[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Sa Sep 25 12:34:21 CEST 2010


Hallo Schluuch, und wen's sonst noch interessiert,

die genannte Kritik ist auch ohne Bezug auf De Benoiste (Neue Rechte) möglich, da sich die Menschenrechte von einem bestimmten Menschenbild ableiten und somit ein Anspruch auf Grundlage der Menschenrechte (innerhalb einer anderen Kultur) das "mitgebrachte Menschenbild" "aufzwingen". So würde wahrscheinlich die Forderung nach einem Grundeinkommen bei einem abgelegenen brasilianischen Indianerstamm mit einer Tauschkultur, die sich zu unserer "Geldtauschkultur" unterscheidet, deren Kultur "zerstören". Etwas abstrakter geht Brugger (vgl. Antwort auf Martina's Beitrag) auf dieses Problem ein, weshalb er ein Menschenbild aus den bestehenden Menschenrechten abzuleiten versucht. Der rechtspositivistische Ansatz beim Recht, der zur Wende des 19./20. Jahrhunderts vorherrschte, erlebte eine herbe Niederlage durch das, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts passierte, weshalb man in der zweiten Hälfte verstärkt wieder auf das Naturrecht zurückgriff. Vergessen wurde, wie Du richtig erwähnst, daß die jeweilige (vor allem christliche geprägte) Kultur bei diesem Entwurf eine Rolle spielte. Das Grundeinkommen als Recht ist deshalb kein Menschenrecht, sondern ein kulturell geprägtes Recht auf Grundlage des dort vorherrschenden Menschenbilds und den davon abgeleiteten (Menschen)Rechten. Bei der Umsetzung spielt das trotzdem eine Rolle, da eine globale Einführung ein "globales Menschenbild" erfordert; andernfalls entsteht ein "globaler Markt der Menschenbilder" mit ungeahnten Migrationsströmen. Ein "Recht auf Pflicht, Mensch zu sein" setzt kein Menschenbild voraus, sondern wer sich für ein bestimmtes Menschenbild entscheidet (Recht), dem obliegen die daraus abzuleitenden Pflichten: "Das Recht auf Pflicht, ein guter Mensch zu sein"; "Das Recht auf Pflicht, ein schlechter Mensch zu sein"; "Das Recht auf Pflicht, ein gesunder Mensch zu sein"; "Das Recht auf Pflicht, ein pflichtbewußter Mensch zu sein"; "Das Recht auf Pflicht, ein arbeitender Mensch zu sein"; "Das Recht auf Pflicht, ein verantwortungsbewußter Mensch zu sein"...

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus




  ----- Original Message ----- 
  From: schluuch2005-kontakt at yahoo.de 
  To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de ; Ulf Zimmermann 
  Sent: Friday, September 24, 2010 3:50 PM
  Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht,Mensch zu sein...


        Ulf,


        da wäre ich vorsichtig.Nimm mal zum Beispiel "Die Kritik der Menschenrechte" von De Benoiste.Da musst du entweder die kulturellen Voraussetzungen dafür schaffen und durchsetzen oder die Finger von den Menschenrechten lassen.Oder das Staatsbürgerrecht betonen.


        MfG

        --- Ulf Zimmermann <UZi at gmx.net> schrieb am Sa, 18.9.2010:


          Von: Ulf Zimmermann <UZi at gmx.net>
          Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...
          An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
          Datum: Samstag, 18. September, 2010 23:53 Uhr


          Die einzige Verpflichtung sollte sein, die Menschenrechte zu achten. Mehr muss gar nicht sein. Der Artikel 9 geht mir viel zu weit. Was soll es denn bedeuten, Armut und Hunger zu bekämpfen? Reicht es da, einer Hilfsorganisation zu spenden? Oder muss ich unter den Augen einer zu benennenden Weltorganisation mindestens einmal nach Afrika und dort Landwirtschaft betreiben? Ich denke, dass der Artikel so nicht durchsetzbar ist.



          Jeder Mensch muss konsumieren, ist somit also Teil der Gesellschaft. Was er dann (außer seinen Konsumsteuern) der Gesellschaft zurückgibt, sollte jeder individuell entscheiden können.



          Und keine Angst, die fällige Arbeit wird getan – entweder mit Maschinen oder entsprechend sehr gut bezahlten Menschen.



          From: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] On Behalf Of Ingo Groepler-Roeser
          Sent: Saturday, September 18, 2010 4:45 PM
          To: Joerg Drescher
          Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
          Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein... [clean]



          Nun ist es allerdings so, daß lediglich verfassungsrechtliche Bedingungen noch keine gesetzliche Verpflichtung implizieren.
          Da in diesem Falle das "rechtsgebende" Organ der Souverän ist, hat er es selbst verpasst, sich zu verpflichten, eine Pflicht zum Recht zu artikulieren.
          Solange über Menschenrechte in dem Falle reflektiert wird, bleibt die Angelegenheit abstrakt.

          Arbeit wird immer mehr (anstatt anläßlicher moderner Forschungs- und Wirkungsergebnisse) zum Fetisch.
          Parallelgesellschaften und Kreativwirtschaft (digitale Bohemé) mutieren zum Mainstream und führen so zu einer Egalisierung des individuellen Anspruchs.
          Es scheint so, als sei die virtuelle Welt (etwa in der Debatte bei wired) weiter, als die reale Welt: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,712637,00.html.

          Ob diese Erkenntnis allerdings progressiv ist (nicht jede ist zwangsläufig progressiv), wäre zu beobachten.
          In Wired selbst (http://www.wired.com/magazine/2010/08/ff_webrip/all/1), wie auch in der kritischen Wikipediaforschung scheint sich Resignation oder Kanalisierung einzustellen.

          Hinzu kommt die politisierte Debatte in randständigen politischen Institutionen, verbunden mit einer Gerechtigkeitsmoral anhand ideologisch eindimensionaler Ziele, in der die Selbstausbeutung als angeblicher sozialer Motor eine perfide Rolle spielt. Darin wird Arbeit zu einer Befriedigung stilisiert.


          ....
          Ingo Groepler-Roeser

          Am 17. September 2010 16:56 schrieb Joerg Drescher <iovialis at gmx.de>:

          Hallo zusammen,

          offenbar ist diese Diskussionsliste etwas eingeschlafen, was hoffentlich nicht heißt, daß es keine Diskussion mehr über das Grundeinkommen gibt. Ich möchte hiermit einen Austausch anstoßen, der sich auf das "Grundeinkommen als Recht" bezieht.

          Wer sich ein bisschen mit Recht beschäftigt, sollte prinzipiell darauf kommen, daß es jemanden geben sollte, bei dem dieses Recht "einklagbar" ist. Dies ist in Bezug auf Nichtstaatsbürger interessant, wenn es um das "Grundeinkommen als Recht" geht. Hannah Arendt forderte zum Beispiel in Bezug auf die Menschenrechte ein "Recht, Rechte zu haben".

          Wer den Film von Häni/Schmidt gesehen hat, dürfte die Aussage kennen (die im Beiheft auf Seite 18 zu finden ist), daß es kein "Recht auf Pflicht" gäbe. Seit ich den Film zum ersten Mal sah, stieß mir diese Aussage sauer auf, da für mich dieses "Recht auf Pflicht" eine zentrale Bedeutung hat und ich es sogar als fundamentales Naturrecht betrachte. Nun ist leider (wie so vieles in dem Film) unklar, was damit eigentlich gemeint ist.

          Welche Folgen allerdings die Aussage "Es gibt kein Recht auf Pflicht" haben würde, kann man sich an der "Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten" vom 1. Sept. 1997 ausmalen, die ich im Zusammenhang mit der Einführung eines Grundeinkommens für essentiell sehe:
          http://www.interactioncouncil.org/udhr/de_udhr.html

          Vor allem Art. 9 ist Voraussetzung für ein Grundeinkommen... Aber wenn es niemand mehr als sein Recht ansieht, solche Pflichten zu erfüllen (weil es ja laut Häni/Schmidt kein "Recht auf Pflicht" gibt), möchte ich nicht wissen, was mit der Menschheit passieren würde...

          Ich hoffe, auf der Liste sind noch ein paar Leute, die an einem Austausch über das Thema "Grundeinkommen als Recht" interessiert sind.

          Viele Grüße aus Kiew,

          Jörg (Drescher)
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