[Debatte-Grundeinkommen] BGE-Konzept von Götz Werner

Peter Scharl Netzwerk_BGE Peter Scharl Netzwerk_BGE at gmx.net
Do Mär 20 07:17:31 CET 2008


Hallo Eckard Rülke, hallo @lle,
  
Sie haben die "Pferdefüsse" im Modell von GW sehr gut erkannt.  Die Initiative www.Ulmer-BGE-Modell.de beschäftigt sich schon seit über 12 Jahren mit dem "Bürgergeld" und jetzt "Bedingungsloses Gundeinkommen". 
  
Wer sich ernsthaft mit der Finanzierung eines BGE beschäftigt und das BGE möglichst zeitnah einführen möchte, der kommt nicht an Steuermodellen vorbei, die das heutige Chaos stark vereinfachen, aber trotzdem mehrheitsfähig sind. Mehr dazu in unserer HP. Wir vertreten darüberhinaus auch die Meinung, dass der "Topf" eines BGE dem Zugriff der Politik entzogen sein muss - wie seit 60 Jahren die Schweizer AHV (AHV = Die Grundrente in der Schweiz - Minimum 1.250 Franken - Maximum 2.500 Franken)
  
Götz Werner ist aber trotzdem zu danken, denn nicht zuletzt durch ihn wächst unser Thema im Bewusstsein der Medien so explosionsartig.
  
Ciao Peter Scharl
 
Cc an die Ulmer Gruppe
  
----- Ursprüngliche Nachricht -----
Von: ERuelke at gmx.de (Eckhard Rülke)
Gesendet am: Dienstag, 18. März 2008 19:38
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] BGE-Konzept von Götz Werner
  
Liebe BGE-Enthusiasten,
  
bei Vielem, was hier geschrieben wird, bin ich selbst unsicher. Zu einem aber habe ich inzwischen eine feste Meinung. Und das ist Herr Professor Götz Werner. Da sein BGE-Konzept immer wieder angesprochen wird, möchte ich etwas dazu sagen.
  
Vorgeschichte: Während der Mündener Gespräche der Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft im Sommer 2006 gab es einen Vortrag von einem Herrn André Presse, seines Zeichens PR-Beauftragter am Institut des Herrn Prof. Werner, und anschließende Biertischdiskussion.
  
Daraus zwei verschiedene Fakten: 
  
1. Wenn man bei gegebener Wirtschaftslage (2006) die Mehrwertsteuer um 1% erhöht und diese zusätzliche Einnahme gleichmäßig auf alle Bundesbürger verteilen würde, bekäme jeder pro Monat 8,-€‚¬ ausgezahlt.  - laut Aussage Herr Presse von seinem Institut so berechnet.
  
2. Der Professor Götz Werner  - im richtigen Leben Chef der Drogriemarktkette DM  - leitet ein extra für ihn und sein Projekt geschaffenes Institut an der Universität in Karlsruhe, welches eigentlich gar kein Institut der Uni, sondern privat finanziert ist. Und zwar in der Hauptsache von dem bekannten und international besonders erfolgreichen Softwarekonzern SAP.  - Da frage ich mich schon mal: Was treibt die von ihren Aktionären bezahlten und deren Profitwachstum verpflichteten Manager von SAP dazu, Geld für ein Projekt zur Stärkung der kleinen Leute auszugeben? 
  
Entsprechend vorgewarnt besuchte ich einen der vielen öffentlichen Auftritte des Herrn Götz Werner persönlich.
  
Mein Urteil: Der Mann ist sicherlich ein begnadeter Redner, der auch große Versammlungen in seinen Bann zieht und dabei Botschaften geschickt rüber bringt. Aber wenn man es schafft, das ganze Drumrumgerede auszublenden und nur auf die Fakten zu hören, fällt es wie Schuppen von den Augen: Der Mann ist ein Trittbrettfahrer, der in Wirklichkeit genau das Gegenteil propagiert.
  
Sein Konzept in Kurzform:
  
Als erstes und unbedingt müssen alle Steuern und Abgaben auf alle Arten von Einkommen abgeschafft werden!
Die einzige €€žgerechte€€œ Steuer ist die Mehrwertsteuer. Die wird soviel erhöht, dass die Einnahmen für alles zu finanzierende reichen.
BGE für alle in Höhe von 1500,-€‚¬ pro Monat, bezahlt aus der erhöhten Mehrwertsteuer
Von Punkt 3 sind alle begeistert und das wird ausführlich besprochen. Weitere konkrete Zahlen gibts nicht. Auf Anfragen wird praktisch nicht eingegangen.
  
Das heißt: Wenn 1% Mwst-Erhöhung 8,-€‚¬ BGE ergibt, bräuchte man für 800,-€‚¬ BGE eine Mwst-Erhöhung von 100%. 
  
Für die angestrebten 1500,-€‚¬ müsste die Mwst um fast 200% erhöht werden. Im Klartext: Alle Waren würden dann fast dreimal soviel kosten wie jetzt.
  
Kann sich jeder selbst ausrechnen, was er dann noch kaufen könnte und was die 1500,-€‚¬ BGE dann noch wert sind. Ob langsam und schrittweise eingeführt oder nicht  - der Gesamtumsatz wird zwangsläufig sinken. Bei weniger Umsatz wird auch weniger Mwst eingenommen. Zur Finanzierung des BGE müsste der Prozentsatz der Mwst weiter erhöht werden. Usw.
  
Aber soweit würde es vermutlich gar nicht erst kommen, weil ja laut Prof.Werner zu allererst alle Einkommenssteuern abgeschafft werden müssen (warum eigentlich?). Dann müsste die Mwst erstmal soweit erhöht werden, dass all das wieder bezahlt werden kann, was jetzt von Einkommenssteuern gedeckt ist: Staatliche Verwaltung, Zinsen auf Staatsschulden, Militär, Polizei, Straßenbau, Schulen und Krankenhäuser. Da wird vor lauter Mwsterhöhung und Umsatzeinbuße wohl die Einführung des BGE in den Ansätzen stecken bleiben.
  
Und was soll dann das Ganze?
  
Nun, der Punkt 1 würde uns erhalten bleiben: Alle Einkommen, Konzerngewinne, Börsenspekulation und Kapitalzinsen wären offiziell steuerfrei. Cash in de Täsch. Die Schweiz und Liechtenstein werden überflüssig. Das wäre natürlich zum Vorteil für die Aktionäre von SAP und für Herrn Götz Werner.
  
Und von der Mehrwertsteuer weiß man ja, dass sie kleine Leute mehr betrifft, als Reiche. Weil kleine Leute praktisch ihr gesamtes Geld für ihren Lebensunterhalt brauchen und damit auch auf alles Mwst bezahlen müssen, während Reiche einen beträchtlichen Teil übrig haben und in Geldanlagen stecken. Dieser Teil wäre dann vollkommen steuerfrei  - d.h. an der Finanzierung der Gemeinkosten völlig unbeteiligt  - und ergäbe eine sich selbst beschleunigende Kapitalanhäufungsspirale und eponentielle Renditeforderungen.
  
Mein Fazit: Genau hinhören, wenn jemand ein BGE proklamiert. Die Finanzierung ist vermutlich das wichtigste Bewertungskriterium.
  
PS: Ich weiß, wie viele Argumente gegen diese meine Darstellung noch zu diskutieren wären. Man kann die Darstellung damit vielleicht etwas abschwächen aber m.E. nicht entkräften.
  
Tut mir leid, dass es nicht kürzer ging.
  
Viele Grüße
  
Eckhard
  
  
  
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