[Debatte-Grundeinkommen] Grundsatzfragen

Agnes Schubert Agne.s at gmx.de
Fr Jul 18 03:12:54 CEST 2008


>>> Das ist das Dilemma, zuviel Staat funktioniert nicht, da rebelliert 
>>> das Individuum weil es sich eingezwängt fühlt,
>>> zuviel Markt funktioniert aber auch nicht, der wird das Individuum 
>>> automatisch amoralisch, ungerecht und maßlos gierig.
>> Das ist erstens  schon tautologisch formuliert. "zuviel" behauptet 
>> bereits, das es nicht geht, weil es eben zu viel ist. 
>
> keine Ahnung was tautologisch ist aber "zuviel" ist keine Behauptung,
> das haben wir 1989 erlebt, das system brach zusammen weil es "zuviel" 
> Staat war...
Die Bemerkung "tautologisch" geschah aus einer Laune heraus, war nicht 
ganz so wichtig, kannst du also auch vernachlässigen. Aber in der 
Hoffnung das es dich interessiert hier die Erklärung:
"Tautologisch" meinte hier in etwa "doppelt gemoppelt". Voraussetzung 
und angebliche Schlussfolgerung sind identisch und bringen keine neue 
Information.
"... zuviel Staat funktioniert nicht." besser formuliert wäre: "Eine 
beliebige Ausweitung des Staates funktioniert nicht, weil ... "   
Logisch gesehen können nämlich zwei scheinbar widersprüchliche Aussagen 
wie: "Je mehr von X desto besser."  und  "Zuviel von X ist nicht gut" 
gleichzeitig gültig sein, wenn es gar kein "zuviel" von X geben kann.
Ich behaupte mal, wenn es um X = Geld ginge, dann könnte  es im Moment 
gar kein "zuviel" für mich geben, denn ich wüsste immer eine positive 
Anwendung dafür.
So unsinnig er ist, so kann doch niemand einem Satz "Zuviel des Guten 
ist nicht gut"  widersprechen. Das "Zuviel" setzt (behauptet) eine 
Voraussetzung, die die Behauptung bereits enthält, und die gleichzeitig 
im Realen nicht zutrifft. Also ist der Satz zwar richtig, hat aber keine 
Relevanz, das heißt er hat praktisch keine Bedeutung. Man kann auch 
ausführen: "Zuviel des Guten ist zuviel des Guten." oder gekürzt: 
"Zuviel ist zuviel"
Was bei der Behauptung "zuviel Staat" schlicht fehlt, ist der Beleg 
dafür, dass es ein "zuviel" an Staat für seine eigene dauerhafte 
Existenz geben kann.
Auch deine neuerlichen Ausführungen sind hier nicht hinreichend. Du 
führst nur ein Beispiel an, bei dem etwas mehr Staat als heute ist und 
der nicht mehr existent ist. Vielleicht lag es ja auch nur daran, das 
der Staat falsch organisiert war und nicht etwa zu viel. War im 
Faschismus weniger Staat? Er hatte historisch jedenfalls nicht schlicht 
deswegen versagt, da "das Individuum (rebellierte), weil es sich 
eingezwängt fühlt(e)"
Vielleicht war es auch noch zu wenig Staat? Vielleicht gibt es zwei oder 
mehrere stabile Zustände von Staatsformen, bei denen nur die Übergänge 
sehr instabil sind? Du siehst hoffentlich, dass ein Beispiel kein Beweis 
ist.

> ja ok, vorrausgesetzt man betrachtet auch ein Naturvolk als 
> Gesellschaft wäre ihr Anführer, Häuptling, Ältestenrat oder Schamane 
> quasi der Staat.
Dank Manfreds guten Ausführungen kann ich mir hier etwas Mühe mit dir 
sparen ;-) .

>> Für mich ist ein guter Staat einer, der sich selbst immer mehr 
>> überflüssig macht. 
>
> Und da ist leider nen Fehler drin, denn wenn der beste Staat kein Staat
> ist, wozu will dann irgendwer noch Staat ?
> Wozu braucht dann so nen Naturvolk als Minigesellschaft nen Anführer
> wenn doch die beste Gesellschaft jene ohne Anführer sein soll?
Nun ich bin bereit einen Staat zeitweilig zu ertragen, wie ich weiß, 
das  Erziehung des Kindes durch temporäre Autoritäten (z.B. Eltern) 
durchaus angebracht sein kann. Und doch ist Aufgabe jener, sich als 
Autorität überflüssig zu machen und ein selbständiges Kind in die Welt 
zu entlassen. Das Kind braucht dann keine Führer mehr, sehr wohl kann es 
aber auf die Kompetenz anderer in speziellen Fragen achten.


>
>> Einer, der die Interessensgegensätze so vermindert, dass es immer 
>> weniger übergeordneten Regelungsbedarf gibt. 
>
> Also wer genau ist dann dieser "Eine" der das alles regelt, wenn 
> dieses "Eine" doch möglichst nichts regeln soll?
Was genau war hier nicht zu verstehen?
Der Staat sorgt mittels Regeln für einen stabilen Zustand der 
Gesellschaft. Viele Regln = viel Staat.
Mein Auftrag: Der Staat sorge heute bitte mittels Regeln für einen 
künftigen Zustand, in dem es immer weniger Regeln bedarf.
Regeln sind nötig, da wo Leute unterschiedliche nicht vereinbare 
Interessen haben. Stellt man die Leute aber gleich, so behaupte ich, 
dass sie viel mehr gemeinsame und weniger unvereinbare Interessen haben. 
Dann kann man viele Regeln weg lassen und der Staat ist nicht mehr so 
nötig. Verwechsele das bitte nicht grundsätzlich mit neoliberalen 
Positionen. Weniger Staat heißt für mich letztlich weniger Polizei, 
weniger Eigentumsschutz, aber auch weniger Arbeits- und Sozialrecht, 
weil es die Notwendigkeit für all dieses nicht mehr gibt. Einen Beitrag 
zu all dem kann auch BGE leisten, aber insgesamt ist das ein langer und 
wohl auch nicht ganz gerader Weg.

> Jede hirarchisch geordnete Gesellschaft ob nun Affen oder Menschen 
> stellt Regeln auf.
> Ohne Regeln also keine Hirarchie. Das wäre die Anarchie (die regellose 
> Gesellschaft).Und wohin kommen wir ohne Regeln?
> Was passiert in einer Anarchie von lauter kleinen Egoisten?
> Richtig - sie bilden dummerweise wieder eine Hirarchie unzwar mit 
> doofen Regeln und Gesetzen. Mit anderen Worten, sie bestimmen den 
> "Einen" der fürs Regeln zuständig ist - ich nenne ihn Vater "Staat". ...
Wie Manfred schon richtig darlegte irrst du hier. Wahrscheinlich glauben 
so manche ihren eigenen Ausführungen bzgl. der Emanzipation des Menschen 
mittels BGE selber nicht. Wenn der Mensch aus freien Stücken arbeitet, 
anstelle auf den Nachbarn zu schielen, ob man ihn nicht lieber für sich 
arbeiten lassen will und ihm ggf. einfach was weg nimmt, braucht es doch 
keinen Staat, der mit Strafdrohung dafür sorgt, das er sich wohlfeil 
verhält. Wenn wir eine Gesellschaft haben, in der man mehr davon hat, 
wenn es dem Nachbarn auch gut gehe, achtet man schlicht von selbst 
darauf, das es so ist. Das diese Vision dank der heutigen 
Ausgangssituation für viele schwer ersichtlich ist, muss ich leider 
zugestehen. Dennoch ist da das Ziel für unseren Weg.

>
>> Eine allseitige weitgehende Einsicht in Notwendigkeiten ist da eine 
>> Voraussetzung wie die gleichhohe Achtung aller Mitglieder der 
>> Gesellschaft und ihrer Bedürfnisse. 
>
> Tja und da liegt das Problem, die Einsicht ist nämlich nicht da...
> Die Einsicht eines Unternehmers mehr an den Staat abzugeben damit
> er Sozialleistungen bieten kann, ist eher bescheiden....
Nun die Einsicht der Unternehmer ist dann zum Beispiel schon da, wenn es 
darum geht, eine branchengültige Tariflohnerhöhung zuzulassen, um die 
Produktion nicht all zu sehr durch Streiks blockiert zu wissen. Das ist 
eine Einsicht in Notwendigkeit.
Das der Unternehmer nicht von sich aus höhere Löhne zahlt ist auch eine 
Einsicht der Notwendigkeit, weil er sonst in der Konkurrenz untergeht.
Manche Unternehmer stellen fest, das durch höhere Mitbestimmung der 
Belegschaft die Bereitschaft zur Selbstausbeutung bei ihnen wächst und 
führen dies ein. Einsicht in die Notwendigkeit. ....
Die Frage stellt sich doch, ob es für die Unternehmer wirklich günstig 
ist mehr an den Staat abzugeben.
Wenn es so ist, sind sie mit Überzeugung auch zur Einsicht zu bringen. 
Höhere Bildung bringt ihnen auch mehr Profit ...
Wenn nicht, muss man mit Druck und Ungehorsam erst die geforderte 
Notwendigkeit für sie herstellen. Sie kaufen sich den sozialen Frieden 
nämlich schlicht so günstig ein, wie sie ihn von den Ärmsten der 
Gesellschaft angeboten bekommen.

>>> Der Markt:
>>> Der Mensch definiert sich über seine errungenen Vorteile.
>> Ich nicht!!! Der Vorteil gegenüber anderen und auch das Angeben damit 
>> und so auch die Selbstdefinition darüber sind auch höchstens da 
>> existent, wo genau dieser Vorteil die bessere Bedürfnisbefriedigung 
>> befördert.
> Sorry das ist quatsch, auch du definierst dich über deine Bildung, 
> dein Wissen, deine Werte, alles Dinge die du errungen hast, die 
> Anerkennung und Wertschätzung usw. alles zu deinem ganz persönlichem 
> Vorteil.
> Ggf. sieht das dein Nachbar anders, er definiert sich vielleicht über 
> sein Eigenheim, sein Gehalt, seine Kinder oder seine Karre.
> Aber auch das dient seinem persönlichem Vorteil...
Und hier *auch* gleich *für Manfred*:
Die Entdeckung der Tautologie beruht zum Teil möglicherweise auf 
unterschiedlicher Bedeutungsbeimessung des Wortes "Vorteil". Ich ging 
davon aus, dass sich das Wort "Vorteil" als ein Vorteil gegenüber 
anderen in Bezug auf eine bessere Bedürfnisbefriedigung  in speziellen 
Bereichen bezog. "Vorteil" kann aber Veränderung zu meinem früheren 
Vermögen (= Fähigkeit nicht Geld ;-) ) bzgl. meiner damaligen 
Bedürfnisbefriedigung beschreiben. Das hatte ich nicht berücksichtigt.
Ich definiere mich schon in Abgrenzung zu meiner Umwelt und somit auch 
zu anderen, aber nicht explizit durch Hervorhebung besonderer gar 
überlegener Eigenschaften, geschweige denn Besitztümer. Auch so manche 
Unzulänglichkeit definiert mich mit.



> Der Staat ist ein Machtmonopol das unserem Schutz dient, schaffen wir 
> ihn ab sind wir gegenüber dem Markt vollkommen schutzlos.
Hier gleich noch mal zur Verstärkung: Schaffen wir den Staat ab, ist 
zuerst der Markt ruiniert, weil es dann kein Schutz des Eigentums gibt. 
Das ist die erste und wichtigste Aufgabe des Staates, um die jetzige 
Ordnung zu erhalten.
Der Schutz des sonst zu kurz kommenden ist zweitrangig, für den sozialen 
frieden aber unumgänglich. Dieser soziale Schutz ist schlicht eine 
Stillhalteprämie, damit der Staat auf noch mehr Ausübung des 
Gewaltmonopols zum Eigentumsschutz verzichten kann, und damit 
gleichzeitig die Arbeitskraft sich ausreichend reproduzieren kann.

>> All das Vertrauen was in neue oder aufsteigende Parteien gesetzt 
>> wird, muss letztendlich scheitern. Auch bei den Linken ist letztlich 
>> nichts sicher wie sie sich weiterhin entwickeln. 
>> Gibt es mit ihnen ein BGE? 
> > Das einzige was da eine Unterstützung verdient, ist das konsequente
>> Einsetzen für plebiszitäre Elemente, damit man nach der Wahl künftig 
>> seine Stimme behält, und man sie nicht immer schon vor der 
>> Entscheidung abgegeben hat. 
> Tja dann würd ich dir mal vorschlagen das Parteiprogramm der Linken zu
Ha! In ihrer Regierungsverantwortung haben sie die Bevölkerung dann aber 
sehr wenig mit entscheiden lassen. Und da hilft auch kein Herausreden 
mit "notwendigen Kompromissen mit der SPD". Hätte man doch bei 
strittigen Fragen ímmer das Volk entscheiden lassen können. Für ein 
Koalitionspapier ist das m.E. nicht verfassungswidrig.
> lesen und ich empfehle auch mal die einzelnen Vorschläge zum BGE zu 
> lesen.
kenne ich gut. Ich kenne aber auch die Meinung der Mehrheit der Genossen 
da. Als Beispiel empfehle ich die Kommentare von Gregor Gysi auf 
abgeordnetenwatch.de . Das lässt einiges an Sachlichkeit vermissen.
http://www.google.de/search?q=site:www.abgeordnetenwatch.de+Grundeinkommen%20Gregor%20Gysi
> Ich kann dir nicht versprechen das die Linken es halten, aber 
> zumindestens enthält ihr Programm mehr unmittelbare, direkte 
> Demokratie als das der anderen und das gilt auch für ihren BGE-Vorschlag.
Du kannst es nicht und die anderen auch nicht. Wieso soll ich sie denn 
dann wählen? Furchtbares Dilemma, wenn man mitbekommt zu was für einer 
Ignoranz die SPD-Führung in Regierung gegenüber Parteitagsbeschlüssen 
und Partei- und Wahlprogramm inzwischen fähig ist. Wo so etwas locker 
möglich anstatt strafbar ist, sollte man Steuerhinterziehung und 
Stimmzettelfälschung wahrlich zu einem Kavaliersdelikt erklären. Tut mir 
leid, Vertrauen kann von mir keine Partei erwarten, weil ich dem 
Parteisystem nicht vertrauen kann.

Und jetzt zu meinem Lieblingsirrtum deinerseits :)
Statt es mit Argumenten zur Sache zu versuchen, kommen jetzt Behauptung 
und simple Pauschalisierung?
> Davon abgesehen hört man raus das alles was du über Sozialismus oder 
> der DDR weisst, auf wenige Begriffe reduzieren kannst.
> Es wäre schön wenn dir nun auch mal in den Sinn käme, das du damit
> über das Leben von 16 Mio Menschen richtest, von denen du nichtmal
> ein einziges Gesetz je gelesen hast.
> Auch diese Menschen wollten immer nur eines: in einem Land leben wo
> alles gut ist. Das es Unrecht gab, daran besteht kein Zweifel, aber
> das gibt es hier auch. Heute wollen sie jedenfalls keines von beidem
> behalten.
Ich habe im Osten bis zur Wende gelebt, war Genosse mit anhängigem 
Ausschlussverfahren zur Vorwendezeit und 5 Jahre nach der Wende aus der 
PDS ausgetreten.
> Sie haben die Erfahrungen in zwei völlig unterschiedlichen Welten 
> gelebt und gearbeitet zu haben und das ist eine Welt mehr als du kennst.
Ja, diesen Vorteil weiß ich durchaus für mich zu schätzen, es schafft 
eine gute Möglichkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung von Staat 
und Gesellschaft überhaupt und damit auch der BRD als solche.
Nur war diese Erfahrung auch weder hinreichend noch notwendig. Ich kenne 
einige Alt-BRD-ler, die durchaus auch zu fundierter Gesellschaftskritik 
in der Lage sind, und jede Menge Ex-DDR-ler, die - naja - zu doof sind, 
um aus dem Bus zu gucken, geschweige denn eine Gesellschaft zu analysieren.
Also was nützt dieser Hinweis auf deine Vergangenheit? Es kann 
vielleicht Mitleid oder Abneigung erzeugen, ein Argument ersetzt es nicht.
> Außerdem bin ich voller Hoffnung das dir eines Tages auch aufgeht, das 
> da drüben nicht 16 Mio rote IM-Kommunisten demonstriert haben sondern 
> 16 Mio Egoisten aufgestanden sind.
Ich weiß gar nicht, wieso du mir hier Gegenteiliges unterstellst. Und 
wieso ist ein "IM-Kommunist" nicht gleichzeitig "Egoist" und nicht 
vielleicht sogar zugleich zu ehrlicher Demonstration damals bereit 
gewesen, weil ihm das ganze nicht mehr so recht war..  Ist 
"IM-Komminist" eigentlich ein sowohl als auch oder ein entweder "IM" 
und/oder "Kommunist" ? Oder ist das für dich eh identisch? Ist für dich 
eigentlich "Kommunist" einer der sich selbst so bezeichnet, einer den du 
einfach so titulierst, oder hat das Wort für dich auch eine bestimmte 
Bedeutung, die über Schimpwort hinaus geht?
> Leider haben es nur die Wendehälse zu einer "ehrbaren Karriere" in der 
> SPD/CDU/Grüne/FDP gebracht...
Und nun sollen es die anderen, die ungewendeten Alt-Genossen und ein 
paar ungewendete Ex-Nichtgenossen nebst "unbeschmutzten" Neu-Genossen, 
der Linken auch mal zu etwas bringen?  So lange ich von der Kariere 
nicht persönlich betroffen bin, ist mir scheißegal, wer die Kariere macht.
Da halte ich es in der Beziehung lieber mit Ex-Kanzler Kohl: "Wichtig 
ist was hinten rauskommt."
> Also lass uns Händchen drücken und noch mehr vom BGE überzeugen...

Naja, wollen wir mal nicht so sein. :)
AgneS





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