[Debatte-Grundeinkommen] Konzept Grundeinkommen

Enrico Weigelt weigelt at metux.de
Mo Aug 18 00:33:52 CEST 2008


* A.N. <anke.niebuhr at o2online.de> schrieb:

Hi,

> der größte Teil von dem, worauf Du Dich in dieser Mail
> beziehst, sind nicht meine Aussagen. Zu Deinen Fragen und
> Kommentaren, die mich betreffen, folgendes:

sowas passiert, wenn die Original-Mail nur aus einer riesigen 
Zeile besteht und dort nicht ordentlich zitiert wurde ... ;-O

http://lern.to/qoute

> >  Wieviel wird durch die dramatische Reduzierung der Bürokratie gespart ?
> 
> Das ist das Problem, mit dem ich mich seit einiger Zeit herumschlage.
> Weder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch das Statistische
> Bundesamt haben mir bisher geeignete Tabellen zur Verfügung gestellt.

Wundert das jemanden ? ;-O

> Die existierenden Verwaltungskostentabellen sind nicht eindeutig. Ich weiß
> zum Beispiel nicht, ob Gebäudekosten, Heiz- und Stromkosten etc. dort
> mit eingerechnet werden. Ich habe den Eindruck, dass diese Kosten in anderen
> Tabellen eingerechnet werden, kann das aber nicht definitiv sagen.

Das ist das tolle an der Kameralistik: Außenstehende blicken da 
nicht mehr durch, nichtmal die Wirtschaftsprüfer.

> 2006 betrugen die sogenannten Gesamtverwaltungskosten ca. 21 Mrd. €.
> Das beinhaltet aber auch die, die nach Einführung eine GEK nicht wegfallen:
> Behinderte, Kinder- und Jugendpflege (Heime etc.) und andere.

Ist da auch irgentwo erwähnt, wie die sich genau zusammen setzen ? 
 
> >  Wieviel würde noch durch die Beseitigung des Arbeitsamtes gespart ?
> 
> Viele wollen das Arbeitsamt gar nicht komplett auflösen.

Ich schon. Mit einem BGE ist es nämlich völlig überflüßig.
Job-Vermittlung können private oder gemeinnützige besser - für
sowas baucht man keine Behörde.

Für die Auszahlung des BGE sind die Sozialämter der richtige Ort.
Und auch dort wird *massiv* Bürokratie gespart, weil dort zahllose
Einzelsubventionen und deren nicht ganz unerhebliche Verwaltungkosten
wegfallen.

> >  Wieviel würde durch die Beseitigung des GKV-Molochs gespart ?
> 
> Ich weigere mich, diesen Ansatz zu berechnen. Rechne selbst, wenn
> Du die Zahlen willst. Ich halte die Idee für idiotisch.

Ich hatte ja schon ein paar Denkansätzge gegeben. Mal eine ganz 
grobe Überschlagsrechnung: 

* ca. ein Viertel des Arbeitsentgelts Lohnkosten geht in die GKV. 
* für 200,-/Monat bekommt man schon eine Luxusversicherung. 
* dieser Betrag ist bereits bei 800,- Entgelt erreicht.
* das Brutto-Gehalt ist noch einiges niedriger als das Entgeld
* es bleiben dann also deutlich weniger als 600,- netto. 

Ein präzises Gleichungssystem aufzustellen wäre jetzt eine 
gute Aufgabe für die 6.Klasse ;-P

Kurz gesagt: wenn man im Zuge des BGE auch die GKV abschafft und
die Leuten stattdessen genug Geld für eine PKV gibt, werden
erhebliche Mittel frei, die man zB. durch höhere Einkommenssteuer
abschöpfen kann.

> >  Wieviel Mehreinnahmen würde vielleicht 1%pkt mehr Umsatzsteuer
> >  einbringen ?
> 
> Rund 1 Mrd. €. Die Abschaffung der Abschreibungen wäre interessanter.

Welche Abschreibungen willst Du abschaffen ? 

> Hierbei handelt es sich nur um Unternehmen, die mehr als 17.000 €
> Umsatz im Jahr machen. Unter 17.000 € ist ein Betrieb nämlich von
> der Umsatzsteuer befreit. 

Stop! 

Man *kann* sich von der Umsatzssteuer befreien lassen (auf Antrag),
das ist dann die Sonderregelung "Kleingewerbe". Diese Firmen sind 
dann aber auch nicht mehr vorsteuerabszugsberechtigt. Ergo: der 
Fiscus verliert somit nicht die gesamte Steuer auf den Umsatz des
Unternehmens, sondern nur auf dessen Ertrag (dh. Verkauf - Einkauf,
andere Ausgaben, zB. Schuldendienst, Arbeitsentgelte, etc. sind
hier kein Einkauf). Und 17k Jahresumsatz sind wirklich nicht viel
(selbst bei mir als Freelancer ist der Ertrag oft weit unter der 
Hälfte des Umsatzes ...). 

Dazu muß man sehen, daß nur recht wenige der berechtigten
Kleinunternehmen diese Möglichkeit überhaupt in Anspruch nehmen:
es macht gegenüber der Kundschaft allgemein keinen guten Eindruck 
und nutzt eigentlich nur, wenn der überwiegende Umsatz von 
Privatkunden kommt. Ich habe damals, als ich mein Unternehmen
gegründet habe, deshalb bewußt darauf verzichtet - die meisten
meiner Kollegen ebenso.

Unterm Strich kann man diese Zahlen also getrost vernachlässigen,
zumal damit ja auch noch einiges an Verwaltungskosten (sowohl beim
Unternehmen als auch beim Fiscus) gespart wird. 

Die politische Motivation dahinter ist eher Bürokratieabbau
und Förderung von Unternehmensgründung bzw. "haushaltsnaher"
Dienstleistungen. Letzteres wäre wahrscheinlich mit einem BGE
nicht mehr nötig. Aber das ist eigentlich ein anderes Thema.

> Ich habe aber keine Zahlen gefunden, ich weiß nicht wie viele 
> Unternehmen das sind oder wie hoch deren Gesamt-umsatz ist.

Nun, ich bin schon einige Jahre in der Geschäftswelt unterwegs
und habe einen recht breit gefächerten Kundenstamm und Kontakte
in viele Branchen. Mir ist bisher noch nie ein umsatzsteuerbefreites 
Unternehmen begegnet. Es werden wohl nicht so viele sein. 

Außerdem mußt Du den *Ertrag* betrachten, *NICHT* den Umsatz
(siehe oben).

> >  Wieviel Mehreinnahmen würde die Abschaffung der
> >  Steuerfreibeträge bringen ?
> 
> Sag Du es mir. Ich finde einfach keine Tabelle, die darüber
> detailliert genug Auskunft gibt. 

War eher eine rhetorische Frage - kenne selbst keine Zahlen ;-)
Die Abschaffung der Freibeträge trifft aber eigentlich nur 
diejenigen, die diese auch ausschöpfen können. Und das sind
genau jene, welche Gegner des des *bedingungslosen* GE so gern
ausnehmen möchten - also erstmal ein gutes Argument für die
bedinglosigkeit des GE (ein bedingtes haben wir ja bereits, wenn
auch in unzureichender Höhe und mit exorbitanter Bürokratie)

> Alle Freibeträge wird man wohl nicht abschaffen können, aus dem 
> einen oder anderen politischen Grund.

Ich meine erstmal die Freibeträge bei der Einkommenssteuer.
Diese braucht man dann mit dem BGE nicht mehr (sofern zB. auch
Kinder ein BGE bekommen, Behinderte oder anderweitig stark 
Benachteiligte mehr erhalten, etc, etc).

Bei welchen Steuern es sonst noch Freibeträge gibt, weiß 
ich nicht (allenfalls die Gewerbesteuer käme mir noch in 
den Sinn, aber die sehe ich generell sehr kritisch).

> >  Wieviel Mehreinnahmen würde eine geringfügige Erhöhung der
> >  EK-Steuer bringen ?
> 
> Das ist zur Zeit eine komplizierte Rechnung, weil nach Einkommen
> gestaffelt ist. Keine Ahnung. 

Ja, allein schon die Einkommenssteuer ist bereits zu kompliziert,
um hier sauber dimenionieren zu können. Die Steuerklassen halte 
ich für groben Unfug. Besser: eine einzige stetige Steuerkurve
in Abhängigkeit des Einkommens und die Möglichkeit für 
Familien oder Lebensgemeinschaften zur Gesamtveranlagung tdh. die
Einkommen werden zusammengerechnet und die Steuerkurve entsprechend
gestaucht ...). Mit einer Linearsteuer ("flat tax") wär das aber
auch alles überflüssig.

> Inflation (von lat.: „das Sich-Aufblasen; das Aufschwellen“) bezeichnet
> in der Volkswirtschaftslehre einen andauernden, „signifikanten“ Anstieg
> des Preisniveaus. Es verändert sich also das Austauschverhältnis von
> Geld zu allen anderen Gütern zu Lasten des Geldes. Daher kann man unter
> Inflation auch eine Geldentwertung verstehen. Letztlich ist eine Inflation
> ohne eine überschießende Geldmenge (Geldpolitik) nicht denkbar.

Fast, aber nicht ganz korrekt: 
Inflation ist das Aufblasen der im Umlauf befindlichen Geldmenge im 
Verhältnis zur Warenmenge. Das Gegenteil ist die Deflation: die
im Umlauf befindliche Geldmenge (im Verhältnis zur Warenmenge) 
wird abgeblasen.

Beispiel: wenn auf einen Schlag alle Leute ihre Anrechte auf Geld 
(Sichtguthaben) gegen (echtes!) Geld einlösen und damit einkaufen
gehen, gibt es eine heftige Inflation.
Würden aber alle Leute ihr Geld zurückhalten anstatt auszugeben,
bekämen wir eine Deflation.

Die naive Idee hinter dem Zentralbanksystem ist, daß die ZB dem
entgegenwirkt, indem sie mittels Krediten Geld schöpft oder durch
Verminderung der Kreditmenge (indirekt via Zinsanhebung) wieder Geld
vernichtet. Damit soll Preisstabilität gewährleistet werden, was
aber nachweislich nicht stimmt.

In Wirklichkeit gehts den Besitzern der Zentralbanken aber nur darum,
die Geldmenge einer Wirtchaft und damit die Wirtschaft selbst zu 
kontrollieren. Nur dazu wurden die rein auf Schulden basierten 
Geldsysteme geschaffen. Besonders interessant ist, daß ausgerechnet
die USA, deren Unabhängigkeitserklärung vorallem dazu diente, sich
einem solchen System zu entziehen, es dann kurz vorm I.WK wieder
eingeführt. Im Vorfeld des II.WK (Weltwirtschaftskrise) haben wir
ja deutlich gesehen, wie ein Zentralbanksystem ganze Volkswirtschaften
zugrunde richten kann.


Es ist fundamental, zu verstehen, daß Inflation eben *NICHT* das
gleiche wie Preissteigerung ist. Eine Preissteigerung ist meist die
Folge einer Inflation, aber Geldstabilität schütz keinesfalls
vor Preissteigerungen.

> >  Gibt es tatsächlich jemanden, der 100,- StundenLOHN bezieht ?
> 
> Ich habe im Radio in einer Diskussion zu dem Thema gehört, dass es 
> Manager gibt, die einen Stundenlohn von 30.000 € erhalten.

Ehrlichgesagt bezweifle ich, daß diese Leute wirklich *Lohn*
beziehen. Das Honorar eines Freiberuflers (das sind Manager häufig)
hat mit Lohn nichts zu tun.

> Ich habe auch eine Tabelle von 2003, die belegt diese Aussage. Ich schicke
> sie Dir, wenn Du willst. Da gibt es 4 Leute, die erhalten steuerpflichtigen
> Arbeitslohn(!) aus geringfügiger(!) Beschäftigung in Höhe von
> 2,5 Mio. - 5 Mio. € im Jahr. Da staunste, wa? Vom Rest wollen wir erst gar
> nicht reden, Dir sträuben sich die Haare...

Geringfügige Bechäftigung für mehrere Mio ?!
Wow, das muß ich wirklich mal schwarz-auf-weiß sehen.


cu
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