noch die
"intakte Beziehung" kategoriell geklärt werden.

– "Es ist nicht der individuelle Emanzipationswille von Frauen,
sondern ein Ergebnis sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen, dass
die wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen und Männern
gleichermaßen notwendig ist."
Wiederum eine haltlose Behauptung! Welche "sozialen und
wirtschaftlichen Entwicklungen" sollen das sein? Was - wiederum - ist
eine "wirtschaftliche Selbstständigkeit"? Wie kann sie - und das auch
noch für Männer und Frauen - "notwendig" sein, während die
Gesellschaft, die das angeblich notwendig macht, mit Hartz IV eine
konkrete soziale Entwicklung einleitet, die wirtschaftliche
Selbstständigkeit von Millionen Menschen nachhaltig beeinträchtigt,
gar komplett unmöglich macht?!

– "Die Vorstellung von der Kleinfamilie mit Haupternährer, Hausfrau
und Kind setzt Frauen und Männer unter Druck, unzeitgemäßen
Rollenbildern zu entsprechen – das ist ein häufiger Grund für
Kinderlosigkeit und Trennungen."
Bullshit! Der Feminismus ist nach eigener Erklärung keineswegs dazu
angetreten, individuelle Vorstellungen abgewöhnen und Leute
entsprechend umerziehen zu wollen. (Wenn ich mich recht entsinne, wird
das an anderer Stelle in der Broschüre extra betont!) Sollten diese
Vorstellungen existieren, muss man sie aushalten! Umgekehrt wird ein
Schuh daraus: Weil das völlig verfehlte Rollenbild von UNBEDINGT
wirtschaftliche selbstständigen Männern UND Frauen verbreitet wird,
geraten Männer wie Frauen gleichermaßen unter Druck, absurden
Rollenbildern entsprechen zu müssen, in denen Karriere ohne jede
Einschränkung möglich ist, ohne ein Kind zu vernachlässigen, weil es
professionell betreut wird!

– "Trennungen sind für die Betroffenen problematische Erfahrungen, die
ernst genommen
werden müssen – aber historisch gesehen handelt es sich um einen
Wandel der Institution
Familie, der schon lange stattfindet."
Bullshit! Der alberne Versuch, eine soziologische Beobachtung als
Ursache hinzustellen, obwohl sie die Wirkung ist! Eine Wirkung, die,
wie oben schon gesagt, gar nicht die Absicht des Feminismus ist und
dementsprechend von feministischer Seite bekämpft werden müsste, statt
das Übel noch als "Wandel der Institution" euphemistisch zu bemänteln!

– "Andere Länder haben sich dem sozialen Wandel angepasst, indem sie
die staatliche Kinderbetreuung ausgebaut und eine geschlechtergerechte
Verteilung der unbezahlten Arbeit gefördert haben."
Bullshit, diesmal konkret: Der Ausbau der Kinderbetreuung in Bereiche
hinein, wo Kinderbetreuung verstärkt durch die Eltern stattfinden
sollte, um die heutigen Sozialisationsprobleme in den Griff zu
bekommen und eine emanzipierte Gesellschaft anzugehen, wo also Mutter
UND Vater WENIGER ARBEITEN sollten, IST DOCH GERADE DER soziale
Wandel, der hier gemeint ist!

Noch krasser wird es in der Erläuterung!

"Antifeministische Texte wie 'Das Eva Prinzip“ (Herman 2006) sehen
Emanzipation und daraus folgende Berufstätigkeit von Frauen als
Ursache für die Instabilität von Ehen und Familien und von
Kinderlosigkeit an und empfehlen die Rückkehr zu dem alten Modell."

Eine doppelte Falschaussage! Wahrscheinlich hat auch Manfred Köhnen
das Buch gar nicht gelesen!

"Dagegen spricht aber zum Beispiel die Arbeitsmarktsituation von
Frauen im Vergleich zu der der Männer. Wahrscheinlicher ist die
umgekehrte Interpretation, dass es nicht die Emanzipation ist, die die
Ehen unter Druck setzen, sondern die allgemeinen gesellschaftlichen
Entwicklungen wie die zunehmende Individualisierung und die
wirtschaftliche Unsicherheit."

Ob Manfred Köhnen überhaupt merkt, was er für einen Bullshit
schreibt?? Emanzipation kann keine Ehe unter Druck setzen, denn
Emanzipation ist nur die nachträglich festgestellte Bilanz einer
Erwartungshaltung. Die reale wirtschaftliche Unsicherheit (die immer
wieder genannt werden muss als Hinweis darauf, wie blöde es ist,
Emanzipation (als Bilanz einer Erwartungshaltung!) könne dadurch
vorankommen, dass Frauen wie zuvor schon die Männer ihr Glück in
kapitalistischer Lohnabhängigkeit anstreben müssten!!) kann natürlich
sehr wohl Ehen unter Druck setzen! Wie zum Beweis:

"Und schließlich entstanden durch den Wandel zur
Dienstleistungsgesellschaft zahlreiche Arbeitsplätze, die von Frauen
besetzt wurden. Die in der antifeministischen Behauptung enthaltene
Vorstellung, dass die Emanzipation der Frauen zur Entstehung dieser
Arbeitsplätze geführt hat, ist absurd."

Wieder schreibt Manfred Köhnen nur Bullshit! Was soll denn daran
absurd sein?? Natürlich ist es so! Nach meiner letzten OP habe ich
mich in der Klinik mit einer Putzfrau unterhalten. Holla, und wie es
genau so ist!

"Gleichzeitig sind immer mehr Familien wegen der unsicheren
Arbeitsmarktlage und Niedriglöhnen auf zwei Einkommen angewiesen."

Bullshit! Und sowas gibt die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung
heraus... Hier werden glatt Ursache und Wirkung vertauscht! Weil
Arbeitgeber ungestraft niedrige Löhne anbieten können UND weil Massen
von Menschen sich auch noch darauf einlassen -- indem sie etwa als
Alleinstehende Niedriglöhne akzeptieren, von denen sie wissen, dass
diese eigentlich eine Familie ernähren können müssten, oder wenn
Lebenspartner zwei so niedrige Individualeinkommen akzeptieren, dass
sie selbst gepooled für das Haushaltseinkommen der Familie gar nicht
ausreichen, und weil zudem Massenarbeitslosigkeit toleriert und weil
fast alle in Deutschland Hartz IV nahezu widerstandslos hinnehmen,
wird das Lohnniveau künstlich abgesenkt und alle müssen darunter
leiden!

"Zudem gibt es Hinweise darauf, dass das konservative Modell der
Kleinfamilie selbst zur Kinderlosigkeit beiträgt. So schätzte die
Mehrheit der befragten Frauen und Männer, dass Kinder die
Erwerbstätigkeit von Frauen einschränken würden – und zwar sowohl den
zeitlichen Umfang als auch die inhaltlichen Ansprüche. Frauen, die in
einer stabilen Ehe
leben, verzichten lieber auf Kinder, wenn ihre Männer sich eine nicht
berufstätige Hausfrau wünschen als dass sie diesem Wunsch ihrer Männer
nachkommen."

Hinweise? Schätzte die Mehrheit? Was hat der Anfang des Absatzes (mit
Kind) mit dem Ende des Absatzes (Kindesverzicht) zu tun? Was für eine
Art "stabile Ehe" ist das, wenn die Frau den Wunsch des Mannes aus
einem völlig unkommunikativen Trotz heraus verweigert und damit, so
lese ich das aus der Fallbeschreibung heraus, ja auch den eigenen
Kinderwunsch torpediert??

"Für eine erfolgreiche Familien- und Gleichstellungspolitik ist es
notwendig, den sozialen
Wandel zu akzeptieren und sich mit der Familienpolitik darauf
einzustellen. Immer mehr Frauen werden erwerbstätig und wirtschaftlich
selbstständig sein. Wenn die Geburtenrate wieder steigen soll, dann
muss es Eltern in Deutschland ermöglicht werden, Familie und Beruf zu
vereinbaren. Im internationalen Vergleich lässt sich feststellen, dass
die Industrieländer, die das geschafft haben, relativ höhere
Geburtenraten aufweisen als zum Beispiel Deutschland und Österreich.
Als Vorbilder sind insbesondere die skandinavischen Länder und
Frankreich zu nennen."

Unfassbar, welch einen Bullshit dieses Manfred Köhnen da absondert!
"Für eine erfolgreiche Familien- und Gleichstellungspolitik ist es
notwendig, den sozialen
Wandel zu akzeptieren"? Nochmal verknappt auf das Wesentliche: Eine
erfolgreiche Familien- und Gleichstellungspolitik muss
notwendigerweise den sozialen
Wandel akzeptieren! Und jetzt Klartext: Politik muss sich aus Politik
raushalten?? DAS will Manfred Köhnen???

Wie kann man überhaupt einen Zusammenhang dergestalt phantasieren,
dass wer erwerbstätig wird, automatisch wirtschaftlich selbstständig
wird? Das widerspricht jeder Erfahrung! Ich sage nur "Aufstocker" -
und das ist nur eine einzige Dimension dieses gewaltigen Problems!

Wer sagt eigentlich, dass die Geburtenrate wieder steigen soll? Klar,
Eva Herman spricht das an - aber mal ehrlich: Das ist der schlechteste
Teil ihres Buches! Wir sind überbevölkert und sollten um jeden
Deutschen, der NICHT geboren wird, froh sein.

Von der Wahrheit, dass Familie und Beruf nur dergestalt zu vereinbaren
sind, dass das eine dem anderen keinen Schaden zufügt, NICHT indem
beides gleichzeitig probiert wird, scheint Manfred Köhnen noch
Lichtjahre entfernt zu sein. Bedauernswert...

Gruß
Manfred


--
Manfred Bartl
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