[Debatte-Grundeinkommen] Warum das Bedingungslose Grundeinkommen und Negative Einkommensteuer unfinanzierbar sind
Joerg Drescher
iovialis at gmx.de
Fr Dez 10 14:41:46 CET 2010
Hallo Peter,
Hallo Mitlesende,
muß man ein Buch schreiben und einen Professorentitel haben, um etwas beweisen/widerlegen zu können/dürfen? Aber lassen wir das mal dahingestellt...
Meines Kentnissstands nach war es der gleiche Prof. Pelzer, der folgende Aussage zu seinem Modell von sich gab (ob er das in seinem Buch wohl wiederholt hat?):
Unser Modell zeigt somit die prinzipielle Finanzierbarkeit eines BGE auf Basis des Status quo, es erlaubt aber keine genaue Prognose für die Zukunft nach seiner Einführung.
Eine andere Frage ist die Unsicherheit für die Zukunft nach Einführung des BGE, die auch dann bleibt, wenn noch so genaue Daten aus der Zeit vor dessen Einführung vorliegen. Denn die Einführung eines BGE wird die Basis der Berechnungen verändern und Einfluss haben sowohl auf die Verteilung der Einkommen als auch auf das Gehalts- und Preisniveau.
(Quelle: http://www.uni-ulm.de/uni/fak/zawiw/content/forschendes_lernen/gruppen/fl/buergergeld/buergergeld4.pdf)
Sofort einführbar und finanzierbar heißt leider nicht, daß es auch morgen noch funktionieren wird (keine Kausalität!). Noch weniger läßt sich aufgrund eines "ersten Schritts" sagen (und sei er noch so groß), ob man den Weg nach oben oder unten weitergehen will oder gar promt und auf immer und ewig stehen bleibt.
Was spricht eigentlich gegen ein Modell, das "selbstregulierend" entscheidet, wie es bei der Auszahlung wirkt? Schließlich war das beim sogenannten Urey-Effekt und der dadurch entstehenden Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre auch mal so... (vgl. http://tinyurl.com/Urey-Effekt und http://www.martin-neukamm.de/leben2.html).
Übrigens ist das TGM nicht die "erste Idee" für einen Schritt hin zu einem Grundeinkommen, wie es hier leicht mißverständlich proklamiert wird. Vielmehr gibt es seit 1980 einen 4-Stufenplan, wie man das Grundeinkommen einführen könnte/sollte. Leider ist in den seither vergangenen 30 Jahren nichts in diese Richtung passiert, außer, daß sich das grundsätzliche Problem weiter verstärkt hat. Daher frage ich mich manchmal, ob es nicht doch möglich wäre, die eine oder andere Stufe zu überspringen (vgl. Punkt 4 auf http://smi2le.org/cms/de/journal/economy/11-on-the-way-to-get-rich?start=1). Offensichtlich wird ja einiges dafür getan (bewußt oder unbewußt), daß der Euro, bzw. US-Dollar "abraucht", um dann auf den Ruinen etwas Neues entstehen zu lassen...
Viele Grüße aus Kiew,
Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus
----- Original Message -----
From: Peter Scharl
To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Cc: Patrick Urbanke
Sent: Tuesday, December 07, 2010 8:40 AM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Warum das Bedingungslose Grundeinkommen und Negative Einkommensteuer unfinanzierbar sind
Hallo Leute,
... und immer wieder Hinweis auf das TGM Transfergrenzenmodell von Prof. Pelzer, der dazu ein neues Buch geschrieben hat, siehe Anlage. Er weist nach, dass ein BGE SOFORT einführbar und finanzierbar wäre.
Meine Meinung ist bekannt. Eine Einstiegsstufe in´s BGE wird in etwa in der Höhe von HARTZ IV sein und HARTZ IV ersetzen oder es wird NIE kommen. Allein schon diese "Bedingungslosigkeit" mit Wegfall aller "geharzten" menschenunwürdigen Sanktionsmöglichkeiten wäre ein Riesen-Schritt. Nach dem Dilthey-Raster 2/c
"Prinzipiell es gibt 9 theoretisch mögliche BGE-Varianten:
Bei der Auszahlung:
1. Arbeitszwang auslösende BGE-Höhe
2. BGE als Sozialhilfe-Ersatz
3. Emanzipatorische BGE-Höhe
Bei der Finanzierung:
a. Umverteilung von Unten nach Oben
b. Horizontale Umverteilung
c. Umverteilung von Oben nach Unten"
Es stimmt, alle Phantastereien mit komplett anderen SteuerSystemen sind auf lange Sicht undurchführbar und verhindern einen Einstieg in ein BGE.
Nix füa unguat - auf Bayrisch
Peter Scharl - Allgäu
per Bcc auch an Prof. Pelzer
Am 5. Dezember 2010 16:56 schrieb Matthias Dilthey <info at psgd.info>:
Hallo Patrick, hallo Liste,
vielen Dank für die "Freigabe" Deines Papiers, das ich als Anhang beifüge.
Obwohl ich glühender Verfechter eines "emanzipatorischen BGE" bin, teile ich
Deine Meinung, dass ein BGE (in vernünftiger, sozial verträglicher Höhe) mit
den jetzigen steuerlichen Gegebenheiten schwerlich zu finanzieren ist.
In der gesamten BGE-Finanzierungs-Diskussion wird bisher völlig außer Acht
gelassen, dass es Steuern mit "wertschöpfendem Charakter" gibt, wozu z.B. die
"Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer" zählt (Vergl. Wöhe, Die Steuern des
Unternehmens, 5. Auflage 1983, S 258ff).
Moderner ausgedrückt wird der Wirkung nach durch die "Allphasen-Brutto-
Umsatzsteuer" einer Maschine/Roboter ein "virtueller Arbeitnehmer" an die
Seite gestellt, dessen "virtueller Lohn" (= die Steuer) maßgeblich zur
Finanzierung des BGE herangezogen wird.
Durch diesen "virtuellen Arbeitslohn" wird der fiskalischen Wirkung nach
Vollbeschäftigung simuliert. Vorausgesetzt, dieser "virtuelle Arbeitslohn"
erreicht (z.B. durch ein BGE) kaufkraft-schwache Schichten der Bevölkerung.
Letztendlich stellt die Finanzierung eines BGE, auch in emanzipatorischer Höhe
(1.200,-- bis 1.500,-- Euro/Monat), keine Probleme dar, falls die Finanzierung
NICHT überwiegend durch Lohn-/Einkommenbesteuerung, sondern durch eine
Besteuerung der Wertschöpfung (= Besteuerung der Produkte) erfolgt.
Ergänzend sollte noch über eine BGE-Teil-Finanzierung durch eine Kapital-
Transaktionssteuer nachgedacht werden.
Anzumerken ist noch, dass die heutige MwSt. KEINEN wertschöpfenden Charakter
in dem hier gebrauchten Sinn beinhaltet, weshalb auch Götz Werner eine Absage
zu erteilen ist.
In den mittlerweilen etwas über 10 Jahren, in denen ich mich intensiv mit dem
BGE beschäftige, geht (und ging) es mir weniger um das BGE an sich; vielmehr
geht es mir um die Suche nach einem "Werkzeug", mit dessen Hilfe die heutige,
überaus hohe wirtschaftliche Produktivität zur Emanzipation der Menschen
genutzt werden kann.
Ein Teilaspekt dabei besteht m.E. in der weitgehenden Entkopplung von
Auskommen und Erwerbsarbeit, welche uns die heute bereits realisierbare
Robotisierung ermöglichen würde; ein emanzipatorisches BGE zur Auskommen-
Sicherung der Menschen vorausgesetzt.
Weiterführende Infos:
http://www.bge-portal.de/Download-document/4-Dilthey-Modell.html
Prinzipiell es gibt 9 theoretisch mögliche BGE-Varianten:
Bei der Auszahlung:
1. Arbeitszwang auslösende BGE-Höhe
2. BGE als Sozialhilfe-Ersatz
3. Emanzipatorische BGE-Höhe
Bei der Finanzierung:
a. Umverteilung von Unten nach Oben
b. Horizontale Umverteilung
c. Umverteilung von Oben nach Unten
Die Auszahlungs- und Finanzierungs-Möglichkeiten lassen sich (theoretisch)
frei kombinieren, so dass sich 9 prinzipielle BGE-Modelle ergeben. Alle
anderen BGE-Modelle sind lediglich "Mischformen".
So wäre z.B. Werner als "3/a" einzustufen, Althaus als "1/b", Dilthey als
"3/c".
Vielen Dank nochmal an Patrick Urbanke für die Ausarbeitung und Freigabe
seiner Thesen!
Herzliche Grüße
Matthias Dilthey
Platenstraße 21
91054 Erlangen
Tel.: 09131/29889
Am Sonntag, 5. Dezember 2010, 10:54:21 schrieben Sie:
> Hallo Matthias,
>
> aber klar, gerne kannst du das Papier verwenden.
>
> Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass ich gerade dabei bin,
> Feedback zu sammeln und sicherlich am nächsten oder übernächsten
> Wochenende eine neue Variante zu schreiben. Bisher war die Kritik in
> erster Linie, dass es nur das Thema Finanzierung behandelt und die
> weitere Debatte außer Acht lässt. (Das wurde in erster Linie von anderen
> Gegnern geäußert.)
>
> Deswegen plane ich, dazu noch etwas zu schreiben. Außerdem werde ich
> vermutlich mal einige konkrete Modelle durchrechnen, wie z.B. das
> "partielle Grundeinkommen".
>
> Wenn es dir allerdings lediglich um das Thema Finanzierung geht, kannst
> du auch gerne die derzeitige Variante verwenden.
>
> Viele Grüße,
> Patrick
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