[Debatte-Grundeinkommen] [rtga] Anregung für eine globale Kampagne

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Fr Okt 31 13:31:15 CET 2008


Hallo Viktor,

Du schreibst: "Ich befürworte ein Grundeinkommen, weil Arbeit sich lohnen 
muss! Jede Arbeit, die einen Wert hat!"

Hier möchte ich fragen, wer denn definiert, welche Arbeit (welchen?) Wert 
hat. Heute tut das der Markt. Aber was ist z.B. mit van Gogh oder Karl 
Marx - hatten sie gearbeitet und hatte ihre Arbeit (für wen und in welcher 
Zeit?) einen Wert?

Ist es nicht so, daß jeder Mensch arbeitet - egal, was er tut? Schließlich 
"verarbeitet" jeder das, was er konsumiert (vor allem Nahrung), um daraus 
einen Nutzen zu ziehen. Wir haben es eher mit einem Wertekonflikt zu tun, 
der dazu führt, daß nicht jeder ein (Grund)Einkommen erhält, sondern 
Einkommen für Arbeit aufgrund der Definition des Nutzens (für andere). Man 
könnte meinen, daß der Utilitarismus falsch verstanden wurde. Der Wert eines 
Menschen wurde auf dessen Leistungsfähigkeit reduziert.

Du schreibst kurz vor Deiner "Befürwortung": "Dass Zwang zur Arbeitsaufnahme 
als Gegenleistung der Menschenwürde widerspricht, diese Meinung hat sich in 
unserem Rechtssystem leider noch nicht durchgesetzt!"

Nehmen wir einen einzelnen Menschen auf einer einsamen Insel, so ist dieser 
Mensch zur "Arbeitsaufnahme" gezwungen, um sich ein bisschen Menschenwürde 
(nämlich sein Überleben) zu sichern. Unser heutiges Rechtssystem hat 
keineswegs etwas "falsch" verstanden - vielmehr scheinen Menschen (die das 
Rechtssystem definieren und auslegen) nicht zu begreifen, daß der Mensch auf 
der einsamen Insel schon vorher Leben mußte, um "tätig" zu werden. Und der 
Spruch "Wer nicht arbeitet, hat kein Daseinsrecht" (im Kriegskommunismus ein 
Leitsatz) gilt in einer Welt, wo Arbeit willkürlich (vor allem durch den 
Markt als Nutzen) definiert wird (siehe oben).

Mir scheint, die Welt stellt sich die Frage, ob der "Homo Sapiens" ein 
evolutionärer Irrläufer ist, denn die kommende Klimakatastrophe könnte dazu 
führen (wenn wir nicht schleunigst handeln), daß diese Spezie ausstirbt - 
schließlich gingen die Dinosaurier auch einmal unter. Vielleicht wäre es für 
das Leben und die Welt sogar das Beste...

Eine globale Kampagne sollte sich die Frage nach dem "Sinn und Unsinn" der 
Koppeltung von Einkommen an Arbeit stellen und welchen Wert das Leben 
eigentlich hat. Das ist jedenfalls meine bescheidene Meinung zu dem Thema.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
http://www.iovialis.org





----- Original Message ----- 
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<andreas.exner at chello.at>; <k.reitter at gmx.net>; <mk at mphase.net>; 
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Cc: <runder-tisch-grundeinkommen-at at listi.jpberlin.de>; 
<andreas.exner at chello.at>; <markus.schallhas at khg.jku.at>; 
<gruenes_netzwerk_grundeinkommen at gruene-berlin.de>; 
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Friday, October 31, 2008 12:07 AM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] [rtga] Anregung für eine globale 
Kampagne


Hallo, alle!
Es nervt mich tierisch, dass ich so oft feststellen muss, dass viele, die 
sich für Grundeinkommens-Befürworter halten, den Unterschied zwischen 
Grundeinkommen und Grundsicherung nicht begriffen haben, möglicherweise weil 
es auch aus dem Statut des Netzwerks nicht klar hervorgeht:
Schon der Begriff "GRUNDeinkommen" weist darauf hin, dass zu dieser 
staatlichen Leistung ein eigenes Erwerbseinkommen hinzutritt, soweit 
gewünscht! (Deutlicher noch der englische Begriff "BASIC Income"!)
Dagegen bezeichnet man ein System, welches lediglich ein irgendwie 
definiertes Existenzminimum GARANTIERT, als Grundsicherung. Diese Definition 
führt zwar nicht zwingend dazu, erlaubt es jedoch, dass eigenes Einkommen 
voll auf die Grundsicherung angerechnet wird. So war die Situation praktisch 
vor Hartz IV, und die Reform hat dies nur geringfügig verbessert (während 
sie gleichzeitig maßlose Härten eingeführt hat), Alg-II ist daher als 
bedingte Grundsicherung zu betrachten. Leider muss man das, was viele 
unserer Mitstreiter sich vorstellen, als bedingungslose Grundsicherung 
bezeichnen! Doch wie gesagt, ein solches System hatten wir de facto, es hat 
versagt, indem es Arbeit entwertet hat, und es wird auch nicht 
funktionieren, wenn wir wieder dahin zurückkehren!
Die Argumentation, ein bedingungsloses Grundeinkommen sei aus der 
Menschenwürde ableitbar, ist falsch: Daraus lässt sich lediglich eine 
Grundsicherung ableiten (was aber natürlich ein Grundeinkommen auch nicht 
verbietet). Was die Bedingungslosigkeit angeht: Dass Zwang zur 
Arbeitsaufnahme als Gegenleistung der Menschenwürde widerspricht, diese 
Meinung hat sich in unserem Rechtssystem leider noch nicht durchgesetzt!

Ich befürworte ein Grundeinkommen, weil Arbeit sich lohnen muss! Jede 
Arbeit, die einen Wert hat!

Wieso in existenzsichernder Höhe? Aus logisch-ethischen Gründen:
Weil Menschen, für die es keine Arbeit gibt, menschenwürdig leben können 
müssen.
UND weil es ungerecht ist, einen Unterschied zu machen zwischen Menschen, 
für die es Arbeit gibt, und solchen, für die es keine gibt. Denn einen 
solchen Unterschied zu machen, hieße, die "Fähigkeit und Möglichkeit zur 
Arbeit" zu bestrafen. Denn dies führt zu der allgemein bekannten 
Ungerechtigkeit, dass Menschen, die Arbeit haben, finanziell solchen 
gleichgestellt sind, die keine haben. Doch ich weiß, dass es Leute gibt, die 
diesen Unterschied für gerechtfertigt halten, auch unter uns! Die der 
Meinung sind, Menschen, die unverschuldet arbeitslos sind, sollten 
finanziell so gestellt sein, als hätten sie Arbeit.
Doch dazu benötigt man eine Bewertungs-Maschinerie, eine 
Bedürftigkeits-Prüfung, und das führt letztlich zu Willkür!

Wieso bedingungslos?
Wenn es ein Grundeinkommen gibt, und wenn jemand mit diesem Betrag auskommt, 
ergibt es keinen Sinn, von ihm zu erwarten, dass er noch Geld hinzuverdient, 
welches er nicht benötigt!
Allerdings ist der Staat zur Finanzierung des Grundeinkommens darauf 
angewiesen, dass ausreichend Erwerbsarbeit geleistet wird, sprich, dass 
hinreichend Steuern eingenommen werden können. Daher dürfen das 
Grundeinkommen und der zu seiner Finanzierung nötige Steuersatz nicht zu 
hoch angesetzt sein.
Ich muss das leider hier explizit darlegen, damit es JEDER versteht: Ein zu 
hohes Grundeinkommen bringt das System gleich doppelt zu Fall:
Je höher das Grundeinkommen, desto größer die Ausgaben dafür.
Je höher das Grundeinkommen, desto weniger Menschen werden Arbeitslohn 
brauchen, also um so weniger (Steuer-)Einnahmen.
Und wenn man dazu die Steuer erhöht, wird dies Erwerbsarbeit noch 
unattraktiver machen.

-- 
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