[Debatte-Grundeinkommen] Konzept Grundeinkommen

A.N. anke.niebuhr at o2online.de
So Aug 17 18:06:31 CEST 2008


Betreff:      Konzept Grundeinkommen
Name:         Anke Niebuhr
Antwort auf:  Enrico Weigelt


Hallo Enrico,

der größte Teil von dem, worauf Du Dich in dieser Mail
beziehst, sind nicht meine Aussagen. Zu Deinen Fragen und
Kommentaren, die mich betreffen, folgendes:

>  > Der Sozialapparat kostet über 700 Milliarden im Jahr. Das könnte
>  > direkt als Grundeinkommen ausgezahlt werden. Falsch, der größte Teil
>  > davon finanziert Leistungen, die unabhängig vom Lebensunterhalt sind.
>  > Behindertenfürsorge, Kriegsopferentschädigungen, Jugendpflege etc.pp.
>
>  Hast Du genaue Zahlen über die Verteilung ?

Ja, habe ich. Siehe Berechnungsmodell, das ich ebenfalls verschickt hatte.
Die Zahlen habe ich aus verschiedenen Tabellen des Bundesamtes für Statistik
und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Die meisten habe ich aus dem Statistischen Jahrbuch 2007 (Bundesamt für
St.),
das dort kostenlos heruntergeladen werden kann, und

>  Wieviel wird durch die dramatische Reduzierung der Bürokratie gespart ?

Das ist das Problem, mit dem ich mich seit einiger Zeit herumschlage.
Weder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch das Statistische
Bundesamt haben mir bisher geeignete Tabellen zur Verfügung gestellt.

Die existierenden Verwaltungskostentabellen sind nicht eindeutig. Ich weiß
zum Beispiel nicht, ob Gebäudekosten, Heiz- und Stromkosten etc. dort
mit eingerechnet werden. Ich habe den Eindruck, dass diese Kosten in anderen
Tabellen eingerechnet werden, kann das aber nicht definitiv sagen.

2006 betrugen die sogenannten Gesamtverwaltungskosten ca. 21 Mrd. €.
Das beinhaltet aber auch die, die nach Einführung eine GEK nicht wegfallen:
Behinderte, Kinder- und Jugendpflege (Heime etc.) und andere.

Ich schätze, dass höchstens die Hälfte davon tatsächlich wegfällt, also
rechnen wir mal grob 10 Mrd. €.

Das ist nicht viel im Vergleich zu den gesamten GEK Kosten.

>  > Laut meinen Berechnungen stehen aus dem Sozialapparat nur ca. 317 Mrd.
>  > Euro zur Verfügung.
>
>  Wie genau hast Du das ausgerechnet ?

Siehe meine Berechnungstabelle, siehe Statistisches Jahrbuch 2007.
Soll ich Dir meine Tabelle nochmal schicken?

>  Wieviel würde noch durch die Beseitigung des Arbeitsamtes gespart ?

Viele wollen das Arbeitsamt gar nicht komplett auflösen.
Es würde also nur die Leistungen zum Lebensunterhalt.

>  Wieviel würde durch die Beseitigung des GKV-Molochs gespart ?

Ich weigere mich, diesen Ansatz zu berechnen. Rechne selbst, wenn
Du die Zahlen willst. Ich halte die Idee für idiotisch.

>  Wieviel würde durch die Beseitigung durch die Zwangsrentenversicherung
>  gespart bzw. könnte über Einkommensteuer abgeschöpft werden ?

Renteneinsparungen: siehe meine Berechnungstabelle. Aber egal, hier die
Zahlen:

Rentenzahlungen 2005				216.383 Mio. €
Verwaltungs- und Verfahrenskosten
der Renten 2005				  	  3.820 Mio. €
--------------------------------------------------------
                                          220.303 Mio. €

>  Wieviel Mehreinnahmen würde vielleicht 1%pkt mehr Umsatzsteuer
>  einbringen ?

Rund 1 Mrd. €. Die Abschaffung der Abschreibungen wäre interessanter.

Umsatz				4 567 397 Mio.
daraus errechneter
Umsatzssteuerbetrag vor Abzug	  597 106 Mio.
abziehbare Vorsteuerbeträge   - 486 978 Mio.  <-
--------------------------------------------
tatsächliche Umsatzsteuer	= 110 128 Mio.

Hierbei handelt es sich nur um Unternehmen, die mehr als 17.000 €
Umsatz im Jahr machen. Unter 17.000 € ist ein Betrieb nämlich von
der Umsatzsteuer befreit. Diese könnten bei einem GEK also ebenfalls
besteuert werden. Ich habe aber keine Zahlen gefunden, ich weiß
nicht wie viele Unternehmen das sind oder wie hoch deren Gesamt-
umsatz ist.

>  Wieviel Mehreinnahmen würde die Abschaffung der
>  Steuerfreibeträge bringen ?

Sag Du es mir. Ich finde einfach keine Tabelle, die darüber
detailliert genug Auskunft gibt. Alle Freibeträge wird man
wohl nicht abschaffen können, aus dem einen oder anderen
politischen Grund.

>  Wieviel Mehreinnahmen würde eine geringfügige Erhöhung der
>  EK-Steuer bringen ?

Das ist zur Zeit eine komplizierte Rechnung, weil nach Einkommen
gestaffelt ist. Keine Ahnung. Spitzensteuersatz ist zur Zeit
irgendwas über 40 %. Aber grob über den Daumen:

Einkommen 2005			1.129.260 Mio. €
Lohnsteuer 2005			  153.629 Mio. €
EK-Steuer 2005			    9.766 Mio. €

Beispiele:

GEK 20 % Einheitssteuer		  225.852 Mio. €
Steuerdifferenz 			   62.457 Mio. €

GEK 30 % Einheitssteuer		  338.778 Mio. €
Steuerdifferenz 			  175.383 Mio. €

>  Teuerung ist KEINE Inflation!
>  Eine Inflation ist eine Vermehrung der Geldmenge, also genau das
>  was passiert, wenn Du einen (großen) Kredit bei einer Bank aufnimmst und
Dir
>  das Spielgeld-Guthaben als echtes Geld auszahlen läßt (solange es nur auf
>  Konten rumliegt, ist es kein Geld).

Siehe Wikipedia:

Inflation (von lat.: „das Sich-Aufblasen; das Aufschwellen“) bezeichnet
in der Volkswirtschaftslehre einen andauernden, „signifikanten“ Anstieg
des Preisniveaus. Es verändert sich also das Austauschverhältnis von
Geld zu allen anderen Gütern zu Lasten des Geldes. Daher kann man unter
Inflation auch eine Geldentwertung verstehen. Letztlich ist eine Inflation
ohne eine überschießende Geldmenge (Geldpolitik) nicht denkbar.

>  Gibt es tatsächlich jemanden, der 100,- StundenLOHN bezieht ?

Ich habe im Radio in einer Diskussion zu dem Thema gehört, dass es Manager
gibt, die einen Stundenlohn von 30.000 € erhalten.

Ich habe auch eine Tabelle von 2003, die belegt diese Aussage. Ich schicke
sie Dir, wenn Du willst. Da gibt es 4 Leute, die erhalten steuerpflichtigen
Arbeitslohn(!) aus geringfügiger(!) Beschäftigung in Höhe von
2,5 Mio. - 5 Mio. € im Jahr. Da staunste, wa? Vom Rest wollen wir erst gar
nicht reden, Dir sträuben sich die Haare...

So. Und jetzt habe ich genug Arbeit in diese Mail gesteckt. Den Rest lasse
ich ganz egoistisch-faul unter den Tisch fallen.

Gruß,

Anke

>  -----Ursprüngliche Nachricht-----
>  Von: Enrico Weigelt [mailto:weigelt at metux.de]
>  Gesendet: Sonntag, 17. August 2008 04:46
>  An: Grundeinkommen-Debatte
>  Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Konzept Grundeinkommen
>
>
>  * A.N. <anke.niebuhr at o2online.de> schrieb:
>
>  > Außerdem benötigen Kinder Betreuung und Erziehung. Man sollte
>  > dies ebenfalls als Teil ihres Existenzminimums sehen.
>
>  Richtig. Bei der Gelegenheit auch die Kindergärten auf eine
>  betriebswirtschaftliche Basis stellen. Dann müßen die ohnehin
>  massiv unterfinanzierten Gemeinden nicht mehr zuschießen, ein
>  effizientes Wirtschaften wird möglich, und die privatrechtlichen
>  Einrichtungen werden nicht mehr so unterdrückt.
>
>  > Die Politik ist derzeit dabei, für eine angemessene Entschädigung
>  > von Betreuungs- und Erziehungs-Leistung zu sorgen.
>
>  Naja, was hier in Thur. da passiert, ist mehr schlecht als recht.
>
>  > > Zur Altersrente:
>  > > Angenommen, jemand hat sein ganzes Leben nicht gearbeitet, warum
>  > > auch immer. Warum sollte er ab einem bestimmten Alter plötzlich
>  > > mehr Geld erhalten?
>  >
>  > Weil er vorher etwas hätte dazuverdienen können.
>
>  Aua. Das ist ja eine Argumentation wie bei der GEZ ;-o
>
>  > > Lediglich die Gesundheitskosten steigen mit dem Alter, aber die
>  > > werden ja solidarisch finanziert.
>
>  "Sozialistisch" wäre im Modell der GKV wohl passender ...
>
>  > Wenn der gesetzliche Rentenapparat überflüssig wäre, wäre das für
>  > alle von Vorteil. Schon allein der Verwaltungsaufwand...
>
>  Gleiches Spiel wie bei der GKV, nur nicht ganz so gefräßig
>  (noch nicht).
>
>  > Es gäbe auch die Möglichkeit, komplett auf private
>  Rentenversicherungen
>  > zu bauen.
>
>  Nur für die aktuell noch Jungen Leute. Für die heute schon
>  älteren (auch noch-nicht-Rentner) bräuchte separate Lösungen.
>  Warum also nicht gleich eine generelle ?
>
>  > - Der Sozialapparat kostet über 700 Milliarden ??? im Jahr. Das könnte
>  > direkt als Grundeinkommen ausgezahlt werden. Falsch, der größte Teil
>  > davon finanziert Leistungen, die unabhängig vom Lebensunterhalt sind.
>  > Behindertenfürsorge, Kriegsopferentschädigungen, Jugendpflege etc.pp.
>
>  Hast Du genaue Zahlen über die Verteilung ?
>
>  Wieviel wird durch die dramatische Reduzierung der Bürokratie gespart ?
>
>  > Laut meinen Berechnungen stehen aus dem Sozialapparat nur ca. 317 Mrd.
>  > Euro zur Verfügung.
>
>  Wie genau hast Du das ausgerechnet ?
>
>  Wieviel würde noch durch die Beseitigung des Arbeitsamtes gespart ?
>  Wieviel würde durch die Beseitigung des GKV-Molochs gespart ?
>  Wieviel würde durch die Beseitigung durch die Zwangsrentenversicherung
>  gespart bzw. könnte über Einkommensteuer abgeschöpft werden ?
>  Wieviel Mehreinnahmen würde vielleicht 1%pkt mehr Umsatzsteuer
>  einbringen ?
>  Wieviel Mehreinnahmen würde die Abschaffung der
>  Steuerfreibeträge bringen ?
>  Wieviel Mehreinnahmen würde eine geringfügige Erhöhung der
>  EK-Steuer bringen ?
>
>  > Ich habe bereits geschrieben, dass ich die Erhöhung des
>  Grundeinkommens um
>  > die Inflationsrate für riskant halte, weil die korrekte Berechnung der
>  > Inflation umstritten ist.
>
>  Die Inflation siehst Du, wenn Du die EZB-Bilanz mit dem
>  Wirtschaftsvolumen
>  vergleichst. Ich fände es nur gerecht, wenn nicht nur die Banken, sondern
>  jeder Bürger an der Inflation profitiert.
>
>  Aber eigentlich gehts doch hier nicht um Inflation, sondern
>  Preissteigerng.
>
>  > Daher habe ich extra GRUNDBEDARFSINFLATION geschrieben. Darin
>  sollnur die
>  > Preissteigerung der Produkte des täglichen Bedarfs errechnet werden,
>  > die dann auch aussagekräftig und zuverlässig ist.
>
>  Teuerung ist KEINE Inflation!
>  Eine Inflation ist eine Vermehrung der Geldmenge, also genau das
>  was passiert,
>  wenn Du einen (großen) Kredit bei einer Bank aufnimmst und Dir
>  das Spielgeld-
>  Guthaben als echtes Geld auszahlen läßt (solange es nur auf
>  Konten rumliegt,
>  ist es kein Geld).>
>  Schau Dir mal den Vortrag von Nicolas Hofer + Alexander Benensch an:
>  http://www.videogold.de/warum-die-bankenkrise-eine-krise-der-geld
>  ordnung-ist/
>
>  > >  Hast Du eigentlich etwas gegen Altersteilzeit?
>  > Nein, daher kann man es ja auch rückgängig machen. Ich habe
>  aber etwasdagegen,
>  > wenn jemand ein höheres GEK bekommt (quasi Rente) und dann
>  trotzdem noch dazu
>  > verdient. Daher die Teilung.
>
>  Interessant. Hast Du auch etwas dagegen, wenn nicht-Rentner das tun ?
>
>  > Existenzminimum ist aber nicht lustig. Und schon gar nicht im Alter.
>
>  Das Existenzminimum ist nur eine Zahl, die man auch anheben kann
>  (und solte !)
>
>  > Freiwillige Altersvorsorge könnte beispielsweise in Form eines
>  Renten-Kontos
>  > geschehen, das verzinst wird, und das man jederzeit
>  vollständig oder teilweise
>  > in eine monatliche Rente umwandeln könnte, deren Höhe vom
>  aktuellen Alter >
>  > (Lebenserwartung) abhängig wäre.
>
>  Genau so funktioniert die private Rente. Das ist nichts weiter
>  als eine Geldanlage
>  ("Kapitalanlage" ist meist nicht der korrekte Begriff). Manchmal
>  wird das auch
>  mit einer Versicherung kombiniert, aber das ist dann wieder ein
>  anderes Produkt.
>
>  > Wenn es keinen Mindestlohn gibt, werden einfach noch mehr
>  Menschen aus dem
>  > Ausland für Niedriglohn-Tätigkeiten eingestellt.
>
>  Das wird auch der Mindestlohn nicht verhindern: man zieht
>  einfach mit dem ganzen
>  Unternehmen ins Ausland. Ist doch absolut nichts neues.
>
>  Relevant wird das allenfalls durch die gezielte Zerstörung von
>  Grenzen durch
>  die institutionalisierte Kriminalität.
>
>  > > > Höchststundenlohn 100 ???. Höhere Stundenlöhne sind
>  möglich, heißen dann aber
>  > > > Prämienlohn. Prämienlöhne werden mit 60 % besteuert.
>  > >  Wie willst Du den Stundenlohn von Politikern, Sportlern
>  oder Künstlern berechnen?
>  > Ich rede von Stundenlöhnen, nicht von Einkommen.
>
>  Okay, betrifft also nur Lohnempfänger.
>  Gibt es tatsächlich jemanden, der 100,- StundenLOHN bezieht ?
>
>  > Mittlerweilebin ich gegen Lohn- und Einkommensteuer.
>
>  Wie in den USA, wäre da nicht die verfassungfeindliche IRS ;-o
>
>  > Eigentlich haben wir einen Umsatz-steuersatz von 19 %. Das
>  ergäbe demnach
>  > Steuereinnahmen in Höhe von 855 Mrd. Euro. Tatsächlich
>  betrugen die Einnahmen
>  > aber nur etwas über 110 Mrd., was einen effektiven Steuersatz
>  von 2,5 % ergibt.
>
>  Hast Du auch die Anteile von Ländern und Kommunen eingerechnet ?
>  Und hast Du auch bedacht, daß viele Produkte nur mit
>  verminderter oder gar
>  ohne USt. taxiert werden ?
>
>  > War falsch ausgedrückt. Das A-Amt sollte einfach keine
>  Prämienmehr zahlen.
>
>  Es sollte eigentlich gleich komplett abgeschafft werden. Ist dann nämlich
>  völlig unnötig.
>
>  > Dann erledigt sich das Thema auch schnell von selbst.
>
>  Ja, es bleiben dann nur jene übrig, die auch wirtschaftlich
>  sinnvoll sind.
>  Das muß sich am Markt zeigen.
>
>  > Ich bezog mich auf Lohn- und Einkommensteuer, nicht auf
>  Kapital-ertrags- und ähnliche Steuern.
>
>  Warum überhaupt die Unterscheidung ?
>
>  > > Zurzeit bin ich der Meinung, die EU sollte auf Gas und Öl
>  eine hohe Ökosteuer einführen,
>  > > um die Abhängigkeit von Russland zu brechen. Das würde zum
>  Sparen anregen und den Weltmarktpreis
>  > > einbrechen lassen. Und dabei habe ich auch russische Vorfahren!
>  > Ich bin dagegen. Ich denke auch nicht, dass der
>  Weltmarktpreisdadurch einbrechen würde.
>
>  Warum auch ? Der größte Teil vom Ölpreis wird durch Zocken mit Derivaten
>  (Berechtigungsscheinen auf Öl das noch garnicht gefördert wurde,
>  wahrscheinlich
>  überhaupt garnicht existiert).
>
>
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