[Debatte-Grundeinkommen] Voraussetzungen für ein BGE

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Nov 6 19:10:22 CET 2008


Hallo Michael,

scheinbar gehst Du von der Tatsache aus, daß Geld keinen Wert hat. Dem 
möchte ich widersprechen und folgendermaßen argumentieren:

Kaufe ich ein Brot für die Geldmenge 2 Euro, so hat das Brot 2 Euro wert - 
umgekehrt allerdings haben die 2 Euro ein Brot wert. Derjenige, der mir das 
Brot verkauft, geht davon aus, daß er jemanden anderen findet, dem die 2 
Euro wieder "etwas" wert sind. Geld funktioniert deshalb, weil es jedem 
"etwas" wert ist (komme ich nach Deutschland und will "etwas" für 1.000 
Hryna haben, klappt das nicht - in der Ukraine sehr wohl; das zum Thema 
"Regionalwährung").

Aber lassen wir das mit dem Geld einmal beiseite. Ich stimme Dir zu, daß man 
nur soviel verteilen kann, wie man hat. Entsprechend sind solche Modelle zum 
Scheitern verurteilt, die von einer festen BGE-Höhe ausgehen. Deshalb mag 
ich das Dilthey-Modell, weil dort die BGE-Höhe durch das Modell dynamisch 
ist.

Mir scheint allerdings, daß Dir eine Diskussion über Modelle zuwiderläuft 
und man die Idee eines BGEs im Grunde verstehen sollte. In diesem 
Zusammenhang möchte ich auf einen Artikel hinweisen, der das Problem 
beschreibt:
http://www.bge-portal.de/2008050334/Allgemein/Hintergruende/Wichtigkeit-der-Finanzierungsgrundlagen.html

Aber wie Werner Rätz inzwischen sagt, sollte man das BGE nichtmonetär 
denken. Damit trifft er den Nagel durchaus auf den Kopf, denn hierfür 
braucht man kein Modell, sondern muß sich überlegen, was man (jeder) zum 
Leben braucht. Wir sind alle so vom Geld geblendet, daß jeder meint, man 
brauche Geld zum Leben und fordert deshalb ein Grundeinkommen in einer 
bestimmten Höhe (bemessen in Geld). Ein (monetäres) BGE würde diese 
"Verblendung" nur noch (ver)stärken. Ist Geld überhaupt für ein BGE (zum 
Leben) notwendig? Doch nur dann, wenn es in einer gegeben Gesellschaft keine 
andere Möglichkeit mehr gibt, ohne Geld zu leben (siehe o.g. Artikel).

Wie der Hanf so in der Ukraine steht, kann ich Dir leider nicht 
beantworten - ich beschäftige mich mit anderen Dingen...

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)



----- Original Message ----- 
From: "Michael Klockmann" <mk at mphase.net>
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Thursday, November 06, 2008 1:20 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen]Voraussetzungen für ein BGE


> Eines Freitags, anno 1929 schrieb Kurt Tucholsky:
>
>> Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ›Geld‹.
>>
>> Geld ist weder ein Zahlungsmittel noch ein Tauschmittel, auch ist es
>> keine Fiktion, vor allem aber ist es kein Geld. Für Geld kann man
>> Waren kaufen, weil es Geld ist, und es ist Geld, weil man dafür Waren
>> kaufen kann. Doch ist diese Theorie inzwischen fallen gelassen worden.
>> Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da bzw. nicht da –
>> meist nicht da.
>
> http://www.textlog.de/tucholsky-nationaloekonomie.html
>
> Etwas fundierteres zu diesem Thema habe ich seitdem nicht mehr finden
> können.
>
> Am Mittwoch, den 05.11.2008, 20:43 +0200 schrieb Joerg Drescher:
>
>> Im Gegensatz zu Marx muß ich nicht hunderte ätzend langweilige Seiten
> Da tust du ihm über weite Strecken aber echt unrecht, du ;-(
>>  schreiben, um mir über die Wirtschaftsgrundlagen klar zu werden -
>> aber vielleicht habe auch ich irgendwo einen Denkfehler ;-)
>
> Ich habe keinen finden können.
>
> Aber um die Fehleranfälligkeit noch etwas zu senken, läßt sich die
> Argumentation noch ein wenig vereinfachen, was im Nebeneffekt erheblich
> zu unserer Seriosität beitragen würde.
>
> In einem logisch und ethisch tragfähigen Verteilungsmodell kann
> prinzipiell sowieso nur verteilt werden, was eine gegebene Gesellschaft
> in einer gegebenen Periode an Gebrauchswerten bereitstellt, also Rüben,
> Busfahrten, Haarschnitte, Bohrungen in Zähnen, Dübel, Meisenringe etc.
> pp. Davon (BIP in Wertkategorien, natürlich) die Hälfte gleichmäßig -
> und da wo sinnvoll natürlich mit irgendeiner Art von beliebig
> einsetzbaren Anrechtszetteln -  auf alle aufgeteilt ('take half'), das
> ist das bGE und sonst nix. Von den ganzen wundervollen Dingen, die die
> Menschen daraus machen werden, natürlich abgesehen.
>
> Nun aber mal abgesehen von ein wenig Vorratshaltung, z.B. der
> Rübenmiete, um über den Winter zu kommen:
>
> Abstrahiert man von dieser realwirtschaftlichen Betrachtung und
> fabuliert statt tatsächlicher Darstellbarkeit völlig müßig über "Geld"
> und  "Finanzierbarkeit", so handelt man sich nur unnötige Komplikationen
> (Stichworte "Zukunft", "Außenbeiträge") ein.
>
> Und außerdem werden einem dadurch endlose und in meiner politischen
> Praxis jedenfalls bisher völlig fruchtlose Therapieversuche an den armen
> Purzelchen aufgenötigt, die am höchst simplen Doppelcharakter des
> "Geldes" irre werden: In kleinen Mengen Existenzgeld, in großen
> Ausbeutungsversprechen.
>
> Und wenn letzteres, wie derzeit, gewissen Volatilitäten unterliegt, wird
> eben "Geld" ein etwas unzuverlässiger "Wertaufbewahrungsbehälter", was
> ein echter Grund zur Freude wäre, könnten wir (zumal in den Städten) nur
> umstandslos eine Zeitlang auf Subsistenz umswitchen...
>
>
>> Viele Grüße aus Kiew,
> Wie steht da so der Hanf?
>
> fragt sich...
>
> Michael
>
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