[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Okt 7 20:52:19 CEST 2010


Hallo Peter, und wen's sonst noch interessiert,

betrachten wir einmal folgende Fragen völlig wertfrei:
Mit welchem Recht verlangen wir, menschenwürdig behandelt zu werden? Was verstehen wir denn überhaupt unter Menschenwürde? Sollen wir als Menschen für unsere Würde mit einem Grundeinkommen bezahlt werden und entwerten wir damit nicht die Würde zu einem reinen Geldwert? Mit welchem Recht verlangen wir überhaupt ein Grundeinkommen?

Entschuldigung, manchmal kommt mir die Grundeinkommensdiskussion so vor, als ob wir wie kleine Kinder da stehen und kreischen: Ich will! Ich will! Ich will!... Ist das nicht ein bisschen so, als ob jemand verlangt, geliebt zu werden und dies damit begründet, weil er einfach nur existiert. Mit der alleinigen Existenz begründet er einen bedingungslosen Anspruch auf Geld, das wiederum nichts anderes ist, als von anderen irgendetwas verlangen zu "dürfen".

So gut ich die "Bedingungslosigkeit" auch verstehen kann, so gut ich die Situation der Hartz-Geplagten nachvollziehen kann, so gut ich die monetäre Welt wahrnehmen kann, mir fehlt es in der Diskussion an außerrechtlichen, ethischen und rein menschlichen, nichtmonetären Werten - zumindest als "Gegenleistung" für die Auszahlung eines Grundeinkommens. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir damit dem "bedingungslosen Grundeinkomen" viel näher wären, als mit einer rein geldlichen Vergütung unserer Menschenwürde...

Letztes Jahr gab ich ein Interview und darin sagte ich:
Ein nichtmonetäres Grundeinkommen ist sofort umsetzbar, indem jeder damit beginnt, in seinem Umfeld, in seiner Familie, im Berufsleben und in der Nachbarschaft für mehr Menschlichkeit, mehr Geduld, mehr Verständnis und mehr Achtung vor dem Andersdenkenden zu sorgen. Wir sollten öfters Danke sagen, Hilfe anbieten und die Situation anderer verstehen. Aber leider erwarten wir viel zu oft Gegenleistungen für unser Tun, weil wir von etwas leben müssen. Doch dabei vergessen wir, dass auch "Luft und Liebe" zum Leben notwendig sind.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus


  ----- Original Message ----- 
  From: Peter Scharl 
  To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Wednesday, October 06, 2010 6:46 AM
  Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht,Mensch zu sein...


  Hallo @lle,


  BEDINGUNGSLOS muss bleiben!  Es macht klar, dass jedwede Prüfung und jeder Druck entfallen MÜSSEN,  ... denn damit wird die Menschenwürde aller geHA(r)TZ-IVteilten momentan erheblich verletzt. In der Diskussion mit Bürgern ist diese BEDINGUNGSLOSIGKEIT auch ein sehr wichtiges Argument, das meist sofort verstanden wird.


  Mir ist auch wichtig, dass wir kein "Schlaraffenland"-Einkommen fordern, sondern dass klar wird, beim BGE handelt es sich um ein GRUND-Einkommen. JEDEr  Frau / Mann ohne Handicaps ist zuzumuten, dass sie / er, womit auch immer, für zusätzliche Bedarfe selbst sorgt. Das ist dann mit einem BGE auch stressfrei möglich.


  Bewusst machen müssen wir uns, dass die erste Einstiegsstufe eines BGE wahrscheinlich nur in relativ geringer Höhe möglich sein wird. Das wäre mir auch ziemlich egal, wenn es nur BEDINGUNGSLOS ist. In den "Häufig gestellten Fragen" auf  www.FreiheitStattVollbeschaeftigung.de ist das hervorragend skizziert.


  Ciao Peter Scharl - seit über 12 Jahren für Bürgergeld und BGE "unterwegs"
  ... Jahrgang 1942 - ... und ich möchte das BGE noch erleben!





  Am 5. Oktober 2010 15:36 schrieb j.behncke <j.behncke at bln.de>:


    Liebe Liste,

    und genau deshalb bin ich gegen den Begriff  "bedingungslos", weil ein Grundeinkommen eben kein Sozialtransfer ist.

    Der Begriff Grundeinkommen ist für sich im Deutschen vollständig aussagekräftig. Auch wenn es im Angelsächsischen "Unconditionel Basic Income" heißt.

    Grüße aus Berlin

    Joachim Behncke



    ----- Original Message ----- From: <Dagmar.Paternoga at lvr.de>

    To: <sozial at gmail.com>; <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
    Sent: Monday, October 04, 2010 11:58 AM
    Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...




      Lieber Manfred,
      in der deutschen und internationalen Fachdebatte ist "bedingungslos" in dem Sinne ein bestimmter Begriff für Sozialgeldtransfers, die ohne Bedingungen an Verhaltensweisen ausgezahlt werden; z.B. bei bedingtem oder conditional cash transfers erhalten die Empfängerinnen die Sozialleistung erst dann, wenn sie mit ihren Kindern zum Arzt gehen, sie in die Schule schicken an Erziehugnskursen teilnehmen,  usw. Also bitte nicht so beliebig verwenden.
      Ansonsten begrüße ich diese lebendige Debatte natürlich auch.
      Viele Grüße
      Dagmar

      -----Ursprüngliche Nachricht-----
      Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag von Manfred Bartl
      Gesendet: Freitag, 1. Oktober 2010 10:44
      An: Debatte Grundeinkommen
      Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...


      Hallo!

      Ich möchte Jörgs Diskussionsansatz ausdrücklich zustimmen!

      Hier wird nichts zerredet, sondern der Selbstorganisation unterzogen - und das ist doch toll!

      Ein paar Klarstellungen habe ich aber auch:

      Das bedingungslose Grundeinkommen ist NICHT bedingungslos insofern, als es nicht völlig losgelöst von allem im Raume steht. Das Adjektiv "bedingungslos" bezieht sich auf mit einem Einkommen zum Auskommen verknüpfbaren Konditionen. Es tastet aber (als solches wiederum!!!) NICHT die Schulpflicht an. Man ist verpflichtet, seine Kinder zur Schule zu schicken, und die Kinder sind verpflichtet, zur Schule zu gehen, auch wenn sie ein Grundeinkommen beziehen, das bedingungslos genannt wird. Deswegen bleibt das Grundeinkommen aber nichtsdestotrotz ein bedingungsloses!! :-)

      Der Pflichtbegriff von Jörg ist also ein ungemein passender!

      Das wird im folgenden noch deutlicher ;-)

      Das Grundeinkommen kann man nicht zerreden, man kann nur Zukunft gestalten. DAS ist auch mein Anliegen, und darum sage ich - auch als Grundkommensbefürworter -: Wenn ich GLEICH den Sozialismus haben kann, DANN brauche auch ich kein Grundeinkommen mehr. Für mich ist das Grundeinkommen eigentlich nur noch ein Vehikel, den Mitmenschen grundlegende Zusammenhänge der Wirtschaft an sich mit der Gestaltung von Gesellschaft klarzumachen.

      Damit nochmal zur Pflicht: Ich bin ja eigentlich nicht nur Sozialist oder Kommunist, sondern gleich Anarchist (soweit mein Verständnis der -ismen objektiv korrekt ist). Was aber bedeutet dieses Voranschreiten im gesellschaftlichen Utopismus? Immer mehr Freiheit? Ja, ganz bestimmt. Aber einfach so?? NUR FREIHEIT? Dann wäre ich wohl eher Neoliberaler! Nein, mit dem Mehr an Freiheit geht ein gerüttelt Maß an Selbstverpflichtung einher bis hin zum individuell und jeden Tag neu Konsens-getragenen (!!) Gesellschaftsvertrag im Anarchismus!!! Es heißt nicht umsonst:

      Anarchie ist die höchste Form der Ordnung. (Horst Stowasser)

      Gruß
      Manfred





      2010/9/29 Joerg Drescher <iovialis at gmx.de>:

        Hallo Edwin, und wen's sonst noch interessiert,

        nein, ich glaube nicht, daß das Grundeinkommen zerredet wird, denn die
        über 500jährige Diskussion hat sich entwickelt; da fallen die knapp 2
        Wochen kaum auf. Wie hier dargestellt, gibt es kein Recht ohne
        Pflicht, weshalb das Grundeinkommen als Recht nicht "bedingungslos"
        sein kann. Mit keinem Wort habe ich gesagt, daß es deshalb trotzdem
        nicht geht; vielmehr hatte ich in der Diskussion versucht
        herauszustellen, was Bedingungen für das Grundeinkommen sind, daß es
        "bedingungslos" sein kann - und das ist in letzter Konsequenz die
        Freiwilligkeit zur Pflicht.

        Was mit dem "bedingungslos" gemeint ist: Daß die ganzen Repressalien
        zur Erlangung eines "Rechts auf Grundeinkommen" wegfallen; und den
        Begriff "Pflicht" verwechseln viele mit "Zwang". Daraus abzuleiten, es
        gäbe "Kein Recht auf Pflicht", nenne ich Dilletantenphilosophie. Was
        hier manche
        machen: Freiheit wird zum obersten Recht erklärt! Wozu brauchen wir dann
        einen Staat? Wozu brauchen wir dann Gesetze? Geld, wie jeglicher Tausch, wie
        jedes Handeln, ist ein "Recht auf Pflicht"...

        Unsere Regierung steht bei dem geforderten "bedingungslos" vor dem
        Problem, daß sie die Verantwortung für die Folgen übernehmen muß.
        Versetze Dich einfach mal in die Situation und frage Dich, ob Du jetzt
        und heute die Verantwortung für die Einführung eines "Bedingungslosen
        Grundeinkommens" übernehmen würdest. Erst wenn ein Großteil der
        Bevölkerung dazu bereit ist, gebe ich persönlich dem Grundeinkommen
        als bedingungslosen Anspruch eine Chance - aber wie mißt man das?
        Deswegen klär' ruhig weiter auf - aber bist Du Dir im klaren, worüber
        Du aufklärt? Dazu sind solche Diskussionen aus meiner Sicht wichtig...
        wer nicht will, muß ja nicht, hier herrscht Freiwilligkeit...

        Viele Grüße aus Kiew,

        Jörg (Drescher)
        Projekt Jovialismus





        ----- Original Message ----- From: "Edwin Merki"
        <edwin-merki at bluewin.ch>
        To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
        Sent: Sunday, September 26, 2010 10:24 AM
        Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...


        An Joerg Drescher,

        Besteht nicht die Gefahr, dass hier das bedingungslose Grundeinkommen
        zu stark zerredet wird?

        Im Grunde bedeutet das bGE ein Einkommen ohne irgendwelche Pflichten -
        also bitte ich alle nach Lösungen zu suchen und nicht warum es nicht
        gehen kann.

        Nach meiner Ansicht erfährt die Gesellschaft durch das bGE eine völlig
        neue Denkweise - das bedeutet auch, dass das Geld wieder zum
        Tauschmittel wird und ob ich nun Geld oder Ware tausche ist vollkommen
        unwichtig.

        Es werden weitere Einsichten erfolgen:
        1. Es kann mit Geld kein Geld mehr generiert werden, weil viel Geld
        nicht mehr interessant und kein Druckmittel mehr ist. 2. Der Grund und
        Boden gehört der Allgemeinheit und kann nicht mehr zur Ausbeutung der
        anderen benutzt werden.

        Oberste Priorität hat zur Zeit den Gedanken des bGE in der
        Gesellschaft zu verankern und zwar mit einfachen Argumenten - sonst
        wird die Idee für viele nicht mehr verständlich.

        Einen schönen Sonntag wünscht
        Edwin Merki




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