[Debatte-Grundeinkommen] Gleichberechtigung und BGE

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Jun 23 20:57:22 CEST 2011


Hallo zusammen,

liegt das Problem bei der Diskussion vielleicht darin, daß wir bei der 
Auszahlung eines Grundeinkommens an einen bestimmten Zweck denken, der die 
Auszahlung erfüllen soll? Geht man (und auch frau) davon aus, daß es sich um 
eine Art "Dividende" der gesamtwirtschaftlich erbrachten Leistung eines 
Landes handelt (von der man/frau im besten Fall auch leben können soll), 
stellt sich mir die Frage nicht, ob ein "Grundeinkommen" etwas zur 
Geschlechtergleichberechtigung beiträgt oder nicht. Auf eine Diskussion 
würde ich mich dann einlassen, wenn es darum geht, die Höhe der "Dividende" 
aufgrund einer Geschlechtszugehörigkeit unterschiedlich zu bewerten.

Sicher möchte ich dabei nicht sagen, daß ein "Grundeinkommen" keinen Beitrag 
bei der Geschlechtergleichberechtigung leistet/leisten kann, aber die 
Diskussion darüber entfacht sich aus meiner Sicht erst dann, wenn es darum 
geht, Sinn und Zweck eines "Grundeinkommens" zu hinterfragen. Hier vertrete 
ich aber die Position, daß ein Grundeinkommen eine Beteiligung von und an 
der Gesellschaft ist und dabei offen läßt, wie ich mich an der Gesellschaft 
(als Mensch in Form eines Mannes oder einer Frau) beteilige. Wenn hier "alte 
Denkmuster" mit hineinspielen, sind wir vielleicht noch nicht so weit, um 
ein Grundeinkommen für alle zu wagen.

Geht man (und auch frau) davon aus, daß wir eigentlich alle Menschen sind, 
und wir es mindestens mit zwei Geschlechtern zu tun haben (tatsächlich gibt 
es eigentlich mehr, wobei die "Unterformen" auch zu Menschen gezählt werden 
können, aber wegen ihrer "Seltenheit" oft unterschlagen werden), so stellt 
sich die Frage eher nach Rollenbilder, die wir den jeweiligen Geschlechtern 
zuweisen. Aber aus meiner Sicht kategorisieren wir dabei über die 
philosophische Definition des Menschsein hinaus - auf einer höheren 
"biologischen Ebene", die über der des reinen Überlebens liegt (aufgrund 
geschlechtsspezifischer, meist sichtbarer Charakteristiken).

Die Emanzipation der Frau war (und ist) aus meiner Sicht so zu verstehen, 
daß sich Frauen von der ihnen von Männern zugedachten gesellschaftlichen 
Rolle befreien woll(t)en und sich ein Recht auf eine eigene Deutungshoheit 
ihrer Identität/Rolle nehmen und nahmen (incl. aller damit verbundenen 
Verantwortungen, wie z.B. Abtreibungsrecht). Interessant dabei finde ich, 
daß es seit einigen Jahren eine wachsene "Slut-Bewegung" gibt, bei denen 
Frauen fordern, sich "hübsch machen zu dürfen", weil sie zu ihrer 
Weiblichkeit stehen und ihr "aufreizendes Aussehen" nicht als 
"Anmachversuch" für Männer verstanden sehen wollen. Vielleicht wäre es an 
der Zeit für Männer, ihre gesellschaftliche Rolle ebenfalls zu überdenken 
und vor allem Abschied ihrer selbst beigedachten Definitionshoheit zu 
nehmen.

Bestimmt besteht kein Zweifel darin, daß es Unterschiede zwischen Frauen und 
Männer gibt, aber wir dürfen eben nicht vergessen, daß beide zur Spezie 
Mensch gehören, über die wir vielleicht eher nachdenken sollten, als über 
den "kleinen Unterschied".

Viele Grüße soweit aus Kiew,

Jörg Drescher
Projekt Jovialismus




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