[Debatte-Grundeinkommen] "bedingungslos" Re: Durchbruch in Frankreich

Agnes Schubert Agne.s at gmx.de
Di Sep 2 15:14:18 CEST 2008


Hallo Ronald, hallo Mitleser,

In der Analyse der 4 Punkte hast du durchaus recht, nur die Verwendung 
der Begrifflichkeit "bedingungslos" ist von mir so einfach schwer zu 
akzeptieren.
(da das Problem nicht neu ist, versuche ich - auch wenn es dem ein oder 
anderen kleinlich erscheint - eine ausführlichere Debatte darüber)


Ich versuche es mal mittels einer Analogie zu verdeutlichen:

Satz: /"Ich will einem Kind ein Spielzeug schenken ohne Erwartung einer 
wie auch immer gearteten Gegenleistung, mit der Absicht, dass das Kind 
sich freut. "/

Unter welchen Bedingungen kann das stattfinden?

Sachliche Trivialbedingungen für diese Tat ist die schlichte physische 
Möglichkeit der Übergabe:
1. Ich bin im Besitz des Spielzeuges
2. Das Kind ist in der physischen Lage es anzunehmen,
3. Es existiert eine zeitliche und zugleich örtliche Möglichkeit der 
Prozedur "Schenken"

Zwei subjektive Bedingungen gehören noch dazu:
4. die willentliche Annahmebereitschaft vom Kind
5. meine willentliche Bereitschaft der Abgabe des Spielzeuges an das Kind

Punkt 4 wird in diesem Zusammenhang wohl auch als gegeben vorausgesetzt. 
(Andernfalls ist es auch beim BGE eine unberücksichtigte Bedingung.)
Nun ist Punkt 5 aber gerade in obigem Satz immanent.
Deshalb beschreibt der Begriff der "Bedingungslosen Abgabe" des 
Spielzeuges durch mich an das Kind doch genau  das  Vorhandensein meiner 
willentlichen Bereitschaft - eben  unabhängig von Zusätzlichem, damit 
also hier Nebensächlichem wie  z.B. (Gegen-)Leistungen des Kindes.

Du schreibst:
"Bedingungslosigkeit ist keine nur an das Arbeits- oder 
Gegenleistungsthema gebundene Begrifflichkeit, sondern eine die 
kennzeichnet, dass an den Bezug keinerlei Bedingungen wie Bedürftigkeit, 
Arbeitsbereitschaft etc. ... und die Existenz/grundlegende Teilhabe an 
keine Bedingungen geknüpft wird, z. B. durch eine aus Not heraus 
erzwungene Erwerbsarbeit. "

Ich denke mal, dass du mit dem zweiten Teilsatz ("Existenz ...) nicht 
bloß die physische Möglichkeit des Annehmens meintest - in meiner 
Analogie Punkt 2 .

Du verlangst vielmehr gleichzeitig schon, dass das Wort "bedingungslos" 
nur zutrifft, wenn auch der Zweck der ganzen Übung erfüllt werden kann.
Das würde in meiner Analogie bedeuten, das Spielzeug muss reichen, damit 
das Kind sich freut.
Es wird aus meinem obigen Satz also:
/Ich will einem Kind so viel Spielzeug schenken ohne Erwartung einer wie 
auch immer gearteten Gegenleistung bis dass das Kind sich freut. //

/Das ist möglicherweise gar nicht zu erfüllen. Ein hungerndes oder auch 
ein bereits mit Spielzeug überschüttetes Kind wird daran eventuell keine 
Freude haben.
Und dennoch kann doch die Bereitschaft des Schenkens als bedingungslos 
beschrieben werden, auch wenn das eigentliche Ziel verfehlt wird, zumal 
ja gerade das Ziel so eben nicht zu einer zusätzlichen Bedingung gemacht 
wird.

Die "durch eine aus Not heraus erzwungene Erwerbsarbeit" ist ja auch gar 
nicht etwa direkte Folge oder Verlangen eines bedingungslos gezahlten 
aber nicht existenzsichernden Einkommens, wie es der Gesundheitszustand 
(auch maßgeblich für die Existenz und Teilhabe) auch nicht ist. Die 
weiterhin bestehende Not kann man dem sonst bedingungslos gezahlten 
Einkommen doch nicht - als Bedingung zur Arbeit - anrechnen, nur weil es 
mit ihm allein nicht zu einem Grundeinkommen reicht. Es ist doch dafür 
gar nicht ursächlich. Einer kostenlosen Medizin zur Symptomlinderung 
kann man doch auch nicht das kostenlos bestreiten, nur weil zusätzlich 
ein kostenpflichtiges Schmerzmittel zur völligen Symptomfreiheit existiert.

Mein Vorschlag zur Kritik eines Einkommens bei nicht erreichter 
Existenzsicherung bezogen auf BGE:

Eine nicht erreichte Existenzsicherung widerspricht nicht der Vokabel 
"bedingungslos", sondern eher jener des "Grundeinkommens" ("Grund" ist 
ja hier in der Bedeutung "Basis" und nicht etwa "Ursache" gemeint)
Der Sockelbetrag, der allein die Existenz sichern soll, ist da eben 
nicht erreicht.
Hingegen sieht es mit der abgefragten Arbeitsbereitschaft eben anders aus.

AgneS


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Liebe MitstreiterInnen,

man kann sich auch ganz einfach an die Definition des Grundeinkommens 
halten, schon wird klar, dass das RSA keins ist, wie auch Hartz IV keins 
ist:

1. Das RSA wird lediglich in Abhängigkeit einer aufgenommen oder 
Anstrengung eine solche aufzunehmen gezahlt (wie jetzt die 
Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hartz IV). Wenn das Zitat von Sarkozy 
stimmt, ist sogar eine Verschärfung des Arbeitszwanges geplant. Es wird 
also in Frankreich eine workfare-Variante ergeben. Erstes Kriterium des 
Bedingungslosen nicht erfüllt.
2. Es wird nach der Überprüfung des Erwerbseinkommens gezahlt, denn es 
soll mit diesem partiell verrechnet werden. Wenn diese Überprüfung nicht 
von Fianzamt (in Form einer Negativsteuer/NES), sondern als 
sozialadministrative erfolgt, ist zweites Kriterium der 
Bedingungslosigkeit nicht erfüllt (man muss bedürftig sein, also ein 
geringes Einkommen haben). Die NES prüft auch Einkommen und Vermögen, 
allerdings im Rahmen der normalen Steuerabführung.
3. Nichts wird bezüglich RSA gesagt, ob es individuell garantiert ist, 
oder vom Einkommen aller Mitglieder einer wie auch immer rechtlich 
konstruierten Bedarfsgemeinschaft her berechnet wird. Wenn letzteres, 
dann wäre drittes Kriterium der Bedingungslosigkeit nicht erfüllt, weil 
es vom Einkommen anderer bedingt ist.
4. Ist die Höhe des Transfers nicht teilhabe- und existenzsichernd, 
viertes Kriterium der Bedingungslosigkeit  nicht e
rfüllt, weil es eine Erwerbsarbeit zur Sicherung der Existenz und 
grundlegenden Teilhabe bedingt.

Bedingungslosigkeit ist keine nur an das Arbeits- oder 
Gegenleistungsthema gebundene Begrifflichkeit, sondern eine die 
kennzeichnet, dass an den Bezug keinerlei Bedingungen wie Bedürftigkeit, 
Arbeitsbereitschaft etc. (streng genommen, nur das Menschsein) und die 
Existenz/grundlegende Teilhabe an keine Bedingungen geknüpft wird, z. B. 
durch eine aus Not heraus erzwungene Erwerbsarbeit.

Ronald Blaschke



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