[Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Grundeinkommen_und_Konsumsteuer, Widerspruch_in_sich?
BGE
bge at maxi-dsl.de
Mo Dez 14 03:56:45 CET 2009
Hallo Kai,
zum einen hast Du völlig außer Acht gelassen, dass eine Besteuerung einer
nachhaltigen Substanz bedarf.
Zum anderen sollte einmal die Frage geklärt werden, was Wertschöpfung
eigentlich ist und wie Wertschöpfung entsteht.
Verteilen kann man auf Dauer nur das, was auch erwirtschaftet/wertgeschöpft
wurde. Und kann man Wertgeschöpftes vernichten?
Nehmen wir als Beispiel die Kartoffel:
Die Kartoffel wächst auf Grund von Mutterboden, Wasser und Sonne. Verbleibt
sie in der Erde, wurde kein "Wert geschöpft". Also hat der Grundbesitzer auch
keinen Ertrag und kann folglich längerfristig auch keine Substanz-Steuer
zahlen. Es sei denn, man möchte völlig unnötiger Weise den Grundbesitzer
enteignen (= Kommunismus).
Entnimmt der Grundbesitzer die Kartoffeln (erntet), hat er noch immer
keinerlei Wertschöpfung betrieben.
Lässt er die Kartoffeln durch Ernte**Arbeit**er ernten, hat er zwar seine
Substanz geschmälert, denn er muss den Arbeitern Lohn zahlen, aber er hat noch
immer keine Wertschöpfung betrieben.
Lässt er die Kartoffeln durch eine solar (oder mit selbst erzeugtem Bio-
Kraftstoff) betriebene Erntemaschine aus dem Boden buddeln, hat er auch noch
keine Wertschöpfung betrieben. Denn die Kartoffeln verfaulen, wenn sie nicht
rechtzeitig verbraucht werden.
Verkauft der Bauer (= Grundbesitzer) nun die geernteten Kartoffeln an den
Großhändler, betreibt er Wertschöpfung. Und genau ab diesem Punkt kann eine
nachhaltig ausgelegte und gerechte Besteuerung greifen.
Man besteuert den Verkauf an den Großhändler, denn für den Bauern ist der
Wertschöpfungs-Prozess abgeschlossen. Der Bauer kann auf Grund des Verkaufs
und der damit vollzogenen Wertschöpfung nachhaltig, d.h. jedes Jahr bei
eingebrachter Ernte und Verkauf des Ernteguts, leisten.
(Für die Marxisten unter uns:) Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ernte von
Menschenhand oder durch die Maschine eingebracht wurde; geerntete Kartoffel
ist geerntete Kartoffel.
Die stichhaltige Begründung, warum die Besteuerung **genau** an diesem Punkt,
nämlich dem Verkauf, ansetzt: Die Produktion erfolgt auf Grund von Leistungen
aus dem Allgemein-Gut. Erde, Sonne Luft und Wasser gehören allen Menschen auf
der Erde. Der Bauer hat, auch mit einem nach heutigen Recht gültigen
Kaufvertrag, lediglich ein Nutzungsrecht erworben, das es allen Menschen
gegenüber abzugelten gilt.
Wer ein Eigentumsrecht an Erde, Sonne, Luft und Wasser zu haben glaubt, soll
bitte erläutern, woher er das Recht nimmt. Ein solchermaßen behauptetes Recht
ist sicherlich auf (Waffen-)Gewalt aus früheren Zeiten zurückzuführen und
entweder heute nicht mehr gültig (nach heutigen Maßstäben zu unrecht
erworbener Besitz) oder er soll es mit Waffengewalt verteidigen können müssen.
Dann gilt eben das Recht "des Stärkeren". Was nicht vertretbar ist, ist eine
unberechtigte "In-Eigentum-Nahme", die nachträglich per Gesetz legitimiert
wird. (Das geht auch aus unserer heutigen Rechtssprechung hervor, die
lediglich den Begriff "In-Besitz-Nahme" kennt. Während Eigentum nicht
verjähren kann, kann Besitz jedoch schon verjähren.)
Somit ist eine Besteuerung/Abgabe-Belegung der verkauften Kartoffeln
(verkaufte Kartoffeln=Wertschöpfung) legitim. Zumindest in soweit, wie diese
Steuern/Abgaben den Menschen in der Region (die auch ein Staat oder alle
Menschen dieser Erde sein kann) zurückverteilt werden.
Eine Besteuerung des Lohns der beteiligten (Ernte-)Arbeiter ist zu diesem
Zeitpunkt in keiner Weise zu rechtfertigen, weil die Wertschöpfung (sowohl
monetär, als auch real) erst mit dem Verkauf oder Verzehr der Kartoffeln
beginnen bzw. enden kann. Die Arbeit der Erntearbeiter ist dem Verkauf jedoch
vorgelagert und ist wertschöpfungslos, wenn die Kartoffeln nicht verkauft
werden, sondern vergammeln.
Soweit besteht Übereinstimmung zwischen Götz Werner und dem Dilthey-Modell.
Und den Transfergrenzen-Modellen (wie z.B. Althaus) ist die Berechtigung zur
Steuererhebung auf Arbeitslohn zu dem Wertschöpfungs-Zeitpunkt "Erntearbeit"
genommen.
Nun befinden sich die Kartoffeln beim Großhändler und werden dort (maschinell
oder durch Menschen) nach Größe und Güte sortiert, und in jeweilige
Packungsgrößen zusammengestellt.
Findet beim Großhändler überhaupt eine Wertschöpfung statt?
Ich denke schon, denn die Sortierung der Kartoffeln macht Sinn. Festkochend,
Mehlig, Groß, Klein vermeidet Ausschuss in der Weiterverarbeitung. Sodann
organisiert der Großhandel die Verteilung zu den Menschen.
Doch wann erfolgt die Wertschöpfung beim Großhandel?
Bestimmt nicht in dem Augenblick, in dem Mensch oder Maschine sortiert,
sondern erst, wenn die Säcke oder Säckchen an den Einzelhandel verkauft und
von diesem bezahlt sind.
Schon wieder keine Legitimation, Steuern nach dem Transfergrenzen-Modell
(Lohnsteuer) zu erheben, weil der Zeitpunkt der Wertschöpfung voraus gelagert
ist. Und weil die Kartoffeln noch immer verderben können, wenn es dem
Großhändler nicht gelingt, die Ware rechtzeitig zu verkaufen.
Jetzt beginnen aber auch die Differenzen zwischen Götz Werner und dem Dilthey-
Modell. Wenn nämlich die Kartoffeln beim Großhändler unter gehen (verderben),
sagt Götz Werner, dass überhaupt keine Wertschöpfung stattgefunden hat und
entbindet Großhändler und Bauer von einer Steuerabgabe (durch den
Vorsteuerabzug beim Großhändler).
Dilthey sagt, der Großhändler hat "wertgeschöpfte Ware" erhalten. Warum soll
den Menschen die Wertschöpfung des Bauern vorenthalten bleiben (also zur BGE-
Finanzierung beitragen), nur weil der Großhändler zu unfähig war, die
Wertschöpfung des Bauern weiter zu tragen?
Ähnliches trifft auf die Verschwendung von z.B. Energieträgern (Erdöl) zu.
Nach Götz Werner werden alle Produkte über den Vorsteuer-Abzug vom
Leistungsbeitrag zum BGE befreit, bis sie vom Endverbraucher im Land
buchungstechnisch bezahlt werden. Egal, ob sie durch Unfähigkeit, Verderb,
Diebstahl, Korruption oder Export nicht im Land vom Endverbraucher bezahlt
werden, fällt kein Beitrag zum BGE an.
Sorry wegen der Länge des Beitrags ...
Matthias Dilthey
Platenstraße 21
91054 Erlangen
Tel.: 09131/29889
Am Sonntag, 13. Dezember 2009 18:02:39 schrieb Kai.Ruesen:
> Wir haben eine Mischung aus Ertrag-, Substanz-, Verbrauch- und
> Verkehrsteuer. Und bei dieser Mischung sollte es auch bleiben.
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