[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Martin Brucks m.brucks at emsltd.de
So Okt 3 08:57:39 CEST 2010


  Hallo Jörg,

"Diese Idee ist ungefähr so, wie die Aussage: /Im Kapitalismus beuten 
Menschen Menschen aus und im Kommunismus ist es genau umgekehrt./"

Ich nehme mal an, du wolltest meiner These mit diesem Satz 
widersprechen, er unterstützt aber nur das was ich gesagt habe, nämlich 
dass sich beide Systeme der gleichen Grundprinzipien bedienen.

Du wirst sicher schon gemerkt haben, dass ich weniger von der Seite des 
theoretischen Überbaus an die Angelegenheit heran gehe als mir vielmehr 
zu überlegen, wie tickt Mensch und was braucht er um erstens sich selbst 
"ausleben" zu können und zweitens dies nicht auf Kosten anderer tun zu 
wollen. Die größten Bedenken der BGE- Gegner und Skeptiker sind doch 
die, dass dieses "rundum-sorglos-Paket" dazu führen wird, dass 
notwendiges nicht mehr erledigt wird.

Die von dir gern benutzten Begriffe des Recht und der Pflicht und deren 
Kombination miteinander ist vor Allem in unserem Kulturkreis tief 
verwurzelt und gerade das Bestreben Recht und Pflicht bis ins Detail zu 
beschreiben (meint regeln) und dann auch für die Durchsetzung zu sorgen 
hat zu einer ungesunden Anwendung dieser eigentlich wichtigen Prinzipien 
geführt.
Daher rühren meiner Meinung nach auch die Kontroversen dieser Diskussion 
was ich schade finde denn über der Klärung von Begrifflichkeiten bleibt 
das eigentliche auf der Strecke.

Beim letzten Satz deiner Ausführung fehlt mir was, wenn ich das 
Grundeinkommen als "Recht" denke, wie soll das dann aussehen, kann man 
das auch essen?

Viele Grüße


Martin Brucks


Am 03.10.2010 07:04, schrieb Joerg Drescher:
> Hallo Martin, und wen's sonst noch interessiert,
> etwas zu Deiner These: Wenn Kapitalismus die Verliebtheit in die 
> Mehrung des Geldes beim Individuum bedeutet und Geld ein "Recht auf 
> Pflicht" ist (quid pro quo - dies für das; zweckorientierter: do ut 
> des - ich gebe, damit Du gibst), geht es beim Kapitalismus also um die 
> Anhäufung von "Rechten auf Pflichten". Rechte sind "Dürfen-Aussagen" 
> und beschreiben die Freiheit innerhalb eines Systems; Pflichten sind 
> "Sollen-Aussagen" und schränken die Freiheit innerhalb eines Systems 
> ein, weil man ja etwas "soll", was man vielleicht gar nicht "will". 
> Nun strebt jedes System eigentlich nach der größtmöglichen Freiheit, 
> weshalb die "Sollen-Aussagen" weniger beliebt sind (konnte man das in 
> dieser Diskussion schon feststellen?). Der Kommunismus dreht das Spiel 
> um, wie Du sagst - also eine "Pflicht auf Recht". Diese Idee ist 
> ungefähr so, wie die Aussage: /Im Kapitalismus beuten Menschen 
> Menschen aus und im Kommunismus ist es genau umgekehrt./
> Das war die Betrachtung von Seiten der "Natur des Rechts"; gehen wir 
> aber nun über zur "Natur des Menschens". Winfried Brugger (wurde in 
> dieser Diskussion schon genannt) meinte, daß der "Kalte Krieg" auch 
> ein Konflikt der unterschiedlichen Menschenbilder war, ohne diese 
> näher zu beschreiben. Also selbst denken: Der Mensch im 
> Nicht-Kommunismus wird als liberales Individuum gesehen (atomistische 
> Auffassung der Gesellschaft), wo der Einzelne einen Teil seiner 
> möglichen Handlungen nur zum Zweck unterläßt, um die Basis zu 
> erhalten, sein Ich ungestört entfalten zu können. Im Kommunismus wird 
> der Mensch als soziales Individuum gesehen (gesamtheitliche Auffassung 
> der Gesellschaft), wo der Einzelne seine möglichen Handlungen darauf 
> ausrichtet, um die Gemeinschaft zu erhalten. So gesehen ein 
> Spannungsverhältnis zwischen Egoismus und Altruismus. Das ganze findet 
> man auch bei Douglas McGregor und seiner Theorie X/Y, womit wir bei 
> der Motivation wären, die Du auch ansprichst.
> Ein Grundeinkommen in Form von Geld ändert da nicht viel... Werner 
> Rätz meinte mal, man solle das Grundeinkommen nichtmonetär denken... 
> Was liegt also näher, das Grundeinkommen mal als "Recht" zu denken, 
> wie es eigentlich viele fordern...
> Viele Grüße aus Kiew,
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
>
> ----- Original Message -----
> From: Martin Brucks
> To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Sent: Saturday, October 02, 2010 9:16 PM
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen 
> Nachrichtensammlung, Band 64, Eintrag 16
>
>
> Ich habe die Liste abonniert und lese seitdem mit, jetzt möchte ich 
> ebenfalls einen Beitrag zur Diskussion leisten.
>
>
> Gehen wir mal ein wenig rückwärts und überlegen uns, wie das denn war 
> als es kein Geld gab und kein/kaum Tauschhandel.
> Wer nicht jagt oder sammelt hat nichts zu essen. Daran hat sich nichts 
> geändert, außer dass es nicht mehr jedem bewusst ist und vielen 
> Nachkommen auch nicht mehr konsequent beigebracht wird.
> In sofern wohnt der Forderung nach einem Grundeinkommen, bedingungslos 
> oder nicht, ohnehin die Möglichkeit inne, diesen Zusammenhang 
> ignorieren zu können.
> Einige wenige kippen das Prinzip nicht, werden es mehr, ist es nicht 
> mehr zu halten, dann allerdings ist auch kein anderes System zu halten.
> Für mich gilt -- ich arbeite, also bin ich -- genauso aber auch, ich 
> bin, also arbeite ich.
> Im Beitrag von Manfred schreibt er von der Schulpflicht und das ist 
> für mich genau der Schlüssel.
> Bildung ist der Weg, auf dem Erkenntnisse aber auch Erfordernisse 
> tradiert werden -- immerschon.
> Und jetzt wage ich mal eine These: der Kapitalismus ist die 
> Verliebtheit in die Mehrung des Geldes beim Individuum, soweit 
> konsensfähig!?, der Kommunismus ist aber nur die Kehrseite der selben 
> Münze denn er bedient sich der selben Prinzipien, fordert aber eine 
> Umverteilung, weg vom Individuum hin zur Allgemeinheit. Das ist der 
> Motivationskiller schlechthin.
> Arbeit macht ja garnicht krank, sie kann sogar gesund machen, nur die 
> Bedingungen unter denen sie stattfindet entscheiden darüber wie sie 
> sich auswirkt.
> Ich kenne Leute, die tagelang von morgens bis abends Holz sägen und 
> hacken, damit sie die angenehme Wärme eines Kamins oder Kachelofens 
> genießen können und sie fühlen sich prächtig dabei.
> Und genau das ist das Entscheidende. Es gibt ein Motiv und das ist der 
> Antrieb.
> Das BGE versetzt den Einzelnen in die Lage entscheiden zu können, das 
> wird Auswirkungen haben, positive.
> Dem Wollen, Geld zu mehren wird das nicht entgegen wirken und solange 
> jeder Einzelne auch die Möglichkeit hat, über das BGE hinaus Wohlstand 
> zu erwirtschaften gibt es genügend Motivation, das auch zu wollen.
> Gegen reich werden habe ich persönlich wenig einzuwenden, wenn es auf 
> Kosten anderer geht schon und deshalb muss es nicht nur das BGE geben 
> sondern unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie das 
> Steuersystem müssen auf den Prüfstand.
-------------- nächster Teil --------------
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