[Debatte-Grundeinkommen] Kompetenz zur Freiheit

Christine Ax ax at fhochx.de
So Dez 6 09:59:29 CET 2009


Die Freiheit zur Kompetenz ist mehr als Gedankenkonstrukt. Frei machen
nur Kompetenzen die Menschen ganz praktisch befähigen, ihre Freiheit zu
leben. Es geht als auch darum, dass Menschen über die
praktischen/beruflichen Fähigkeiten verfügen, die sie frei machen, das
zu leben, was sie sind und was sie brauchen. Ein philosophischer
Freiheitsbegriff und Geld alleine reichen nicht für ein gutes Leben, das
findet nicht im Kopf statt sondern in der echten, lebendigen Welt. Im
Austausch mit der Natur. Im Austausch zwischen Menschen. Mein Vorschlag
"Die Könnensgesellschaft" plädiert für Arbeit unter den Bedingungen der
Freiheit UND der Kompetenz.. Es brauch also Menschen, die von klein auf
oder auch im Laufe des lebens befähigt werden, im Austausch mit anderen
Menschen ihre Freiheit und ihre Fähigkeiten/Kompetenzen zu leben. Ich
bin ein großer Anhänger von Hannah Arendt und ihrem Konstrukt des Homo
Faber. Der Homo Faber braucht neben seinen Fähigkeiten die
Rahmenbedingugnen sie zu leben.. das kann privateigentum sein oder auch
Gemeinschaftseigentum.. auf jeden Fall mehr als ein freier Will oder nur
geistige Kompetenzen .. die gute Nachricht daran ist: Das geht. Wo
beides zusammenkommt, können Menschen in Freiheit ihr Fähigkeiten und
Kompetenzen leben und weiter entwickeln. Das Grundeinkommen ist unter
solchen Bedingungen der Nährboden auf dem die Freiheit gelebt werden
kann. Aber ohne das Menschen Fähigkeiten leben und Entfalten können
macht es weder froh noch reich (ich rede nicht von Geld sondern von
"blühenden Menschen") 

Gruß!
Christine Ax
www.koennensgesellschaft.de 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de
[mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im
Auftrag von Joerg Drescher
Gesendet: Samstag, 5. Dezember 2009 14:50
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Cc: Agnes Schubert
Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Kompetenz zur Freiheit

Hallo zusammen,
Hallo Agnes,

Auf den Beitrag, in dem ich einige Kritikpunkte aus Gesprächen hier in
der 
Ukraine aufführte, antwortete AgneS in Bezug auf die "Kompetenz zur 
Freiheit", daß Freiheit keiner Kompetenz bedarf. In ihrer Argumentation
ging 
es nicht so sehr um die Definition der Kompetenz, sondern um den 
Freiheitsbegriff. Darauf möchte ich hier eingehen.

Manch einer versteht Freiheit als absolut grenzenlose
Handlungsmöglichkeit 
eines Individuums. Es bedürfe in diesem Fall nicht der "Kompetenz zur 
Freiheit", sondern einer "Freiheit zur Kompetenz". Im heutigen System 
beschränkt Geld offenbar diese Kompetenz, weshalb ein Grundeinkommen 
gefordert wird. Ein Beispiel zur Erklärung: Eine Person hat vor sich
einen 
Kuchen, den sie unter 12 (anwesenden) Personen verteilen soll. Wer an
die 
"Freiheit zur Kompetenz (zur Freiheit)" glaubt, muß hoffen, daß sich
jeder 
von den 12 Personen je ein Stück für sich nimmt und somit den anderen
etwas 
übrig läßt. Was aber, wenn sich eine Person zwei oder mehr Stücke
genehmigt? 
Hierbei kommt es auf den Informationsstand der nehmenden Person an, um
ihre 
Kompetenz unter Beweis zu stellen: Ist vielleicht noch mehr Kuchen da?
Weiß 
sie, ob der Kuchen für alle gedacht ist? Kennt sie die anderen Leute?
Muß 
sie für den Kuchen bezahlen?

Im Fall, daß sie für den Kuchen bezahlen muß, hängt das Nehmen des
Kuchens 
immer noch von der Kompetenz ab - allerdings unterscheidet sich die 
Kompetenz: in eine soziale und in eine monetäre. Bei der "sozialen 
Kompetenz" bezieht eine Person ihre Freiheit auf die anderen anwesenden 
Personen; bei der "monetären Kompetenz" spielt die zur Verfügung
stehende 
Geldmenge eine Rolle. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß sich beide 
Kompetenzen vermischen. Sie werden von der betreffenden Person
individuell 
(frei) gewichtet. Die Entscheidungsfreiheit der Person basiert
allerdings 
auf unterschiedlichen Kompetenzpräferenzen. Und ein Grundeinkommen
verändert 
die "Freiheit zur Kompetenz" in Richtung "monetäre Kompetenz".

Dabei haben wir es mit einen "soziologischen Problem" zu tun, mit dem
sich 
z.B. Ferdinand Tönnies beschäftigte. Es geht um die Beziehung der Leute 
untereinander und wie sich die Leute "gegenseitig ein Kuchenstück
gönnen" 
(bejahen). Tönnies spricht von drei Gemeinschaftsformen: Die 12 Personen

sind untereinander verwandt (Verwandtschaft), leben unmittelbar zusammen

(Nachbarschaft) oder sind befreundet (Freundschaft). Die Auswirkung auf
die 
"soziale Kompetenz" kann sich jeder selbst denken. Allerdings nennt
Tönnies 
auch eine Gesellschaftsform, die auf einer wesentlichen Getrenntheit der

Personen beruht (z.B. in einer Konditorei mit 12 Kunden, die in
keinerlei 
Beziehung zueinander stehen). Der Einfluß auf die "soziale Kompetenz"
ist 
ein anderer, als bei den Gemeinschaftsformen und bestimmt sich eher
durch 
eine "monetäre Kompetenz".

Das Beispiel sollte zum einen zeigen, daß es "Grenzen der Freiheit"
gibt, 
und zum anderen, daß diese "Freiheitsgrenzen" individuell von 
unterschiedlichen Kompetenzen abhängen. Wer "Freiheit zur Kompetenz"
allein 
durch ein Grundeinkommen fordert, sollte sich darüber im Klaren sein,
daß 
damit nur eine Kompetenzform (die "monetäre") gefördert wird. Solange
sich 
diese "Kompetenzfreiheit" auf relativ wenige Personen bezieht 
(Gemeinschaften), fällt das kaum ins Gewicht - aber es ist nicht
auszumalen, 
was passiert, wenn die (monetären) "Freiheitsgrenzen" einer ganzen 
Gesellschaft plötzlich aufgeweicht werden (Monetärisierung aller 
Lebensbereiche).

Das Beispiel von AgneS mit dem Sklavenhalter zeigt, daß der
Sklavenhalter 
den Sklaven nur dann in die Freiheit entlassen kann, ohne ihn zu
verlieren, 
wenn der (befreite) Sklave die Kompetenz hat, mit seiner Freiheit
umzugehen. 
Damit ist z.B. gemeint, daß der Sklave die "Einsicht in die
Notwendigkeit" 
der (einstigen Sklaven)Arbeit hat. Will der Sklavenhalter also seine
Sklaven 
ohne Verlust in die Freiheit entlassen, muß er ihnen die Notwendigkeit
(zu 
arbeiten) klar machen.

Letztlich kann man die "Kompetenz zur Freiheit" auch als "Reife" des 
Menschen verstehen. Der Reifegrad ist allerdings nicht meßbar, weshalb
hier 
in der Ukraine ein Problem für das Grundeinkommen gesehen wird. Die 
Sklavenhalter scheuen sich davor, in die Kompetenz ihrer Sklaven zu 
investieren - und wer glaubt, ein Grundeinkommen wäre eine solche 
"Investition in die Kompetenz", sollte nach diesem Beitrag verstanden
haben, 
daß dabei die "Kompetenz zur Freiheit" nur in Form einer "monetären 
Kompetenz" profitiert - die "Freiheit zur sozialen Kompetenz" bleibt
jedem 
selbst überlassen.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus
http://www.iovialis.org


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