[Debatte-Grundeinkommen] Durchbruch in Frankreich
rblaschke at aol.com
rblaschke at aol.com
Mo Sep 1 19:31:23 CEST 2008
Liebe MitstreiterInnen,
man kann sich auch ganz einfach an die Definition des Grundeinkommens
halten, schon wird klar, dass das RSA keins ist, wie auch Hartz IV
keins ist:
1. Das RSA wird lediglich in Abhängigkeit einer aufgenommen oder
Anstrengung eine solche aufzunehmen gezahlt (wie jetzt die
Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hartz IV). Wenn das Zitat von
Sarkozy stimmt, ist sogar eine Verschärfung des Arbeitszwanges geplant.
Es wird also in Frankreich eine workfare-Variante ergeben. Erstes
Kriterium des Bedingungslosen nicht erfüllt.
2. Es wird nach der Überprüfung des Erwerbseinkommens gezahlt, denn es
soll mit diesem partiell verrechnet werden. Wenn diese Überprüfung
nicht von Fianzamt (in Form einer Negativsteuer/NES), sondern als
sozialadministrative erfolgt, ist zweites Kriterium der
Bedingungslosigkeit nicht erfüllt (man muss bedürftig sein, also ein
geringes Einkommen haben). Die NES prüft auch Einkommen und Vermögen,
allerdings im Rahmen der normalen Steuerabführung.
3. Nichts wird bezüglich RSA gesagt, ob es individuell garantiert ist,
oder vom Einkommen aller Mitglieder einer wie auch immer rechtlich
konstruierten Bedarfsgemeinschaft her berechnet wird. Wenn letzteres,
dann wäre drittes Kriterium der Bedingungslosigkeit nicht erfüllt, weil
es vom Einkommen anderer bedingt ist.
4. Ist die Höhe des Transfers nicht teilhabe- und existenzsichernd,
viertes Kriterium der Bedingungslosigkeit nicht e
rfüllt, weil es eine
Erwerbsarbeit zur Sicherung der Existenz und grundlegenden Teilhabe
bedingt.
Bedingungslosigkeit ist keine nur an das Arbeits- oder
Gegenleistungsthema gebundene Begrifflichkeit, sondern eine die
kennzeichnet, dass an den Bezug keinerlei Bedingungen wie
Bedürftigkeit, Arbeitsbereitschaft etc. (streng genommen, nur das
Menschsein) und die Existenz/grundlegende Teilhabe an keine Bedingungen
geknüpft wird, z. B. durch eine aus Not heraus erzwungene
Erwerbsarbeit.
Ronald Blaschke
-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: Agnes Schubert <Agne.s at gmx.de>
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de; viktor.panic at gmx.de
Verschickt: Mo., 1. Sept. 2008, 10:25
Thema: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Durchbruch in Frankreich
Hallo Viktor, hallo Mitleser,
nun mal nicht zu früh gefreut.
"FRANKREICH FÜHRT " k"EIN GRUNDEINKOMMEN EIN!"
Hier im Beispiel RSA in Frankreich bestätigen sich eher all die
Bedenkenträger, die eine Einführung von etwas (mit dem Namen
"Grundeinkommen"), was nicht existenzsichernd und zugleich
bedingungslos
ist, eher als kontraproduktiv sehen. In diesem Fall haben sie recht,
denn die Bedingungslosigkeit des "Grundeinkommens" ist mehr als dahin.
Es soll ja auch nicht einfach an alle ausgezahlt werden. Ziel von RSA
ist nicht die Emanzipation der Menschen von der Erwerrbsarbeit, sondern
das genaue Gegenteil, mit dem Ziel der Kostensenkung.
Sarkozy in einem Interview mit Radio France Internationale (RFI):
/"Das=2
0ist ein ehrgeizige soziale Massnahme, die jedes Jahr zusätzlich
1,5 Milliarden Euro kosten wird. Das ist für die Nation eine grosse
Anstrengung. Aber ich möchte etwas sagen: Wenn wir am Ende 1,6
Millionen
Menschen vor der sozialen Ausgrenzung retten und ihnen wieder eine
Arbeit geben, dann wird die Nation Einsparungen machen. Was ich von den
Arbeitslosen einforderte, nämlich, wer zwei zumutbare Arbeiten
verweigert, erhält keine Arbeitslosenunterstützung mehr, das wird auch
für die RSA-Empfänger gelten. Es gibt kein zusätzliches Recht ohne
zusätzliche Pflicht. Das heute geltende Mindesteinkommen RMI erhält
man,
egal ob man sich anstrengt, sich weiterzubilden, eine Arbeit zu suchen
-
oder nicht. Das RSA bekommt man nur, wenn man sich anstrengt, eine
Arbeit zu finden."
/(http://www.rfi.fr/actude/articles/104/article_481.asp)
Das ist also genau das Gegenteil von "bedingungslos".
Und es wird genau nur zu der von den deutschen Linken befürchtetet
Lohnsenkung führen.
Ich habe auf die schnelle nur heraus bekommen, das RSA nicht wirklich
an
alle gezahlt werden soll. "... Einsteiger oder Rückkehrer in den
Arbeitsmarkt ... "(FAZ)
Es soll also wohl auch nur als eine Übergangshilfe aus der
Arbeitslosigkeit = (nur zeitweiliger?) Lohnzuschuss (und nur bei
Geringverdienst?) sein.
Da werden dann neue Arbeitsplätze entstehen, die den bisherigen bisher
höher bezahlten Jobs Konkurrenz machen, und jene Arbeitsplatzmacher zur
Entlassung und
Neueinstellung mit RSA-Ausnutzung oder eben zur Pleite
zwingen.
Der Lohnzuschuss soll 62% der Sozialhilfe ohne Arbeit sein. Also wird
sich der Niedriglohnsektor auf einem Niveau von vielleicht 39% der
Sozialhilfe ohne Arbeit einpendeln. Das macht dann genau 1% mehr dank
Arbeit. Ehrlich! - das kann man auch einfacher haben. Ich erinnere nur
an die 1€-Jobs.
Das "bedingungslos" ist wirklich entscheidend. Und an diesem Kriterium
kann man m.E. leicht den Grund für die Einführung sowie die zu
erwartende Wirkung eines Grundeinkommens erkennen - mehr noch als an
der
Höhe eines BGE = der Existenzsicherung.
AgneS
>
------------------------------------------------------------------------
> Hallo, alle!
> FRANKREICH FÜHRT EIN GRUNDEINKOMMEN EIN!
> Hingerissen war ich, als ich den folgenden Artikel in der heutigen
FAZ entdeckte.
> Der Mechanismus ist darin zwar nur ansatzweise erläutert, und das
geringe Finanzierugnsvolumen deutet darauf hin, dass diese neue
Sozialhilfe noch nicht unsere Kriterien erfüllt, doch ich bin sicher,
dass die positiven Beschäftigungseffekte deutlich überwiegen werden,
gegenüber dem Bisschen Steuererhöhung! Das wird der Grundeinkommensidee
zum Durchbruch verhelfen!
> Und wer es nicht weiß: SARKOZY IST EIN KONSERVATIVER!
>
> Kritik an Sarkozy
> Paris finanziert neue Sozialhilfe mit höheren Ertragssteuern
>
> Von Christian Schubert, Paris
>
> 28. August 2008 Frankreich wird im k
ommenden Jahr eine neue
Sozialhilfe einführen und erhöht dafür die Steuern auf Kapitalerträge.
Dies kündigte Präsident Nicolas Sarkozy im westfranzösischen
Departement Mayenne an. Die neue Sozialhilfe namens „Revenu de
solidarité active“ (RSA) soll die Empfänger zur Arbeitsaufnahme
ermutigen, indem von der RSA nur geringe Abstriche gemacht werden,
falls der Bezieher eine Arbeit aufnimmt. Die Mehrkosten von rund 1,5
Milliarden Euro sollen durch eine neue Steuer auf Zinseinkünfte,
Dividenden, Lebensversicherungen, Mieteinnahmen und Kapitalgewinne in
Höhe von 1,1 Prozent gedeckt werden.
>
> Für diese Maßnahme erhielt Sarkozy vor allem Beifall aus dem linken
Lager der französischen Politik. Dass die Wohlhabenden die Armen
finanzieren, sei völlig legitim, sagte der Vorsitzende der
sozialistischen Partei, François Hollande. Im bürgerlichen Lager wurde
Sarkozy dagegen teilweise scharf angegriffen. „Einfach die
Zwangsabgaben zu erhöhen, ist eine Manie französischer Regierungen, die
niemals Ergebnisse gebracht hat“, sagte die Arbeitgeberpräsidentin
Laurence Parisot. Sie befürwortet zwar die neue Sozialhilfe RSA,
fordert aber Einsparungen im Staatshaushalt für ihre Finanzierung. Auch
Abgeordnete der Regierungspartei UMP äußerten sich kritisch. Sie sehen
in der Maßnahme eine Abkehr von der Politik Sarkozys, die vor allem mit
Steuersenkungen Frankreich für Leistungsträger att
raktiver und
wettbewerbsfähiger machen sollte. „Die Methode Sarkozy - ein Problem,
eine Steuer“, titelte die Wirtschaftszeitung „La Tribune“. „Wenn man
die Arbeit zu st
> ark besteuert, dann verlagert sie sich ins Ausland. Wenn man das
Kapital zu stark besteuert, dann flieht es“, hatte Sarkozy vor genau
einem Jahr vor dem Arbeitgeberverband gesagt. In diesem Jahr blieb er
dessen Sommeruniversität fern.
>
> [Zwangsabgaben auf Ersparnisse steigen auf über 30 Prozent]
>
> Vertreter der französischen Finanzwirtschaft weisen auf die schon
jetzt hohe Besteuerung der Ersparnisse hin. Auf Kapitalerträge müssen
Sozialabgaben in Höhe von 11 Prozent gezahlt werden, die nun auf 12,1
Prozent steigen. Zusätzlich ziehen die Banken eine Quellensteuer ab,
die in diesem Jahr von 16 auf 18 Prozent steigt. Nur wer einen
persönlichen Einkommensteuersatz darunter hat, entgeht der Steuer und
zahlt dafür Einkommensteuer. Zusammen steigen die Zwangsabgaben auf
Ersparnisse also auf 30,1 Prozent und überschreiten damit eine
schädliche „psychologische Schwelle“, kritisiert Pierre Bollon, der
Direktor des Verbandes der Vermögensverwaltung (AFG).
>
> Die französische Regierung hat seit dem Antritt Sarkozys zwar
Steuersenkungen von 7,7 Milliarden Euro, vor allem auf Arbeitseinkommen
und Erbschaften, beschlossen, im Gegenzug aber zahlreiche kleinere
Erhöhungen durchgesetzt, deren Summe bedeutsam=2
0ist. So werden im
nächsten Jahr die Rentenbeiträge um 0,3 Prozentpunkte steigen,
verschiedene Steuernischen werden gedeckelt, und auf Unternehmen wie
Gesundheitsversicherer und Mobilfunkanbieter kommen neue Abgaben hinzu,
um die Löcher im defizitären französischen Haushalt zu stopfen. „Ich
sehe keine Kohärenz bei der Einnahmepolitik“, bemängelte Gilles Carrez,
UMP-Berichterstatter im Finanzausschuss der Nationalversammlung.
>
> Durch die Reform der Sozialhilfe werden Einsteiger oder Rückkehrer in
den Arbeitsmarkt zuzüglich zum Arbeitslohn die Sozialhilfe RSA
bekommen, die nur um 38 Prozent der Lohnhöhe verringert wird im
Unterschied zu 100 Prozent Abzug bei der alten Sozialhilfe. Mit der
alten Sozialhilferegelung haben sie bei Antritt einer Stelle oft mehr
verloren als hinzugewonnen und waren daher an einer Rückkehr in den
Arbeitsmarkt wenig interessiert.
>
> Text: F.A.Z.
>
>
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