[Debatte-Grundeinkommen] Antwort auf Kritik am Grundeinkommen

Thomas Irmer / ID Concept irmer at id-concept24.de
Mi Dez 2 12:57:18 CET 2009


Hallo zusammen

Hier meine persönliche Stellungnahme zu den einzelnen Kritikpunkten von Jörg aus Kiew: 

.) Kompetenz zur Freiheit
Kompetenz wurde hierbei als individuelle (erlernte) 
Fähigkeit/Fertigkeiten/Motivation verstanden, um gewisse Probleme (in diesem 
Fall "Freiheit") verantwortungsvoll zu lösen, bzw. damit umzugehen. Das 
Grundeinkommen wurde ein Mehr ein (materieller) Freiheit zugesprochen, was 
allerdings nicht mit einem Mehr an Kompetenz einhergehen würde. Kurz gesagt: 
bedingungsloses Geld macht Menschen nicht kompetenter, um mit der 
einhergehenden Freiheit umzugehen.

Ich beobachte die ungeschriebenen Gesetze in unserem Land sehr genau. Der Mensch ist ein Herdentier- er tut, was die anderen tun, deshalb ist das wichtig:

Die ungeschriebenen Gesetze lauten z.Zt.: "Halts Maul und arbeite!" & "Du sollst Dich nicht auflehnen wider allen, die höher stehen als Du! (Denn sonst gibs auffe Fresse, denn wir kontrollieren alles- die Gewerkschaften, die Arbeitsgerichte etc. siehe Pfandbon...)" Natürlich gibt es noch viel mehr ungeschriebene Gesetze, aber es tut nicht not, sie alle auf zu zählen.

Diese ungeschriebenen Gesetze sind es, die dem Bürger seinen natürlichen Drang nach Freiheit unterbinden. Er ist resigniert "Die machen ja sowieso, was sie wollen" Und darum erstickt er selber seinen eigenen (natürlichen) Drang nach Freiheit. Stillhalten und weiter machen, solange es halt irgend geht. Bloss nicht aufmucken, sonst bin ich der nächste, der entlassen wird. Und das ist es, was Freiheit verhindert!!!

Wenn wir die Menschen finanziell unabhängig machen, wird Freiheit auf einmal "voll schick". Freiheit wird Mode. Und es wird "in" sich mit dem Sinn seines Lebens aus ein ander zu setzen. Und stumpf abhängen vor der Glotze, wird uncool werden, wenn alle anderen tolle Initiativen starten....

Die ungeschriebenen Gesteze werden sich komplett ändern! Humanismuss wird "in"!



.) Einkommensbesteuerung
Modelle, die Einkommen besteuern, führten zur Frage, weshalb jemand für 
andere arbeiten solle, die von dieser Arbeit profitieren, ohne selbst etwas 
dafür zu leisten (obwohl sie könnten). Der solidarische Gedanke, anderen im 
Notfall zu helfen, ist dabei ausgenommen (heutiges "Versicherungssystem"). 
In den Gesprächen spielte die "Unbekanntheit der Person" eine Rolle (man ist 
in seiner Familie "solidarer", als gegenüber "Fremden").

BGE-Modelle die Einkommenfinanziert sind rechnen sich eh nicht. Bei versuchen dies zu rechnen kommt man zu dem Schluß, dass man die Einkommen der "Reichen" derart extrem besteuern müsste, dass es einer Enteignung gleicht, um ein existenzsicherndes BGE auszahlen zu können und das ist politisch völlig undurchsetzbar. Außerdem ist die Einkommenssteuer sowieso volkswirtschaftlicher Unsinn. Was eher Sinn machen würde, wäre eine Maschinensteuer. Aber dafür ist es längst zu spät. Das hätte man vor 20 Jahren einführen müssen, als es diskutiert wurde.

Konzentrieren wir uns also auf das MwSt-finanzierten Modell des Häni/Schmidt-Films.



.) Klima und Ressourcen
Aufgrund des kommenden Weltklimagipfels wurde bemängelt, daß ein 
Grundeinkommen einen Wirtschaftsaufschwung mit sich bringen würde, da 
Menschen plötzlich über Mittel verfügten, um sich Waren/Dienstleistungen 
kaufen zu können, die sie sich sonst nicht leisten würden. Meinen 
Gesprächspartnern war klar, daß es eigentlich unmöglich ist, daß die ganze 
Welt auf dem (materiellen) Niveau von z.B. Deutschland leben kann - dazu 
reichen einerseits die Ressourcen nicht aus, andererseits (selbst wenn), 
würde es zu einer Umweltverschmutzung führen, die die Erde nicht verkraften 
könne.

Das stimmt. Ein BGE eingeführt, wie im Häni/Schmidt-Film würde eindeutig einen gewaltigen Konjunkturaufschwung mit sich bringen (incl. neue Arbeitsplätze in großen Mengen)!!! 

Und das ist etwas, was uns der Kapitalismus nicht mehr und nie wieder bieten können wird!!! 
(Tyssen/Krupps hat gerade Anfang dieser Woche 20 000 Arbeiter entlassen. Und das wird weitergehen- Tendenz steigend)

Aber das BGE würde auch gleichzeitig unzählige neue Umweltschutz-Iniativen ermöglichen. Z. B. kleine regionale Werkstätten, die Dir Dein Auto auf einen Drei-Liter-Motor umrüsten. Oder kleine regionale Sonnenenergie-Anlagen-Bauer-Firmen oder, oder, oder. Das würde sich garantiert zu unser aller Wohle einpendeln!!!



.) Staatliche Abhängigkeit
Die Erfahrungen mit der UdSSR lösten bei der Vorstellung eines 
Grundeinkommens die Ansicht aus, daß man wieder vom jeweiligen Staat 
abhängig sei. Vor allem bestand die Sorge, daß man ungern in die Hand beißen 
würde, die einen schließlich "füttert" und dadurch dem Staat 
Handlungsspielräume zur Totalitarität entstehen.

Nein. Es gibt dann endlich genug Menschen, die totalitären, undemokratischen Machenschaften hauptberuflich aus eigenem Engagement entgegentreten werden, so dass diese Gefahr gar nicht erst entstehen kann. Es würde sogar Menschen geben, die hauptberuflich mit Neo-Nazis diskutieren würden ;-)



.) Monetäre Abhängigkeit
In der Ukraine wird auch heute noch relativ viel Subsistenzwirtschaft 
betrieben. Bsp: Im Süden werden Melonen angebaut, die gegen Kartoffeln aus 
dem Norden getauscht werden - bei diesem Handel fließt kein Geld. Einerseits 
bedeutet dies, daß bei diesem Handel keine Steuereinnahmen entstehen, 
andererseits befürchtet man, daß solche Praktiken monetarisiert werden und 
Geld noch wichtiger wird, als es heute schon ist.

Nun die Situation in der Ukraine muss von den Menschen in der Ukraine gelöst oder gestaltet werden. Und ich sehe nicht ein, warum man Tauschgeschäfte durch wachsendes Einkommen gefährdet. Wenn die Leute tauschen wollen, können sie dies nach wie vor machen. Wenn nicht, dann eben nicht.






Und zu Deinen letzten beiden "Argumenten" unten muss ich sagen: Das ist ja wohl nicht Dein ernst! 
Warum sollte man sonne Scheiße gut heißen, verteidigen oder erhalten wollen? 
Schämst Du Dich gar nicht so etwas hier zu verbreiten? Is ja peinlich! Und das von einem gebildeten Menschen? Weia!

.) Korruption
Korruption ist in der Ukraine "instutionalisiert". Soll heißen: um Polizist 
zu werden, der an der Straße Autos anhalten kann, damit er eine bestimmte 
Summe kassiert, muß man einerseits Geld für die Ausbildung bezahlen 
(schwarz, damit man den Ausbildungsplatz überhaupt bekommt) und andererseits 
gibt der Straßenpolizist der Rangfolge nach oben Geld ab. Die Einnahmen aus 
Korruption kann man dabei als bequemes "leistungsloses Zusatzeinkommen" 
bezeichnen. Warum sollte sich diese Praxis durch ein Grundeinkommen ändern?

.) "Mafiöse Strukturen"
Zuhälter und andere "Akteure" im kriminellen Milieu dürften nicht gerade 
begeistert von der Idee sein, da sich ihr "Personal" nicht so einfach durch 
die Abhängigkeit von Geld gezwungen fühlt, das zu tun, was man von ihnen 
verlangt.

Über Meinungen zu diesen Themen, die durchaus auch für Deutschland relevant 
sind, freue ich mich.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus
http://www.iovialis.org



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