[Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Eckhard Ruelke, Band 36, Eintrag 19

Florian Hoffmann florian at hoffmannlaw.de
Fr Mär 21 14:36:39 CET 2008


Lieber Eckhard,

vielen Dank für Deine realistische Einschätzung der Tragbarkeit des
Werner-Konzeptes, die ich voll und ganz teile. Falls es Dich interessiert,
hier auch noch mein Gegenkonzept, das ich hier im Rahmen der Debatte in den
letzten Jahren mehrfach vorgesetllt habe:

1. Die staatlichen Einnahmen aus der Einkommensteuer sollten ausschließlich
als BGE umverteilt werden. Mit einer Steuer-Flatrate (30 Prozent) auf alle
(!!!!) Einkommen könnte idealerweise ein sinnvolles BGE geschaffen werden,
das sich der Höhe nach nach den Steuereinnahmen richtet und damit heraus
wäre aus jeder Diskussion über Existenzsicherung und Höhe. Der Gerechtigkeit
wäre über die Steuerquote (also die unterschiedliche Höhe der Zahlungen) und
die einheitliche Verteilung genüge getan (Soziale Gerechtigkeit I).

2. Die Umsatzsteuereinnahmen (30%) wären die eigentlichen Steuereinnahmen
des Staates, und sie wären zu dessen sinnvoller Verwendung ausreichend hoch.

Ergo:
	- Ein einheitlicher Steuersatz (30 Prozent) und keine Körperschaftssteuer
mehr (!), weil es Sache der Gewerkschaften wäre, über Lohnerhöhungen
überhöhte Gewinne von Betrieben abzuschöpfen (Soziale Gerechtigkeit II).

	- keine Steuerbrater, Wirtschaftsprüfer und Finanzämter mehr, weil die
Banken über EDV-Programme die Abwicklung übernehmen könnten (welche ein
volkswirtschaftlicher Gewinn!)

	- keine Gewerbesteuer mehr, weil in Umsatzsteuer enthalten.

Wo ich mit Dir gar nicht mitgehe, ist Deine Schelte hinsichtlich Götz
Werners angeblich eigennütziger Argumentation. Ich habe mit ihm selbst lange
diskutiert. Er meint es wirklich gut, aber er ist nicht mehr in der Lage,
sich aus seinem - in sich logischen - Konstrukt zu befreien - wo immer die
Ursachen dafür liegen mögen. Und das mit dem Vorteil einer hohen
Mehrwertsteuer für die Unternehmen stimmt auch nicht: Die Unternehmen müßten
fünfzig Prozent ihres Umsatzes an das Finanzamt abführen! Dafür müßten sie
ihre End-Preise erhöhen, weil sie es mit der aktuellen Kalkulation nicht
schaffen würden. Die erhöhten Preise könnten die Konsumenten (so meint G.
Werner) auch zahlen, weil ja die Einkommensteuer wegfiele und ein BGE
bezahlt würde - stimmt nur in der Summe, nicht in der Verteilung, denn: Dass
drastische Preiserhöhungen gerade die niedrigen Einkommen träfen, ist die
große Schwäche des Werner'schen Konzepts, kann oder will er aber nicht
einsehen. (Kann er auch nicht, weil er seine Bücher schon lange nicht mehr
selbst schreibt! D.h. er müßte vor seinen Mitarbeitern eingestehen, dass
sein Konzept fehlerhaft ist. Never! Lieber verbohrt er sich weiter!)

Also, nochmals Danke schön und Frohe Ostern!

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> Message: 1
> Date: Tue, 18 Mar 2008 19:38:51 +0100
> From: "Eckhard Rülke" <ERuelke at gmx.de>
> Subject: [Debatte-Grundeinkommen] BGE-Konzept von Götz Werner
> To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Message-ID: <20080318184137.143620 at gmx.net>
> Content-Type: text/plain; charset="utf-8"
>
> Liebe BGE-Enthusiasten,
>
> bei Vielem, was hier geschrieben wird, bin ich selbst unsicher. Zu einem
> aber habe ich inzwischen eine feste Meinung. Und das ist Herr Professor
> Götz Werner. Da sein BGE-Konzept immer wieder angesprochen wird, möchte
> ich etwas dazu sagen.
>
>  Vorgeschichte: Während der Mündener Gespräche der
> Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft im Sommer 2006 gab es einen Vortrag
> von einem Herrn André Presse, seines Zeichens PR-Beauftragter am Institut
> des Herrn Prof. Werner, und anschließende Biertischdiskussion.
>
> Daraus zwei verschiedene Fakten:
>
> 1. Wenn man bei gegebener Wirtschaftslage (2006) die Mehrwertsteuer um 1%
> erhöht und diese zusätzliche Einnahme gleichmäßig auf alle
> Bundesbürger verteilen würde, bekäme jeder pro Monat 8,-? ausgezahlt.
> ? laut Aussage Herr Presse von seinem Institut so berechnet.
>
> 2. Der Professor Götz Werner ? im richtigen Leben Chef der
> Drogriemarktkette DM ? leitet ein extra für ihn und sein Projekt
> geschaffenes Institut an der Universität in Karlsruhe, welches eigentlich
> gar kein Institut der Uni, sondern privat finanziert ist. Und zwar in der
> Hauptsache von dem bekannten und international besonders erfolgreichen
> Softwarekonzern SAP. ? Da frage ich mich schon mal: Was treibt die von
> ihren Aktionären bezahlten und deren Profitwachstum
> verpflichteten Manager
> von SAP dazu, Geld für ein Projekt zur Stärkung der kleinen Leute
> auszugeben? 
>
> Entsprechend vorgewarnt besuchte ich einen der vielen öffentlichen
> Auftritte des Herrn Götz Werner persönlich.
>
>  Mein Urteil: Der Mann ist sicherlich ein begnadeter Redner, der auch
> große Versammlungen in seinen Bann zieht und dabei Botschaften geschickt
> rüber bringt. Aber wenn man es schafft, das ganze Drumrumgerede
> auszublenden und nur auf die Fakten zu hören, fällt es wie Schuppen von
> den Augen: Der Mann ist ein Trittbrettfahrer, der in Wirklichkeit
> genau das
> Gegenteil propagiert.
>
> Sein Konzept in Kurzform:
>
> - Als     erstes und unbedingt müssen alle Steuern und Abgaben auf alle
> Arten von     Einkommen abgeschafft werden!
> - Die     einzige ?gerechte? Steuer ist die Mehrwertsteuer. Die wird
> soviel erhöht,     dass die Einnahmen für alles zu finanzierende reichen.
> - BGE     für alle in Höhe von 1500,-? pro Monat, bezahlt aus der
> erhöhten Mehrwertsteuer
>
> Von Punkt 3 sind alle begeistert und das wird ausführlich besprochen.
> Weitere konkrete Zahlen gibt?s nicht. Auf Anfragen wird praktisch nicht
> eingegangen.
>
>  Das heißt: Wenn 1% Mwst-Erhöhung 8,-? BGE ergibt, bräuchte man für
> 800,-? BGE eine Mwst-Erhöhung von 100%.
>
> Für die angestrebten 1500,-? müsste die Mwst um fast 200% erhöht
> werden. Im Klartext: Alle Waren würden dann fast dreimal soviel
> kosten wie
> jetzt.
>
> Kann sich jeder selbst ausrechnen, was er dann noch kaufen könnte und was
> die 1500,-? BGE dann noch wert sind. Ob langsam und schrittweise
> eingeführt oder nicht ? der Gesamtumsatz wird zwangsläufig sinken. Bei
> weniger Umsatz wird auch weniger Mwst eingenommen. Zur
> Finanzierung des BGE
> müsste der Prozentsatz der Mwst weiter erhöht werden. Usw.
>
>  Aber soweit würde es vermutlich gar nicht erst kommen, weil ja laut
> Prof.Werner zu allererst alle Einkommenssteuern abgeschafft werden müssen
> (warum eigentlich?). Dann müsste die Mwst erstmal soweit erhöht werden,
> dass all das wieder bezahlt werden kann, was jetzt von Einkommenssteuern
> gedeckt ist: Staatliche Verwaltung, Zinsen auf Staatsschulden, Militär,
> Polizei, Straßenbau, Schulen und Krankenhäuser. Da wird vor lauter
> Mwsterhöhung und Umsatzeinbuße wohl die Einführung des BGE in den
> Ansätzen stecken bleiben.
>
>  Und was soll dann das Ganze?
>
> Nun, der Punkt 1 würde uns erhalten bleiben: Alle Einkommen,
> Konzerngewinne, Börsenspekulation und Kapitalzinsen wären offiziell
> steuerfrei. Cash in de Täsch. Die Schweiz und Liechtenstein werden
> überflüssig. Das wäre natürlich zum Vorteil für die Aktionäre von SAP
> und für Herrn Götz Werner.
>
> Und von der Mehrwertsteuer weiß man ja, dass sie kleine Leute mehr
> betrifft, als Reiche. Weil kleine Leute praktisch ihr gesamtes Geld für
> ihren Lebensunterhalt brauchen und damit auch auf alles Mwst bezahlen
> müssen, während Reiche einen beträchtlichen Teil übrig haben und in
> Geldanlagen stecken. Dieser Teil wäre dann vollkommen steuerfrei ? d.h.
> an der Finanzierung der Gemeinkosten völlig unbeteiligt ? und ergäbe
> eine sich selbst beschleunigende Kapitalanhäufungsspirale und
> eponentielle
> Renditeforderungen.
>
>  Mein Fazit: Genau hinhören, wenn jemand ein BGE proklamiert. Die
> Finanzierung ist vermutlich das wichtigste Bewertungskriterium.
>
>  PS: Ich weiß, wie viele Argumente gegen diese meine Darstellung noch zu
> diskutieren wären. Man kann die Darstellung damit vielleicht etwas
> abschwächen aber m.E. nicht entkräften.
>
> Tut mir leid, dass es nicht kürzer ging.
>
> Viele Grüße
>
> Eckhard




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