[Debatte-Grundeinkommen] Zu Rüdiger Heeschers strategischen Übelegungen

Rüdiger Heescher ruediger.heescher at attac.de
Mi Nov 28 20:50:06 CET 2007


Hallo Christoph et al

Bitte nochmal lesen! Ich habe das gleiche gesagt. Nur ist die Frage o  
wir uns bemühen müssen. Ein Kombilohnmodell wird sich im bürgerlichen  
Lager wohl am ehsten durchsetzen und die Gefahr ist gross, dass die  
SPD eher dort anzusiedeln ist als bei einem bGE als Existenzgeld.

Ich habe davon gesprochen, dass es wohl auf Dauer dann nicht mehr um  
das ob sondern um das Wie geht und da haben wir dann nämlich eine  
Verteilungsfrage, die klar in politische richtungen einzuteilen sind.

Der Konsens wird in Richtung Grundeinkommen erreicht werden nur wie  
und mit welchen Ausrichtungen.

Grundeinkommen ist nicht grundeinkommen. Wir haben bei der FDP auf dem  
Kölner Parteitag auch schon einer Verabschiedung eines negativen  
Einkommenssteuermodell gehabt. Wie sieht dieses aus? ;-)

Wir könnten bei der CDU durchaus gerade wenn es das bürerliche Lager  
dort hauptsächlich repräsentiert viel eher erreichen auch dank der  
Althaus Studie aus der Konrad Adenauer Stiftung (beide Autoren sind  
hier auch vertreten ;-))

Was uns am meisten Probleme macht ist die protestantische Ethik, die  
am weitesten Verbreitet ist im Denken von Sozialdemokraten und  
Sozialisten. und her wäre gerade eigentlich der Motor um dann im SPiel  
später, wenn es nicht mehr um das Grundeinkommen geht als dem Ob  
sondern um das Wie wichtig, wenn dieser starke Flügel der Gesellschaft  
schon eigene Vorstellungen entwickelt, die sich in Richtung von  
Existenzgeld und nicht einem Kombilohn entwickelt. Es ist eine  
Verteilungsfrage, die sich dann mit einem Begriff für Sozialisten im  
Wege steht. Und das ist Freiheit.

Es ist daher wichtig vor allem für Linke wozu ich mich selbst auch  
zähle, den Freiheitsbegriff zu besetzen. Ohne dem wird es nie  
Sozialdemkraten geben egal ob SPD oder Linkspartei, die dann einen  
Hauch von chance haben mit dem Grundeinkommen auch eine  
Verteilungsfrage zu klären. und das sollte ja wohl in der Tradition  
von Sozialdemokraten stehen.

Unsere Schwäche insgesamt im Netzwerk sind nicht die Bürgerlichen. Es  
sind für einen ausgewogenen Konsens in der Gesellschaft die  
Sozialdemokraten. Das Denken von Sozialdemokraten ist meilen weit  
entfernt vom Grundeinkommen als Existenzgeld. Es wäre für  
Sozialdemokraten letztlich nur ein hinterherlaufen hinter der CDU, was  
dann ein Kombilohn wäre.

Daher muss man die SPd vor sich hertreiben von linker Seiter. und da  
muss man noch dicke Bretter bohren.

Was die Einschätzung von Gysi, Lafontaine und Co angeht, so wäre ich  
da nicht so skeptisch. Lafo ist ein Fuchs und wird dort sein Fähnlein  
hinhalten wenn er merkt, dass es Prozente bringt. Es ist nicht  
ideologisch verbohrt und wenn Du mal Lafontaine live über mehrere  
Veranstaltungen gehört hast, dann kannst du auch bei ihm  
heraushören ,wie "flexibel" er ist ;-) Mit Lafontaine kann man reden.  
Vor allem ist Oskar ein Machtmensch. Warten wir es ab.

Gysi erreicht man ganz einfach über Menschenrechte und die Aufklärung.  
Das Problem sind die Gewerkschafter und Sozis, die einfach noch  
traditionell denken und am liebsten die kuscheligen 70er Jahre wieder  
haben wollen, wo Sicherheit das höchste Gut ist. Die sind der härteste  
Brocken. Denn denen es am meisten an Sicherheit fehlt wird man mit  
Freiheit, weil man es ihnen ja andauernd als Pole die sich beissen  
andauernd vorgekaut hat, nicht kommen können. Diese Nüsse sind sehr  
hart. Wer keine Sicherheit hat wird nur nach mehr Sicherheit  
verlangen, die aber individuell und subjektiv nur ihnen alleine  
zusteht, weil sie es sich verdient haben und sie es von dem starken  
Staat immer gefordert haben. Jetzt verzweifeln sie, dass der starke  
Staat nicht mehr existiert und ihnen diese Sicherheit nicht mehr gibt.

Wir müssen daher ganz bewusst gerade bei Sozialdemokraten/Sozialisten  
egal ob SPD oder Linke Sicherheit durch Freiheit schmackhaft machen  
Und das für alle!

"Sicherheit durch Freiheit für alle"

Eigentlich eine alte Marcuse Formel. Erst keinen Sozialneid aufkommen  
lassen und dafür sorgen, dass alle Freiheit auch als Fortschritt  
begreiffen können. Genauso das gleiche was damals Willi Brand mit  
"Demokratie wagen" beschrieben hat.

Es wird nicht anders gehen. Deswegen ist die Linke aber auch wichtig,  
weil die SPD sich aus sich selbst nie bewegen wird. Auch wenn euer  
Kreis innerhalb der SPd da schon weiter ist. Aber insgesamt glaube ich  
es nicht, Ich habe Jahre lang im Ruhrgebiet gewohnt und kenne meine  
Pappenheimer! Sozialdemokraten sind die konservativsten im  
eigentlichen Sinne die es gibt.

Wir haben nun mit der linken Partei zweitmals die Möglichkeit (damals  
waren es die Grünen) die SPD vor sich herzutreiben. Denn die SPD ist  
statisch wie Gewerkschaften. Wenn die Linke es dann nicht schafft  
haben wir das rennen verloren, denn dann treibt die CDU die SPD mit  
einem Kombilohn Modell. Deswegen ist die Linke so wichtig für unser  
gesamtspiel hier.

gruss

Rüdiger




Am 28.11.2007 um 15:51 schrieb Christoph Schlee:

> Liebe MitstreiterInnen,
>
> ich teile die Auffassungen von Rüdiger Heerscher über die Bewertung  
> des
> Grünen Parteitages weitgehend, halte aber seinen darauf folgenden
> strategischen Ansatz für zu kurz gegriffen.
>
> Erst die Grünen, dann die Linke und "dadurch" die SPD. In wiefern die
> Linke tatsächlich imstande sein wird, die SPD "vor sich her zu  
> treiben",
> sei dabei noch mal dahingestellt. Inspiriert von der SPD-Erftkreis in
> unserer Region, der erste SPD-Kreisverband, der für ein bGE votiert  
> hat
> und dabei ist, ein "sozialdemokratisches Grundeinkommensmodell" zu
> entwickeln, halte ich es durchaus für möglich, dass die SPD die  
> Linke dort
> eher überflügelt als umgekehrt.
>
> Für etwas kurzsichtig halte ich allerdings insgesamt die Links- 
> Fixierung
> des Blickes. Und dies gerade mit der Erkenntnis, im "bürgerlichen  
> Umfeld
> der Grünen wird man dort eher Berührungspunkte finden".
>
> Die Linke führt ihre Diskussion weiter, der Zwischenstand ist zunächst
> einmal ernüchternd, vielleicht fehlt auch die basisdemokratische  
> Kultur
> und die staatsskeptische Tradition, die dem bGE bei den Grünen eher
> zuspielt. In wieweit es gelingen kann, das bGE gegen die Tradition der
> Gysi, Lafontaine oder Bisky durchzusetzen, mögen Katja Kipping oder  
> Ronald
> Blaschke bewerten, möglicherweise ist das in der jüngeren Generation
> einfacher.
>
> Problematisch erscheint mir, das bGE überhaupt in der linken Ecke zu
> verorten, anstatt überparteiliche und gesamtgesellschaftliche  
> Strategien
> zu entwickeln, die Unternehmerkreise, Wirtschaftswissenschaften, CDU  
> und
> z. B. die Kirchen zu integrieren. Hier ist durchaus ein  
> vielschichtiges
> Potential für die bGE-Idee, vor allem aufgrund der hier  
> vorherrschenden
> liberalen, staatskritischen und antibürokratischen Tradition, aber  
> auch z.
> B. aufgrund von Traditionen wie z. B. der katholischen Soziallehre,  
> mit
> Köpfen wie Althaus, Geissler und anderen.
>
> Diese gesellschaftliche Strömung in irgendeinerweise zu  
> vernachlässigen
> oder außer Acht zu lassen, halte ich für absolut fahrlässig. Ohne die
> liberalen, konservativen oder kirchlichen Kräfte werden wir, lieber
> Rüdiger Heescher, das bGE mit Sicherheit nicht einführen, denn hier
> handelt es sich um die Majoritäten, die Mehrheit der "Eliten" bzw.
> "Führungskräfte" und der "Meinungsführer" unserer Gesellschaft.
>
> Gerade mit der Fixierung auf die Linke verscherzen wir viel  
> Sympathie im
> bürgerlichem Lager, weit über Götz Werner und die Anthroposophie  
> hinaus.
> Es gibt nach meiner Beobachtung eine Menge von Leuten im bürgerlichen
> Lager, die das bGE schneller und intuitiver begreifen als  
> eingefleischte
> Linke mit ihren festsitzenden Vorurteilen gegenüber allem, was nicht
> institutionell geregelt und staatlich kontrolliert ist.
>
> Ich plädiere also dafür, unsere bGE-Strategie breiter anzulegen, und  
> auf
> kleinkarierte Ausgrenzungsversuche zu verzichten (die ich Rüdiger  
> Heescher
> nicht unsterstellen möchte, da ich ihn nicht kenne). Sich - in  
> Ablösung
> des Faschismus-Kampfbegriffes - nun auf alles tatsächlich oder
> vermeintlich "neoliberale" einzuschießen, mag dem Sportsgeist genüge  
> tun,
> der Sache nützt es leider wenig.
>
> Das Netzwerk Grundeinkommen sollte stattdessen den Prozess, der auf  
> der MV
> in Hannover erfolgreich begonnen wurde, entschlossen fortsetzen,  
> sich noch
> besser in den Regionen aufstellen, und dort vielfältige Kontakte  
> knüpfen.
> Seine eigene Struktur professionalisieren und demokratisieren, sich  
> auch
> politisch jeglicher einseitigen Zuordnung enthalten. Wir sollten uns
> jedoch unbedingt bemühen, mehr Leute aus dem bürgerlichen Lager in  
> unsere
> Reihen einzubinden. Auch gerade zu der starken Grünen bGE-Fraktion  
> sollten
> wir die Kontakte intensivieren.
>
> Den Bundestag können wir kaum von links aufrollen, sollte das bGE  
> einmal
> in die Verlegenheit kommen, beschlussfähig zu werden. Nur ein breites
> Bürgerbündnis aus Wirtschaft, Gesellschaft, alten- und neuen sozialen
> Bewegungen, Kirchen und Kulturkreisen wird stark genug sein, die
> verkrusteten (Denk-)Strukturen auch in den Parteien aufzubrechen und  
> für
> neue Mehrheiten jenseits traditioneller "Frontlinien" zu sorgen. Daran
> müssen wir stricken, statt am rosaroten Traumteppich.
>
> Viele Grüße,
>
> Christoph Schlee
>
>
>
>
>
> ______________________________
>
> Christoph Schlee
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