[Debatte-Grundeinkommen] Zu Rüdiger Heeschers strategischen Übelegungen

Christoph Schlee c.schlee at allmende-film.de
Mi Nov 28 15:51:58 CET 2007


Liebe MitstreiterInnen,

ich teile die Auffassungen von Rüdiger Heerscher über die Bewertung des
Grünen Parteitages weitgehend, halte aber seinen darauf folgenden
strategischen Ansatz für zu kurz gegriffen.

Erst die Grünen, dann die Linke und "dadurch" die SPD. In wiefern die
Linke tatsächlich imstande sein wird, die SPD "vor sich her zu treiben",
sei dabei noch mal dahingestellt. Inspiriert von der SPD-Erftkreis in
unserer Region, der erste SPD-Kreisverband, der für ein bGE votiert hat
und dabei ist, ein "sozialdemokratisches Grundeinkommensmodell" zu
entwickeln, halte ich es durchaus für möglich, dass die SPD die Linke dort
eher überflügelt als umgekehrt.

Für etwas kurzsichtig halte ich allerdings insgesamt die Links-Fixierung
des Blickes. Und dies gerade mit der Erkenntnis, im "bürgerlichen Umfeld
der Grünen wird man dort eher Berührungspunkte finden".

Die Linke führt ihre Diskussion weiter, der Zwischenstand ist zunächst
einmal ernüchternd, vielleicht fehlt auch die basisdemokratische Kultur
und die staatsskeptische Tradition, die dem bGE bei den Grünen eher
zuspielt. In wieweit es gelingen kann, das bGE gegen die Tradition der
Gysi, Lafontaine oder Bisky durchzusetzen, mögen Katja Kipping oder Ronald
Blaschke bewerten, möglicherweise ist das in der jüngeren Generation
einfacher.

Problematisch erscheint mir, das bGE überhaupt in der linken Ecke zu
verorten, anstatt überparteiliche und gesamtgesellschaftliche Strategien
zu entwickeln, die Unternehmerkreise, Wirtschaftswissenschaften, CDU und
z. B. die Kirchen zu integrieren. Hier ist durchaus ein vielschichtiges
Potential für die bGE-Idee, vor allem aufgrund der hier vorherrschenden
liberalen, staatskritischen und antibürokratischen Tradition, aber auch z.
B. aufgrund von Traditionen wie z. B. der katholischen Soziallehre, mit
Köpfen wie Althaus, Geissler und anderen.

Diese gesellschaftliche Strömung in irgendeinerweise zu vernachlässigen
oder außer Acht zu lassen, halte ich für absolut fahrlässig. Ohne die
liberalen, konservativen oder kirchlichen Kräfte werden wir, lieber
Rüdiger Heescher, das bGE mit Sicherheit nicht einführen, denn hier
handelt es sich um die Majoritäten, die Mehrheit der "Eliten" bzw.
"Führungskräfte" und der "Meinungsführer" unserer Gesellschaft.

Gerade mit der Fixierung auf die Linke verscherzen wir viel Sympathie im
bürgerlichem Lager, weit über Götz Werner und die Anthroposophie hinaus.
Es gibt nach meiner Beobachtung eine Menge von Leuten im bürgerlichen
Lager, die das bGE schneller und intuitiver begreifen als eingefleischte
Linke mit ihren festsitzenden Vorurteilen gegenüber allem, was nicht
institutionell geregelt und staatlich kontrolliert ist.

Ich plädiere also dafür, unsere bGE-Strategie breiter anzulegen, und auf
kleinkarierte Ausgrenzungsversuche zu verzichten (die ich Rüdiger Heescher
nicht unsterstellen möchte, da ich ihn nicht kenne). Sich - in Ablösung
des Faschismus-Kampfbegriffes - nun auf alles tatsächlich oder
vermeintlich "neoliberale" einzuschießen, mag dem Sportsgeist genüge tun,
der Sache nützt es leider wenig.

Das Netzwerk Grundeinkommen sollte stattdessen den Prozess, der auf der MV
in Hannover erfolgreich begonnen wurde, entschlossen fortsetzen, sich noch
besser in den Regionen aufstellen, und dort vielfältige Kontakte knüpfen.
Seine eigene Struktur professionalisieren und demokratisieren, sich auch
politisch jeglicher einseitigen Zuordnung enthalten. Wir sollten uns
jedoch unbedingt bemühen, mehr Leute aus dem bürgerlichen Lager in unsere
Reihen einzubinden. Auch gerade zu der starken Grünen bGE-Fraktion sollten
wir die Kontakte intensivieren.

Den Bundestag können wir kaum von links aufrollen, sollte das bGE einmal
in die Verlegenheit kommen, beschlussfähig zu werden. Nur ein breites
Bürgerbündnis aus Wirtschaft, Gesellschaft, alten- und neuen sozialen
Bewegungen, Kirchen und Kulturkreisen wird stark genug sein, die
verkrusteten (Denk-)Strukturen auch in den Parteien aufzubrechen und für
neue Mehrheiten jenseits traditioneller "Frontlinien" zu sorgen. Daran
müssen wir stricken, statt am rosaroten Traumteppich.

Viele Grüße,

Christoph Schlee





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Christoph Schlee

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