[Debatte-Grundeinkommen] "bedingungslos" Re: Durchbruch in Frankreich

rblaschke at aol.com rblaschke at aol.com
Di Sep 2 15:58:49 CEST 2008


Liebe Agnes, deine Folgerungen sind falsch:

1. Kann jede/r das BGE ablehnen, wenn er sich nicht drüber freuen kann  
- technisch einfach, in dem er die auszahlende Stelle vom Verzicht 
wideruflich in Kenntnis setzt oder praktisch das BGE per Knopfdruck auf 
ein anderes Konto weiterleitet - z. B. auf das Konto einer NGO gegen 
ökolog. Zerstörung.
Festzuhalten wäre: Ein Grundrecht auf ... impliziert nicht die Pflicht 
auf ...
2. Damit ist auch 2. falsche Annahme besprochen: Das unbedingte 
Grundrecht auf Existenz und Teilhabe impliziert nicht die Pflicht auf 
Existenz und Teilhabe: gesprochen wird über eine Existenzsicherung und 
Teilhabeermöglichung - wie und ob Du an der Gesellschaft teilhaben 
willst, ist dein Ding.
3. Das unbedingte Grundrecht auf Existenz und Teilhabe negiert jegliche 
Voraussetzung (als dieses Recht  selbst) erstens dieses Recht in 
Anspruch zu nehmen und zweitens diese Recht zu realisieren. Niedrige 
Transfers wie Hartz IV oder ähnlich niedrige GEs holen über die 
Nichtrealisierung dieses Grundrechts den Arbeitszwang oder andere 
Zwänge durch die Hintertür wieder herein und hebeln die 
Bedingungslosigkeit aus. Weiteres dazu habe ich vor Jahren 
veröffentlicht - Arbeitszwang, verschiedene Bestimmungen ... siehe 
archiv-grundeinkommen.de ...
Ganz pragmatisch zu 3. noch gesagt. Die ganzen schönen Erwartungen, die 
mit dem BGE verbunden werden, Recht nein zu sagen, selbstbestimmt zu 
leben usw. usf. werde
n durch einen niedrigen Transfer ins Reich der 
Phantasie verschoben, auch wenn weitere ergänzende 
bedürftigkeitsgeprüfte und bedingte Leistungen diesen niedrigen 
Transfer begleiten sollten. Auch wenn man so etwas als Übergangschritt 
diskutieren kann, wäre mein Einwand, dass sich mit einem solchen 
Übergangsschritt die Idee heftig blamieren könnte ...
Aber dies ist schon ein weiteres Fass ....
Herzlich, Ronald


-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: Agnes Schubert <Agne.s at gmx.de>
An: rblaschke at aol.com; Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Verschickt: Di., 2. Sept. 2008, 15:14
Thema: "bedingungslos" Re: [Debatte-Grundeinkommen] Durchbruch in 
Frankreich

Hallo Ronald, hallo Mitleser,

In der Analyse der 4 Punkte hast du durchaus recht, nur die Verwendung
der Begrifflichkeit "bedingungslos" ist von mir so einfach schwer zu
akzeptieren.
(da das Problem nicht neu ist, versuche ich - auch wenn es dem ein oder
anderen kleinlich erscheint - eine ausführlichere Debatte darüber)


Ich versuche es mal mittels einer Analogie zu verdeutlichen:

Satz: /"Ich will einem Kind ein Spielzeug schenken ohne Erwartung einer
wie auch immer gearteten Gegenleistung, mit der Absicht, dass das Kind
sich freut. "/

Unter welchen Bedingungen kann das stattfinden?

Sachliche Trivialbedingungen für diese Tat ist die schlichte physische
Möglichkeit der Übergabe:
1. Ich bin im Besitz des Spielzeuges
2. Das Kind ist in der physischen Lage e
s anzunehmen,
3. Es existiert eine zeitliche und zugleich örtliche Möglichkeit der
Prozedur "Schenken"

Zwei subjektive Bedingungen gehören noch dazu:
4. die willentliche Annahmebereitschaft vom Kind
5. meine willentliche Bereitschaft der Abgabe des Spielzeuges an das 
Kind

Punkt 4 wird in diesem Zusammenhang wohl auch als gegeben 
vorausgesetzt.
(Andernfalls ist es auch beim BGE eine unberücksichtigte Bedingung.)
Nun ist Punkt 5 aber gerade in obigem Satz immanent.
Deshalb beschreibt der Begriff der "Bedingungslosen Abgabe" des
Spielzeuges durch mich an das Kind doch genau  das  Vorhandensein 
meiner
willentlichen Bereitschaft - eben  unabhängig von Zusätzlichem, damit
also hier Nebensächlichem wie  z.B. (Gegen-)Leistungen des Kindes.

Du schreibst:
"Bedingungslosigkeit ist keine nur an das Arbeits- oder
Gegenleistungsthema gebundene Begrifflichkeit, sondern eine die
kennzeichnet, dass an den Bezug keinerlei Bedingungen wie 
Bedürftigkeit,
Arbeitsbereitschaft etc. ... und die Existenz/grundlegende Teilhabe an
keine Bedingungen geknüpft wird, z. B. durch eine aus Not heraus
erzwungene Erwerbsarbeit. "

Ich denke mal, dass du mit dem zweiten Teilsatz ("Existenz ...) nicht
bloß die physische Möglichkeit des Annehmens meintest - in meiner
Analogie Punkt 2 .

Du verlangst vielmehr gleichzeitig schon, dass das Wort "bedingungslos"
nur zutrifft, wenn auch der Zweck der ganzen Übung erfüllt werden kann.
Das würde in meiner Analogie
 bedeuten, das Spielzeug muss reichen, 
damit
das Kind sich freut.
Es wird aus meinem obigen Satz also:
/Ich will einem Kind so viel Spielzeug schenken ohne Erwartung einer 
wie
auch immer gearteten Gegenleistung bis dass das Kind sich freut. //

/Das ist möglicherweise gar nicht zu erfüllen. Ein hungerndes oder auch
ein bereits mit Spielzeug überschüttetes Kind wird daran eventuell 
keine
Freude haben.
Und dennoch kann doch die Bereitschaft des Schenkens als bedingungslos
beschrieben werden, auch wenn das eigentliche Ziel verfehlt wird, zumal
ja gerade das Ziel so eben nicht zu einer zusätzlichen Bedingung 
gemacht
wird.

Die "durch eine aus Not heraus erzwungene Erwerbsarbeit" ist ja auch 
gar
nicht etwa direkte Folge oder Verlangen eines bedingungslos gezahlten
aber nicht existenzsichernden Einkommens, wie es der Gesundheitszustand
(auch maßgeblich für die Existenz und Teilhabe) auch nicht ist. Die
weiterhin bestehende Not kann man dem sonst bedingungslos gezahlten
Einkommen doch nicht - als Bedingung zur Arbeit - anrechnen, nur weil 
es
mit ihm allein nicht zu einem Grundeinkommen reicht. Es ist doch dafür
gar nicht ursächlich. Einer kostenlosen Medizin zur Symptomlinderung
kann man doch auch nicht das kostenlos bestreiten, nur weil zusätzlich
ein kostenpflichtiges Schmerzmittel zur völligen Symptomfreiheit 
existiert.

Mein Vorschlag zur Kritik eines Einkommens bei nicht erreichter
Existenzsicherung bezogen auf BGE:

=0
AEine nicht erreichte Existenzsicherung widerspricht nicht der Vokabel
"bedingungslos", sondern eher jener des "Grundeinkommens" ("Grund" ist
ja hier in der Bedeutung "Basis" und nicht etwa "Ursache" gemeint)
Der Sockelbetrag, der allein die Existenz sichern soll, ist da eben
nicht erreicht.
Hingegen sieht es mit der abgefragten Arbeitsbereitschaft eben anders 
aus.

AgneS


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Liebe MitstreiterInnen,

man kann sich auch ganz einfach an die Definition des Grundeinkommens
halten, schon wird klar, dass das RSA keins ist, wie auch Hartz IV 
keins
ist:

1. Das RSA wird lediglich in Abhängigkeit einer aufgenommen oder
Anstrengung eine solche aufzunehmen gezahlt (wie jetzt die
Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hartz IV). Wenn das Zitat von 
Sarkozy
stimmt, ist sogar eine Verschärfung des Arbeitszwanges geplant. Es wird
also in Frankreich eine workfare-Variante ergeben. Erstes Kriterium des
Bedingungslosen nicht erfüllt.
2. Es wird nach der Überprüfung des Erwerbseinkommens gezahlt, denn es
soll mit diesem partiell verrechnet werden. Wenn diese Überprüfung 
nicht
von Fianzamt (in Form einer Negativsteuer/NES), sondern als
sozialadministrative erfolgt, ist zweites Kriterium der
Bedingungslosigkeit nicht erfüllt (man muss bedürftig sein, also ein
geringes Einkommen haben). Die NES prüft auch Einkommen und Vermögen,
allerdings im Rahmen der normalen Steuerabführung.
3. Nichts wird bezüglich RSA gesagt, ob es=2
0individuell garantiert ist,
oder vom Einkommen aller Mitglieder einer wie auch immer rechtlich
konstruierten Bedarfsgemeinschaft her berechnet wird. Wenn letzteres,
dann wäre drittes Kriterium der Bedingungslosigkeit nicht erfüllt, weil
es vom Einkommen anderer bedingt ist.
4. Ist die Höhe des Transfers nicht teilhabe- und existenzsichernd,
viertes Kriterium der Bedingungslosigkeit  nicht e
rfüllt, weil es eine Erwerbsarbeit zur Sicherung der Existenz und
grundlegenden Teilhabe bedingt.

Bedingungslosigkeit ist keine nur an das Arbeits- oder
Gegenleistungsthema gebundene Begrifflichkeit, sondern eine die
kennzeichnet, dass an den Bezug keinerlei Bedingungen wie 
Bedürftigkeit,
Arbeitsbereitschaft etc. (streng genommen, nur das Menschsein) und die
Existenz/grundlegende Teilhabe an keine Bedingungen geknüpft wird, z. 
B.
durch eine aus Not heraus erzwungene Erwerbsarbeit.

Ronald Blaschke



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