[Debatte-Grundeinkommen] Warum das Grundeinkommen ungerecht ist...

Manfred Bartl sozial at gmail.com
So Dez 12 14:34:35 CET 2010


Lieber Jörg!

Du hast natürlich Recht, und so fordert etwa meine Wenigkeit sehr wohl
die Abschaffung des Geldes (und das schon viel, viel länger als ich
Sozialismus oder Grundeinkommen theoretisch untermauert fordere). Ich
muss immer lachen, wenn die Sparda-Bank Hessen mit dem Claim wirbt,
sie hätten dieselbe "Geldanschauung" wie ich als ihr Kunde. Das finde
ich sehr interessant, denn das wäre dann wohl die erste Bank, die das
Geld abschaffen möchte :-)

Das Fass aber, dass das Grundeinkommen ungerecht wäre, würde ich nicht
aufmachen!
Den Maßstab SO HOCH legen zu wollen, dass von heute auf morgen das
Utopia erreichen müsste, wo traumhaft absolute Gerechtigkeit
herrschte, ist keine sonderlich praktikable Messlatte ;-)

Es ist vielmehr so, dass das Grundeinkommen die Wirtschaftsordnung der
Sozialen Marktwirtschaft auf ein gerechteres Niveau anheben soll -
wobei mir bewusst ist, dass komparative Formen von Gerechtigkeit ein
Problem an sich darstellen. Das Grundeinkommen müsste also ein
historisch gültiges Maß der Gerechtigkeit darstellen.

Nach dem Grundeinkommen folgen irgendwann ganz sicher Sozialismus,
Kommunismus (und damit die Abschaffung des Geldes) und Anarchismus
(und damit jeder nicht ontologisch umfassend abgesicherte materielle
Austausch) nach. Aber das dauert wahrscheinlich sehr lange... Einzig
der Schritt von der Sozialen Marktwirtschaft direkt zum Sozialismus
ließe sich abkürzen, weil es vom Grundeinkommen zum Sozialismus kein
sonderlich großer Schritt ist.

Leider vernebeln Leute wie Götz Werner u.a. mit ihrer
Mehrwertsteuerfinanzierung die Sicht auf diesen abkürzbaren
historischen Prozess. Dabei bewundere ich Werners Werbung für das
Grundeinkommen wirklich, weil gerade er eigentlich vom Einzelnen aus -
und damit identisch wie ich - argumentiert, dass die Wirtschaft für
alle da ist und dass somit jeder Einzelne qua seiner Menschenwürde
daran teilhaben können muss. Schade, dass so viele auf diese (vor dem
kapitalistischen Hintergrund!) völlig absurde Finanzierungsmethode
reinfallen, bloß weil sie mathematisch-prinzipiell vorstellbar ist und
ihr eine vordergründig ökologisch nachhaltige Ressourcennutzung
angedichtet werden kann, obwohl es in der kapitalistischen
Warenwirtschaft auf Seiten des Konsums unmöglich ist, zwischen
Gebrauch und Verbrauch zu differenzieren :-(

Gruß
Manfred



2010/12/10 Joerg Drescher <iovialis at gmx.de>:
> Hallo zusammen,
>
> es wird immer wieder gerne behauptet, daß ein Grundeinkommen (gleiche
> monetäre Zahlung an den Einzelnen, unabhängig seiner Verhältnisse) gerecht
> sei. Dem möchte ich hiermit widersprechen. Dazu muß man sich gedanklich nur
> zwei Personen denken, die beide "einkommenslos" sind und heute Hartz-IV
> beziehen:
>
> Die erste Person wohnt bei ihren Eltern auf dem Land, ist 1,50m groß,
> schlank und kann kostenlos wohnen und muß aufgrund der Landwirtschaft ihrer
> Eltern sich nicht groß nahrungstechnisch versorgen und muss deshalb fast
> kein Geld für sonstiges ausgeben.
>
> Die zweite Person wohnt in der Stadt zur Miete, ist 2m groß, vollschlank und
> muß Miete zahlen, kann sich nicht selbst versorgen und muß aufgrund ihres
> Hungers relativ viel Geld ausgeben.
>
> Die Frage beim Grundeinkommen stellt sich: Wie viel ist (bei wem) genug?
>
> Was mich immer wieder wundert: Weshalb schafft man Geld eigentlich nicht
> ganz ab, wenn der Mensch doch "so gut" sein soll, um mit einem
> Grundeinkommen umgehen zu können? Wäre der Mensch nicht auch in der Lage,
> sich nur so viel (kostenlos) zu nehmen, wie er für notwendig hält? Warum
> fordern die Grundeinkommensbefürworter nicht gleich, das Geld
> ganz abzuschaffen, statt komplizierte Diskussionen über Finanzierungsfragen
> zu führen und sich über die Höhe zu streiten, die (wie am obigen Beispiel
> gezeigt) sowieso nie gerecht sein kann. Wo ist die Konsequenz der
> Bedingungslosigkeit? Gemeint ist, daß man mit Grundeinkommen immer noch nur
> Dinge nehmen darf, wenn man etwas (das "bedingungslos erhaltene Geld") dafür
> gibt. Wenn man dem Menschen zutraut, mit der durch ein Grundeinkommen
> erweiterten Freiheit umgehen zu können, weshalb soll er dann nicht auch mit
> der Freiheit ohne Geld umgehen können? Letztlich scheint mir, daß die
> Probleme "mit bedingungslosem Grundeinkommen" die gleichen wären, wie die
> Abschaffung des Geldes als solches. Wo liegt der Unterschied? Die
> Paradigmenwechsel liegen nicht alleinig in der Trennung von (Erwerbs)Arbeit
> und Auskommen, sondern auch in unserem Verständnis und Verhältnis zum Geld
> (und zum Recht und zur Gerechtigkeit und zu unseren Werten und zum Leben
> insgesamt).
>
> Viele Fragen mit einem großen Fragezeichen... Vielleicht löst sich das
> Problem demnächst auch ganz von selbst ;-)
>
> Auf eine spannende Diskussion freuend,
>
> viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
>




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