[Debatte-Grundeinkommen] BGE-Konzept von Götz Werner

"Eckhard Rülke" ERuelke at gmx.de
Di Mär 18 19:38:51 CET 2008


Liebe BGE-Enthusiasten,

bei Vielem, was hier geschrieben wird, bin ich selbst unsicher. Zu einem 
aber habe ich inzwischen eine feste Meinung. Und das ist Herr Professor 
Götz Werner. Da sein BGE-Konzept immer wieder angesprochen wird, möchte 
ich etwas dazu sagen.

 Vorgeschichte: Während der Mündener Gespräche der 
Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft im Sommer 2006 gab es einen Vortrag 
von einem Herrn André Presse, seines Zeichens PR-Beauftragter am Institut 
des Herrn Prof. Werner, und anschließende Biertischdiskussion.

Daraus zwei verschiedene Fakten: 

1. Wenn man bei gegebener Wirtschaftslage (2006) die Mehrwertsteuer um 1% 
erhöht und diese zusätzliche Einnahme gleichmäßig auf alle 
Bundesbürger verteilen würde, bekäme jeder pro Monat 8,-€ ausgezahlt. 
– laut Aussage Herr Presse von seinem Institut so berechnet.

2. Der Professor Götz Werner – im richtigen Leben Chef der 
Drogriemarktkette DM – leitet ein extra für ihn und sein Projekt 
geschaffenes Institut an der Universität in Karlsruhe, welches eigentlich 
gar kein Institut der Uni, sondern privat finanziert ist. Und zwar in der 
Hauptsache von dem bekannten und international besonders erfolgreichen 
Softwarekonzern SAP. – Da frage ich mich schon mal: Was treibt die von 
ihren Aktionären bezahlten und deren Profitwachstum verpflichteten Manager 
von SAP dazu, Geld für ein Projekt zur Stärkung der kleinen Leute 
auszugeben? 

Entsprechend vorgewarnt besuchte ich einen der vielen öffentlichen 
Auftritte des Herrn Götz Werner persönlich.

 Mein Urteil: Der Mann ist sicherlich ein begnadeter Redner, der auch 
große Versammlungen in seinen Bann zieht und dabei Botschaften geschickt 
rüber bringt. Aber wenn man es schafft, das ganze Drumrumgerede 
auszublenden und nur auf die Fakten zu hören, fällt es wie Schuppen von 
den Augen: Der Mann ist ein Trittbrettfahrer, der in Wirklichkeit genau das 
Gegenteil propagiert.

Sein Konzept in Kurzform:

- Als     erstes und unbedingt müssen alle Steuern und Abgaben auf alle 
Arten von     Einkommen abgeschafft werden!
- Die     einzige „gerechte“ Steuer ist die Mehrwertsteuer. Die wird 
soviel erhöht,     dass die Einnahmen für alles zu finanzierende reichen.
- BGE     für alle in Höhe von 1500,-€ pro Monat, bezahlt aus der 
erhöhten Mehrwertsteuer

Von Punkt 3 sind alle begeistert und das wird ausführlich besprochen. 
Weitere konkrete Zahlen gibt’s nicht. Auf Anfragen wird praktisch nicht 
eingegangen.

 Das heißt: Wenn 1% Mwst-Erhöhung 8,-€ BGE ergibt, bräuchte man für 
800,-€ BGE eine Mwst-Erhöhung von 100%. 

Für die angestrebten 1500,-€ müsste die Mwst um fast 200% erhöht 
werden. Im Klartext: Alle Waren würden dann fast dreimal soviel kosten wie 
jetzt.

Kann sich jeder selbst ausrechnen, was er dann noch kaufen könnte und was 
die 1500,-€ BGE dann noch wert sind. Ob langsam und schrittweise 
eingeführt oder nicht – der Gesamtumsatz wird zwangsläufig sinken. Bei 
weniger Umsatz wird auch weniger Mwst eingenommen. Zur Finanzierung des BGE 
müsste der Prozentsatz der Mwst weiter erhöht werden. Usw.

 Aber soweit würde es vermutlich gar nicht erst kommen, weil ja laut 
Prof.Werner zu allererst alle Einkommenssteuern abgeschafft werden müssen 
(warum eigentlich?). Dann müsste die Mwst erstmal soweit erhöht werden, 
dass all das wieder bezahlt werden kann, was jetzt von Einkommenssteuern 
gedeckt ist: Staatliche Verwaltung, Zinsen auf Staatsschulden, Militär, 
Polizei, Straßenbau, Schulen und Krankenhäuser. Da wird vor lauter 
Mwsterhöhung und Umsatzeinbuße wohl die Einführung des BGE in den 
Ansätzen stecken bleiben.

 Und was soll dann das Ganze?

Nun, der Punkt 1 würde uns erhalten bleiben: Alle Einkommen, 
Konzerngewinne, Börsenspekulation und Kapitalzinsen wären offiziell 
steuerfrei. Cash in de Täsch. Die Schweiz und Liechtenstein werden 
überflüssig. Das wäre natürlich zum Vorteil für die Aktionäre von SAP 
und für Herrn Götz Werner.

Und von der Mehrwertsteuer weiß man ja, dass sie kleine Leute mehr 
betrifft, als Reiche. Weil kleine Leute praktisch ihr gesamtes Geld für 
ihren Lebensunterhalt brauchen und damit auch auf alles Mwst bezahlen 
müssen, während Reiche einen beträchtlichen Teil übrig haben und in 
Geldanlagen stecken. Dieser Teil wäre dann vollkommen steuerfrei – d.h. 
an der Finanzierung der Gemeinkosten völlig unbeteiligt – und ergäbe 
eine sich selbst beschleunigende Kapitalanhäufungsspirale und eponentielle 
Renditeforderungen.

 Mein Fazit: Genau hinhören, wenn jemand ein BGE proklamiert. Die 
Finanzierung ist vermutlich das wichtigste Bewertungskriterium.

 PS: Ich weiß, wie viele Argumente gegen diese meine Darstellung noch zu 
diskutieren wären. Man kann die Darstellung damit vielleicht etwas 
abschwächen aber m.E. nicht entkräften.

Tut mir leid, dass es nicht kürzer ging.

Viele Grüße

Eckhard
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