[Debatte-Grundeinkommen] Warum das Grundeinkommen ungerechtist...

willi übelherr wube at gmx.net
Fr Dez 17 21:45:41 CET 2010


hallo,

eigentlich hatte ich die lust an der diskussion auf dieser liste verloren, 
weil die beiträge mit bis zu 4 tagen verspätet, und im einzelnen noch 
länger, verteilt werden. so ist ein flüssiger diskussionsverlauf nicht 
möglich. und dies alles nur einem kontrollwahn geschuldet, den wir 
eigentlich mit dem (B)GE massiv in frage stellen wollen.

aber das thema, auch wie es jörg initierte und es aufgegriffen wurde, drängt 
zur teilnahme.

über den zweck eines BGE herrscht weitestgehend übereintimmung. abgesehen 
von manchen spitzfindigkeiten, wie ich sie bei jörg erlebe. differenzen 
entstehen im bereich der monetären realisierung. und hier liegen wohl die 
massivsten unterschiede in den denkweisen vor. deshalb ist es völlig richtig 
von jörg, das system geld in die betrachtung einzubeziehen. dies wurde auch 
von verschiedenen autoren auch so angenommen.

betrachten wir das wesen einer gesellschaftlichen, arbeitsteiligen ökonomie. 
dann tritt das geld als universales tauschmittel in aktion, damit 
tätigkeiten direkt und indirekt, also materialisiert in gütern, ihren 
besitzer wechseln können. und damit ist auch die menge definiert, die 
notwendig ist. also soviel, daß alle ihren bedarf decken können.

auf dem grundsatz der gleichheit in recht und wertigkeit aller menschen, 
sofern wir uns auf die prämissen der französischen aufklärung und revolution 
beziehen, gilt dies für alle in etwa gleich.

das BGE stellt nun diesen minimalsatz grundsätzlich allen zur verfügung. 
damit sind alle lebensfähig und damit tätigkeitsfähig. weil letztlich hierin 
das potential liegt, den allgemeinen aufwand zu minimieren und die qualität 
zu maximieren.

zu dieser analyse kommen wir, wenn wir die konkreten überbaukonstruktionen 
beiseite schieben und uns nur mit den materiellen grundlagen unserer 
existenz beschäftigen.

jemehr wir die infrastrukturen als kooperative prozesse bewusst 
organisieren, hebt sich der bedarf einer übergeordneten instanz auf. und 
damit auch das leidige thema von abgaben in monetärer form, weil sie an 
bestimmte transferverhältnisse gebunden sind.

ich formuliere dies so prinzipiell, weil nur derart sich perspektiven 
eröffnen für alternative gesellschaftliche konstruktionen. in diesen thesen 
ist das geld selbst nicht wertbehaftet, und dies gilt auch in allgemeiner 
form für unsere aktuellen verhältnisse, sondern nur temporäres 
transportmittel, das im prinzip nach tauschvollzug wieder aufgelöst werden 
kann. z.b. wenn es beim ersten geber, und damit schuldner, wieder ankommt.

das wesentliche liegt darin, das dieses tauschmittel von jedem erzeugt 
werden kann. sei es direkt oder indirekt über eine gesellschaftliche 
verteilungsinstanz.

in dem text von jörg kommt nun eine ganz andere art der philosophischen 
verwirrung zum tragen, wenn er argumentiert, daß die begrenzung der 
verteilungsdichte zu verhinderung von missbrauch und verschwendung führt. 
entweder jörg, du hast dich mit der realität nie wirklich beschäftigt oder 
du ignorierst sie. die sowohl quantitativen wie qualitativen 
verschwendungsformen elitär organisierter gesellschaften, sowohl historisch 
wie aktuell, über alle bereiche von nahrungsmittelzerstörung bis 
kriegsführung, sind durch individuellen mehrverbrauch der bevölkerung an 
naturstoffen(wasser) und energie nicht im minimalsten erreichbar. dazu 
kommt, daß die natur grundsätzlich verschwenderisch und im überfluß 
operiert, sofern die bedingungen günstig sind.

ein anderer aspekt ist deine zuflucht im staatsapparat mit seinen 
repressiven methoden. du musst davon ausgehen, daß hier leser lesen, die 
jegliche staatsform als gewaltapparat der eliten betrachten, so wie ich. 
deswegen diskutiere ich hierbei immer auf der ebene menschlicher sozietäten, 
die weitestgehende subsistenz anstreben und autonom entscheiden, wie sie 
leben wollen. daß sollte unser ziel sein und nicht mittelalterlich anmutende 
bürokratische systeme installieren zu wollen. dabei ist es im kern egal, ob 
wir uns dabei auf die BRD oder DDR, auf die USA oder Sowjetunion beziehen. 
im kern funktionieren und funktionierten sie alle ähnlich.

mit grüßen, willi



Am 13.12.2010 18:46, schrieb Joerg Drescher:
> Hallo an alle, die geantwortet haben und alle, die es sonst interessiert,
>
> erstmal danke für die kontroversen Meinungen, die ich sehr interessant
> finde. Tatsächlich beinhaltete mein Beitrag zwei Punkte:
> 1.) Die Gerechtigkeitsfrage beim Grundeinkommen
> 2.) Die Frage, ob wir auch ohne Geld leben könnten
>
> Auf die erste Frage kann geantwortet werden, daß ein Grundeinkommen z.B.
> dann als ungerecht verstanden werden kann, wenn es einen bestimmten
> Freiheitszweck verfolgt, denn jeder wird "sein Grundeinkommen" für andere
> Freiheiten nutzen wollen/müssen. Das heißt, daß es ungerecht wird, wenn der
> eine frei über den Zweck "seines Grundeinkommens" entscheiden kann und der
> andere bei der "freien Verwendung" durch Notwendigkeiten eingeschränkt ist.
>
> Beabsichtigt man mit dem Grundeinkommen allerdings eine
> Teilhabegerechtigkeit, ist das Grundeinkommen gerecht. Man erhält das
> Grundeinkommen nicht für etwas, sondern weil man Teil von etwas (eines
> Gemeinwesens) ist. Das soll ja das Attribut "bedingungslos" beim
> Grundeinkommen ausdrücken (mir gefällt der Begriff "Staatsdividende"
> eigentlich besser, da damit eher der Teilhabeaspekt, als der "Bezahleffekt"
> ausgedrückt wird).
>
> Mir war allerdings der zweite Punkt viel wichtiger, denn viele Argumente
> für/gegen ein Grundeinkommen lassen sich auf eine solche Diskussion
> übertragen. Wer Lust hat, soll sich mal die Aussagen von Götz Werner unter
> folgendem Aspekt überlegen: Wozu ist in einer "Werner-Welt" eigentlich noch
> Geld notwendig? Gerade die Argumente von Götz Werner und sein "Menschenbild"
> werfen für mich immer wieder die Frage auf, wieso der Mann dann nicht gleich
> für die Abschaffung des Geldes plädiert. Vielleicht kann ihn das mal jemand
> bei Gelegenheit fragen.
>
> Nun auf gewisse Antworten im Einzelnen:
> @Peter (Voss)/Boris (Behnke)
> Ich hoffe, daß obige Aussage über die Gerechtigkeit beim Grundeinkommen
> geklärt ist, daß es (je nach Verständnis/Perspektive) gerecht oder ungerecht
> sein kann.
>
> @Henrik (Wittenberg)
> Ich bin ebenfalls der Meinung, daß das Grundeinkommen eine "erzieherische
> Funktion" hat, weshalb wohl manche auch von "emanzipatorischem BGE"
> sprechen. Mehr bei Florian...
>
> @Florian (Hoffmann)
> War ich jemals für's BGE aktiv? Soweit ich mich erinnere, ging es mir (wenn
> auch nicht immer ersichtlich) um die Frage, wie man den Inhalt des Amtseids
> (von Bundespräsident, -kanzler und -ministern) verstehen und auch praktisch
> umsetzen kann. Das BGE ist für mich ein interessanter Vorschlag, aber nur
> ein, wenn auch wichtiges Thema...
>
> Aber zu Deinem sonstigen Inhalt:
> Leider scheint Dir ein Denkfehler bei Deiner Argumentation unterlaufen zu
> sein, als Du meintest "Wer Geld hat und Hunger, kann sich etwas zu essen
> kaufen. Ein Problem taucht erst auf, wenn er kein Geld hat. Dann muss er
> hungern." Der Denkfehler: Es taucht auch ein Problem auf (wie mir über die
> Sowjetunion häufig berichtet wurde), wenn man zwar Geld hat, aber es nichts
> zu kaufen gibt.
>
> Die Frage, was Geld eigentlich ist, läßt sich lange diskutieren. Einerseits
> nennt man es "universelles Tauschmittel", andererseits hat es
> "Warencharakter" (z.B. bei Krediten), dann hat es noch einen
> "Beschränkungsfunktion" (wie viel man sich nehmen darf), wirkt auf viele
> "motivierend" und dann wieder "steuernd". All das würde wegfallen, wenn man
> das Geld verbietet (was man wohl unter Strafandrohung tun müßte, da Menschen
> erfinderisch sind und auf andere "Geldformen" kommen - Zigaretten nach dem
> 2.WK, Vodka nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion). Ich persönlich sehe die
> "Beschränkungsfunktion" des Geldes am sinnigsten: In der Ukraine gab es
> keine Wasser- und Stromzähler, was zu Verschwendung dieser Ressourcen
> führte. Seit die Leute für die KWh, bzw. den m³-H2O zahlen müssen, wirkt das
> Geld erzieherisch "selbstbeschränkend".
>
> @Manfred (Bartl)
> Da kann ich (mal wieder) nichts hinzufügen, weil wir offenbar auf einer
> Wellenlänge liegen ;-)
> Ich erlaube mir nur eine kleine Literaturempfehlung als Ergänzung (Seite
> 322ff.): http://tinyurl.com/37sb4zk
>
>
> Viele Grüße soweit aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
>
>
>
> ----- Original Message ----- To: "Debatte Grundeinkommen"
> <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Sent: Sunday, December 12, 2010
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Warum das Grundeinkommen ungerechtist...
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