[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Patrick Gabler patrick at experienze.com
Do Sep 23 11:39:01 CEST 2010


Pflicht klingt nach Kontrolle und Sanktion... Mitwirkungspflicht,
Arbeitsverpflichtung.

Reden wir lieber von Anspruch, und nehmen wir gleich mal Art. 1 GG Abs. 2:
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens
und der Gerechtigkeit in der Welt.

Schon mal ein guter Ansatz, nicht wahr?

Eine "Pflicht" die sich aus Rechten ergibt ist, diese zu achten, zu schützen
ggf. zu verteidigen.

Aber eigentlich reden wir hier über Grundeinkommen. Welche Pflicht soll es
da geben?
Wenn es bedingungslos sein soll, kann es nur moralische Pflichten geben,
jemand der sich kontraproduktiv verhält wird sich wohl kritisieren lassen
müssen, aber mehr auch nicht, sein Grundeinkommen wird nicht gekürzt und
auch nicht weggenommen. Außer eben, gesetzlich definierte Ausnahmen, bei
Inhaftierung z.B., dass das BGE an das Gefängnis geht, da sie ja quasi für
Unterkunft und Nahrung aufkommen.

Am 22. September 2010 22:52 schrieb Martina Steinheuer <m3stein at yahoo.de>:

>  Der Versuch einer Antwort:
>
> MIR gefällt der Text zu den "Menschenpflichten" überhaupt nicht. Nicht,
> dass ich inhaltlich großartig etwas daran auszusetzen hätte; im Großen und
> Ganzen steht ja nichts umwerfend Neues darin.
>
> Doch was für ein Menschenbild steckt denn eigentlich hinter solch einem
> "Pflichtenkatalog"?
>
> Soll ich mir das so vorstellen, dass ein Mensch geboren wird und dann
> irgendwann, mit Erlangung der nötigen Reife quasi zwei
> Entscheidungsmöglichkeiten zur Auswahl hat: "Gut" zu werden und sich diesen
> ganzen Pflichten zu beugen oder eben "schlecht" zu werden um den Preis von
> Sanktionen.
>
> Sind wir Menschen denn tatsächlich bloß eine Art leeres Gefäß, dass man
> erst mit einem Katalog von ethischen Werten füllen muss?
>
> Ich finde das einigermaßen lächerlich. Wenn ich ein solches Menschenbild
> hätte, würde ich mich wohl kaum für ein Grundeinkommen einsetzten und schon
> gar nicht für ein "bedingungsloses" in dem Sinne, dass ich eben NICHT das
> Akzeptieren eines "Pflichtenhefts der Menschlichkeit" fordere, sondern
> schlichtweg davon ausgehe, dass der Mensch, wenn man ihm denn die Muße und
> die Freiheit gibt, sein Leben - materiell grundgesichtert durch ein BGE -
> SELBST zu gestalten, aus sich selbst heraus bestrebt ist, es nicht nur sich
> selbst, sondern auch seinen Mitmenschen gut gehen zu lassen.
>
> Was ist mit matriachalen Gesellschaftsentwürfen? Was mit Allmende, an
> vielen Orten der Welt lange und erfolgreich im Sinne des Gemeinwohls
> praktiziert? Auch ohne Pflichtenheft haben Menschen schon vor langer Zeit
> gemerkt, dass Kooperation und Gemeinsinn für ein friedliches Miteinander
> zuträglicher sind, als Habgier und Egoismus.
>
> Die Tatsache, DASS es aber all die negativen Auswüchse unseres menschlichen
> Daseins gibt, ist kaum ein Beweis dafür, dass wir nicht irgendwo tief
> drinnen eine Ahnung davon hätten, was uns eigentlich wichtig ist.
>
> ...und mit den paar untherapierbaren Soziopathen, die es sicher - aus den
> unterschiedlichsten Gründen - geben mag (1 bis 4 pro 100, habe ich mal
> gelesen), werden wir als menschliche Gemeinschaft sicher fertig, wenn wir
> nur aufhören, deren Eigenschaften für besonders ehrenvollen Handlungsweisen
> zu halten und sie auch noch belohnen.
>
> Nein, auch ich bin der Meinung, es braucht KEIN "Recht zur Pflicht". Damit
> verbiegen wir nämlich gleich schon wieder - kleingeistig und ängslich;
> Thomas Hobbes im Hinterkopf, der Mensch sei dem Menschen doch bloß ein
> Wolf...
>
> Gruß,
> Martina Steinheuer
>
>
> Am 17.09.2010 16:56, schrieb Joerg Drescher:
>
> Hallo zusammen,
>
> offenbar ist diese Diskussionsliste etwas eingeschlafen, was hoffentlich
> nicht heißt, daß es keine Diskussion mehr über das Grundeinkommen gibt. Ich
> möchte hiermit einen Austausch anstoßen, der sich auf das "Grundeinkommen
> als Recht" bezieht.
>
> Wer sich ein bisschen mit Recht beschäftigt, sollte prinzipiell darauf
> kommen, daß es jemanden geben sollte, bei dem dieses Recht "einklagbar" ist.
> Dies ist in Bezug auf Nichtstaatsbürger interessant, wenn es um das
> "Grundeinkommen als Recht" geht. Hannah Arendt forderte zum Beispiel in
> Bezug auf die Menschenrechte ein "Recht, Rechte zu haben".
>
> Wer den Film von Häni/Schmidt gesehen hat, dürfte die Aussage kennen (die
> im Beiheft auf Seite 18 zu finden ist), daß es kein "Recht auf Pflicht"
> gäbe. Seit ich den Film zum ersten Mal sah, stieß mir diese Aussage sauer
> auf, da für mich dieses "Recht auf Pflicht" eine zentrale Bedeutung hat und
> ich es sogar als fundamentales Naturrecht betrachte. Nun ist leider (wie so
> vieles in dem Film) unklar, was damit eigentlich gemeint ist.
>
> Welche Folgen allerdings die Aussage "Es gibt kein Recht auf Pflicht" haben
> würde, kann man sich an der "Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten" vom
> 1. Sept. 1997 ausmalen, die ich im Zusammenhang mit der Einführung eines
> Grundeinkommens für essentiell sehe:
> http://www.interactioncouncil.org/udhr/de_udhr.html
>
> Vor allem Art. 9 ist Voraussetzung für ein Grundeinkommen... Aber wenn es
> niemand mehr als sein Recht ansieht, solche Pflichten zu erfüllen (weil es
> ja laut Häni/Schmidt kein "Recht auf Pflicht" gibt), möchte ich nicht
> wissen, was mit der Menschheit passieren würde...
>
> Ich hoffe, auf der Liste sind noch ein paar Leute, die an einem Austausch
> über das Thema "Grundeinkommen als Recht" interessiert sind.
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
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