[Debatte-Grundeinkommen] [Debatte] Re: [Gr-Linke] Fwd: Offener Brief SozialpolitikerInnen zur BDK in Nürnberg

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Nov 28 10:05:30 CET 2007


Hallo, Lothar!

Wie jeder auf dieser Liste weiß, bin ich Grundeinkommensbefürworter
und Grundeinkommensbefürworter auch nur in einer mittelfristigen
Dimension, während ich langfristig zum Anarchokommunismus tendiere. Es
liegt mir wahrhaftig fern, für "abhängige ausbeuterische Lohnarbeit"
die Werbetrommel zu rühren! Ich habe lediglich auf die
systemimmanenten Widersprüche der Gegenwart hingewiesen :-)

Abgesehen davon ist der Terminus "Arbeitsplätze schaffen" kein
Absolutum. Man kann sinnvolle oder sinnlose Arbeitsplätze schaffen,
man kann betriebswirtschaftlich notwendige Arbeitsplätze oder solche
Arbeitsplätze schaffen, die unter volks- wie betriebswirtschaftlicher
Perspektive Luxusarbeitsplätze sind, man kann Wachstumsarbeitsplätze
schaffen genausogut wie man Arbeitszeitreduzierungsarbeitsplätze
schaffen kann. - Ich sprach insbesondere von
Arbeitszeitreduzierungsarbeitsplätzen!

Es mag betriebswirtschaftlich betrachtet kein Ziel von Unternehmen
sein, Arbeitsplätze zu schaffen - volkswirtschaftlich betrachtet aber
schon! Die Marktwirtschaft hat ZWEI Aufgaben: Produktion von Gütern
und Dienstleistungen einerseits UND Kaufkraftverteilung andererseits,
was in der Fläche über abhängige Lohnarbeit erreicht wird. Diese
sekundäre Funktion wird oft vergessen, wie die Mehrheit aller
Deutschen heute zu glauben scheint, dass eine "Umverteilung" allein
über Sozialabgaben und Steuern (also ALG II u.Ä.) geschieht. Dabei ist
diese Art der staatlich gesteuerten, sozial "gezielten" Umverteilung
nur die Eigenschaft der SOZIALEN Marktwirtschaft! Die EIGENTLICHE
Verteilung aber - die ja auch nicht etwa Naturgesetzen oder auch nur
emanzipierten Machtverhältnissen geschuldet ist - soll primär über das
Wirtschaftssystem selbst funktionieren! Nur versagt diese Funktion
immer mehr. Fachbegriff dafür: WIRTSCHAFTSVERSAGEN.

Hier kommt das Grundeinkommen ins Spiel: Es ermöglicht eine
individuelle, leistungs- und leistungsbereitschaftsunabhängige,
menschenrechtlich garantierte, existenzsichernde und zur Teilhabe
befähigende Mindestverteilung der Gesamtwirtschaftsleistung ohne jede
Bedingung, außer der, ein Mensch zu sein.

In allem anderen gebe ich Dir, Lothar, sowieso Recht, außer in einem:
Wenn heute ganz plötzlich alle Unternehmer auf einen Schlag ihre
Bücher einpacken und in die Karibik abwandern würden, hätten wir zwar
erst einmal keine Arbeitsplätze mehr, soweit richtig; wir hätten aber
auch keine Versorgung mehr, und dann würden einfach andere
einspringen, die Plätze der Unternehmer einnehmen, deren Kapital
vereinnahmen und die Versorgung der Bevölkerung wiederherstellen. Ich
sage nur "Strike Bike" :-)

Viele Grüße
Manfred


On Nov 27, 2007 9:40 AM, lothar walczak <lwalczak at gmx.de> wrote:
>
>
> Am 19. Nov 2007 um 21:14 schrieb Manfred Bartl:
>
>
>
> Nur dann können
>
> Arbeitgeber aller Art (auch der Staat!) dazu bewegt werden, Menschen
>
> einzustellen
> Niemand kann gezwungen werden, "Unternehmer" zu werden, Arbeitsplätze zu
> schaffen. es handelt sich auch hier um normale LEUTE. Wenn auf einen Schlag
> alle Unternehmer sagen würden: " ach nee, keine Lust, ich geh lieber
> schwimmen und lesen"hätten wir auch keine "Arbeitsplätze". oder?
>
> Das Ziel von Unternehmen ist NICHT, "Arbeitsplätze" zu schaffen. Unternehmen
> dazu bewegen zu wollen, solche zu "schaffen" halte ich für ziemlich
> verdreht...
>
> Es geht um Versorgung (womit auch immer). Damit diese gewährleistet wird,
> sind gemeinsame Unternehmungen nötig - klar!
> Kein Profitstreben und keine Konkurrenz sind dafür nötig - nicht einmal
> Wettbewerb.
>
> Menschliche Teilhabe über abhängige ausbeuterische Lohnarbeit realisieren zu
> wollen ist so aussichtslos wie selbstbetrügerisch: "Dafür, dass ich mich als
> dabei seiend fühlen darf muss ich mich (meine Autonomie) zerstören".
> bzw. dann bald auch so: "Damit ich mich nicht um meine Autonomie kümmern
> muss brauche ich einen Platz, wo mir ständig gesagt wird, was ich zu tun
> (und zu denken!) habe.
>
> Ganz klar ein Auslaufmodell. Allerdings scheint es uns schwer zu fallen
> gewohnte Denkweisen (besser: Nicht-Denken) abzulegen.
>
> L. Walczak




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