[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Martina Steinheuer m3stein at yahoo.de
Mi Sep 22 22:52:32 CEST 2010


 Der Versuch einer Antwort:

MIR gefällt der Text zu den "Menschenpflichten" überhaupt nicht. Nicht,
dass ich inhaltlich großartig etwas daran auszusetzen hätte; im Großen
und Ganzen steht ja nichts umwerfend Neues darin.

Doch was für ein Menschenbild steckt denn eigentlich hinter solch einem
"Pflichtenkatalog"?

Soll ich mir das so vorstellen, dass ein Mensch geboren wird und dann
irgendwann, mit Erlangung der nötigen Reife quasi zwei
Entscheidungsmöglichkeiten zur Auswahl hat: "Gut" zu werden und sich
diesen ganzen Pflichten zu beugen oder eben "schlecht" zu werden um den
Preis von Sanktionen.

Sind wir Menschen denn tatsächlich bloß eine Art leeres Gefäß, dass man
erst mit einem Katalog von ethischen Werten füllen muss?

Ich finde das einigermaßen lächerlich. Wenn ich ein solches Menschenbild
hätte, würde ich mich wohl kaum für ein Grundeinkommen einsetzten und
schon gar nicht für ein "bedingungsloses" in dem Sinne, dass ich eben
NICHT das Akzeptieren eines "Pflichtenhefts der Menschlichkeit" fordere,
sondern schlichtweg davon ausgehe, dass der Mensch, wenn man ihm denn
die Muße und die Freiheit gibt, sein Leben - materiell grundgesichtert
durch ein BGE - SELBST zu gestalten, aus sich selbst heraus bestrebt
ist, es nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mitmenschen gut gehen
zu lassen.

Was ist mit matriachalen Gesellschaftsentwürfen? Was mit Allmende, an
vielen Orten der Welt lange und erfolgreich im Sinne des Gemeinwohls
praktiziert? Auch ohne Pflichtenheft haben Menschen schon vor langer
Zeit gemerkt, dass Kooperation und Gemeinsinn für ein friedliches
Miteinander zuträglicher sind, als Habgier und Egoismus.

Die Tatsache, DASS es aber all die negativen Auswüchse unseres
menschlichen Daseins gibt, ist kaum ein Beweis dafür, dass wir nicht
irgendwo tief drinnen eine Ahnung davon hätten, was uns eigentlich
wichtig ist.

...und mit den paar untherapierbaren Soziopathen, die es sicher - aus
den unterschiedlichsten Gründen - geben mag (1 bis 4 pro 100, habe ich
mal gelesen), werden wir als menschliche Gemeinschaft sicher fertig,
wenn wir nur aufhören, deren Eigenschaften für besonders ehrenvollen
Handlungsweisen zu halten und sie auch noch belohnen.

Nein, auch ich bin der Meinung, es braucht KEIN "Recht zur Pflicht".
Damit verbiegen wir nämlich gleich schon wieder - kleingeistig und
ängslich; Thomas Hobbes im Hinterkopf, der Mensch sei dem Menschen doch
bloß ein Wolf...

Gruß,
Martina Steinheuer


Am 17.09.2010 16:56, schrieb Joerg Drescher:
> Hallo zusammen,
>
> offenbar ist diese Diskussionsliste etwas eingeschlafen, was
> hoffentlich nicht heißt, daß es keine Diskussion mehr über das
> Grundeinkommen gibt. Ich möchte hiermit einen Austausch anstoßen, der
> sich auf das "Grundeinkommen als Recht" bezieht.
>
> Wer sich ein bisschen mit Recht beschäftigt, sollte prinzipiell darauf
> kommen, daß es jemanden geben sollte, bei dem dieses Recht
> "einklagbar" ist. Dies ist in Bezug auf Nichtstaatsbürger interessant,
> wenn es um das "Grundeinkommen als Recht" geht. Hannah Arendt forderte
> zum Beispiel in Bezug auf die Menschenrechte ein "Recht, Rechte zu
> haben".
>
> Wer den Film von Häni/Schmidt gesehen hat, dürfte die Aussage kennen
> (die im Beiheft auf Seite 18 zu finden ist), daß es kein "Recht auf
> Pflicht" gäbe. Seit ich den Film zum ersten Mal sah, stieß mir diese
> Aussage sauer auf, da für mich dieses "Recht auf Pflicht" eine
> zentrale Bedeutung hat und ich es sogar als fundamentales Naturrecht
> betrachte. Nun ist leider (wie so vieles in dem Film) unklar, was
> damit eigentlich gemeint ist.
>
> Welche Folgen allerdings die Aussage "Es gibt kein Recht auf Pflicht"
> haben würde, kann man sich an der "Allgemeine Erklärung der
> Menschenpflichten" vom 1. Sept. 1997 ausmalen, die ich im Zusammenhang
> mit der Einführung eines Grundeinkommens für essentiell sehe:
> http://www.interactioncouncil.org/udhr/de_udhr.html
>
> Vor allem Art. 9 ist Voraussetzung für ein Grundeinkommen... Aber wenn
> es niemand mehr als sein Recht ansieht, solche Pflichten zu erfüllen
> (weil es ja laut Häni/Schmidt kein "Recht auf Pflicht" gibt), möchte
> ich nicht wissen, was mit der Menschheit passieren würde...
>
> Ich hoffe, auf der Liste sind noch ein paar Leute, die an einem
> Austausch über das Thema "Grundeinkommen als Recht" interessiert sind.
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
> _______________________________________________
> Debatte-grundeinkommen Mailingliste
> JPBerlin - Politischer Provider
> Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen
>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20100922/d6d91b2a/attachment.html>


Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen