[Debatte-Grundeinkommen] Grüner Parteitag: Grundeinkommen

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mi Nov 28 13:01:19 CET 2007


Hallo Rüdiger und alle Interessierten,

danke für Deine ausführliche Antwort und den sachlichen Ton. Du solltest
mich soweit kennen, daß ich die Sowjetunion nicht als "marxistisch"
betrachte - doch das tun eben die meisten anderen. Ich halte es für falsch,
das BGE in eine "marxistische" oder "kommunistische" Ecke zu pressen, weil
die Idee dort einfach nicht ihre Wurzeln hat. Es gibt schon sehr, sehr lange
drei große Strömungen, wobei derzeit zu bemerken ist (ohne ihnen
irgendwelche Namen geben zu wollen), daß sie sich in der Mitte (der dritten
Option) treffen - schädlich ist nur die bekannte dritte Strömung: der
Konservatismus (das Festhalten am bestehenden). Im Prinzip geht sogar Hegel
auf Aristoteles zurück, der die "goldene Mitte" als Ideal ansah. Hegels
Verdienst ist dabei, daß er die Methode genauer beschrieb. Natürlich war/ist
schon alles bekannt und bedacht worden - nur eben immer etwas exakter,
genauer, detailierter... So verstehe ich auch Hegel, wobei ich dabei eher
aus dem naturwissenschaftlichen Umfeld komme (Kochkurve/Chaostheorie: die
Begrenzung eines Inhalts ist Unendlich [Möglichkeit der
Wahrheitsbeschreibung], wobei der Inhalt gegen einen festen (endlichen) Wert
strebt [eine Wahrheit]).

Zufällig bin ich beim Recherchieren zu meiner Mail an Dich auf Texte von
Krisis gestoßen und hatte dort einen recht langen Beitrag über die
Arbeitsgeschichte gefunden, der mir gefiel:
http://www.balzix.de/feierabend_g-eisenberg_kolonialgeschichte-arbeit.html

Ich stimme Dir auch zu, daß es nicht ganz so wichtig ist, in welcher Partei
man ist, um die BGE-Idee zu vertreten - im Prinzip ist jeder "BGE-Vertreter"
in einer Partei ein "Trojaner" für die Bewegung und "unterwandert" langsam
die dortige Auffassung. Trotzdem halte ich es für unklug, permanent gegen
Betonwände zu laufen, die durch Medien (machende "Mehrheitsmeinung")
gefestigt wird. Eine eigene BGE-Partei würde zeigen, daß die Medien doch
nicht "Recht" haben - aber die innere Zerstrittenheit in der BGE-Bewegung
(auch durch die verschiedenen Parteien) gibt ihnen dann doch wieder "Recht".
Das ganze Parteiengeklünkel scheint mir sowieso nicht der richtige Weg zu
sein. "Klassenparteien" sind unsinnig, weil sich die "Klassen" eben auflösen
und "Themenparteien" sind auch nicht besser, weil sie "undemokratisch" sind
("undemokratisch" deshalb, weil bestimmte Themen im Vordergrund stehen, die
nur Teile der Bevölkerung betreffen: wenn ich fürs BGE bin, aber auch für
"freie Software" muß ich (nach heutigem Abstimmungsverfahren) Schwerpunkte
setzen).

Wie Du siehst, hat das BGE eher ein Problem mit dem (Klassen)Parteisystem
und dem heutigen Mehrheitsfindungsverfahren, als das Problem der Zustimmung.
Das haben wir (Matthias und ich) sehr häufig besprochen und sind der
Meinung, daß eine "Themenpartei" pro BGE durchaus helfen könnte. Damit wird
nämlich gezeigt, daß mit dem BGE doch politisch etwas zu machen ist. Attac,
so wie Du diese Organisation verstehst, ist dafür (politisch) "ungeeignet",
weil Attac eben keinen direkten (politischen) Einfluß hat. Damit will ich
die Arbeit von Attac nicht geringschätzen (im Prinzip ist es eine "neue
Form" der APO) - aber was interessiert es die Grünen, die Linken, die CDU,
die SPD, wenn jemand bei Attac Mitglied wird und trotzdem noch in der Partei
bleibt? Umgekehrt ist die PsgD (die noch mehr Themen neben dem BGE hat) so
offen, daß man auch in anderen Parteien Mitglied sein kann - aber andere
Parteien schließen diese Möglichkeit aus.

Ich gebe Dir auch Recht, daß das BGE ein Menschheitsprojekt ist und kein
Parteiprojekt. Doch hoffe ich, daß ich mit dieser Mail klarmachen konnte,
daß sich dies nicht gegenseitig ausschließt - nämlich dann, wenn es um eine
Themenpartei geht. Wir wollen (wie schon öfters gesagt) eigentlich das
Gleiche und überschneiden uns oft auch im Denken - nur um das zu erreichen,
was wir wollen, verfolgen wir (aus verschiedenen Gründen) unterschiedliche
Strategien und Konzepte. Falsch ist beides nicht, nur frage ich mich, ob wir
uns wirklich die Zeit lassen können, um (so die Gruppe um Götz Werner,
worunter Ludwig Paul Häußner bei den Grünen) noch ein paar Jahre (z.B. 2030)
zu warten, in denen sich die Lebenssituationen (weltweit) durch die
"Tauschvorschrift mit Geld" verschärfen. Und ich glaube, daß es weitaus
schwieriger sein wird, den weltweiten Zivilkrieg zum Frieden zu bringen, als
die Verantwortung schon heute zu übernehmen. Die Kirche(n) haben lange das
Heil für die Zukunft (im Jenseits) versprochen und damit die
Leidensfähigkeit im Jetzt gestärkt.

Ob Du das Ding nun "libertär kommunistisch" nennst, Herr Opielka
"Garantismus" oder ich "Jovialismus" und andere wieder anders, ändert nichts
am grundsätzlichen Inhalt; beim "Jovialismus" bemühte ich mich nur, auch auf
staatsphilosophische Aspekte einzugehen, während die anderen Konzepte an den
wirtschaftsphilosophischen Punkten (Was ist Arbeit, was ist Wert...) hängen
bleiben. Ich bin (wie ich bei Dir herauslese: auch) nicht gegen einen Staat,
denn wie Du (auch) schreibst, würde das Chaos (im nichtanarchistischen Sinn)
bedeuten. Nur frag(t)en sich Matthias und ich, ob das BGE unter den heutigen
Aspekten so überhaupt möglich wäre.

Abschließend bitte ich das hier aufgeführte einmal zu bedenken und wünsche
mir, daß wir keine Gegner sind, sondern unsere Ansätze verstehen.

Herzliche Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)



----- Original Message -----
From: "Rüdiger Heescher" <ruediger.heescher at attac.de>
To: "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>
Cc: "Michael Opielka" <michael.opielka at isoe.org>; "bGE Diskussionsliste"
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>;
<debatte.bag.wirtschaft at gruene.de>; "Debatte BAG Sozialpolitik"
<debatte.bag.sozialpolitik at gruene.de>
Sent: Wednesday, November 28, 2007 12:39 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Grüner Parteitag: Grundeinkommen


Hallo Joerg et al

Grundsätzlich erstmal:

Sowjetunion war nicht marxistisch.

Es gibt eine neue Strömung die sich aus marxistischer Tradition heraus
als libertär kommunistisch bezeichnen lässt. Sie hat ihren Ursprung in
Wertkritik der marxistischen Lehre. Bitte schau mal unter diesen
Stichworten nach. Einen grossen Verdienst an dieser marxistischen
Ausrichtung hat die theoretische Gruppe Krisis, die sich damit einen
Namen mittlerweile schon international gemacht hat. Es ist nicht so
neu und es gab auch bei den Grünen schonmal diese Ausrichtung die
sogar in ihrem Ursprung nach sogar in den 80er Jahren diese
Wertkritikauffassung aus dem Marxismus heraus vertrat. Es ist also
nicht so weit entfernt. Wenn man sich nun auf ordoliberale oder
neoliberale Auffassungen eine Bürgergeldes bezieht, so liegt das wohl
eher daran gerade bei den Grünen, dass man nicht in die Fundi Ecke
gedrängt werden will, was ja ursprünglich heisst und man nicht zum
jetzigen Zeitpunkt darauf verweisen will, dass die Urgrünen sozusagen
doch Recht gehabt haben! Ist nur menschlich.

Wie gesagt es ist alles schonmal gedacht worden und auch wenn viele
glauben das Rad neu erfinden zu müssen so wissen wenigsten einige,
dass es letztlich doch schon alles mal gab. Die die es wissen, wissen
aber auch, dass man alles seinen Gang nehmen lassen muss und nicht
besserwisserisch daher kommen darf um Prozesse entwickeln zu lassen.

Und da kommen wir zu Deiner Partei für ein Grundeinkommen. Es ist zwar
für das Ego immer klasse, wenn man sagen kann, schaut her wir sind die
Leute mit dem Durchblick und wählt uns dafür, aber damit auch ein
wirkliches gesellschaftliches durchkommen von Ideen ermöglicht wird
und auch die Einsicht im Bewusstsein stattfindet ist es
kontraproduktiv, weil man so die Leute immer polarisiert und vor die
Wahl stellt sich für These oder Antithese zu entscheiden. Das heisst
also es gibt dann keine Bewegung aufeinander zu sondern eine
Verhärtung und einer Reinheit von Thesen die gegenüberstehen.

Der Sinn und Zweck aber eine Idee durchzusetzen ist es alle davon zu
überzeugen, sodass es auch ein gesellschaftlich verwurzeltes Denken
gibt über das Wesen einer Idee, worüber sich alle dann einig sind und
nur so! auch ein Konsens in einer Gesellschaft darüber herrscht.

Es ist genau das gleiche, was wir bei attac insbesondere mit unserem
Motto "Die Welt ist keine Ware" verbinden und so auch die Menschen
damit ansprechen ohne zu polarisieren.

Wenn wir von vornherein immer schon gleich die geballte Theorie
dahinter vermitteln würden würde es auf Abwehr stossen und keinen
könnten wir mitnehmen. Der Gesellschaft ist nicht bewusst aus sich
heraus, dass wir letztlich keinen funktionierenden Staat mehr haben in
dem demokratische Kontrolle gewährleistet ist und der Bürger
mittlerweile Kunde geworden ist egal in welchem Bereich, sei es
materiell oder auch im Rechtswesen. Demokratische Rechte lassen sich
nicht mehr einfordern vom einzelnen Bürger sondern nur noch als Kunde
mit Verbraucherrechten aber nicht mehr mit Bürgerrechten geschweige
denn Menschenrechten.

Wenn dieses alles allen Menschen wirklich so klar wäre, dann gäbe es
Chaos (und hier nicht anarchistisch gemeint) und jeder Mensch würde
gleich zu sich sagen, dass man dann auch auf den Staat pfeifen könnte
und er einem sowieso nichts mehr sagen kann. Wir zeigen bei attac
stück für Stück auf was wo wie alles schon unterlaufen wurde, wo der
staat eigentlich staatsrechtlich gar keine Legitimität mehr hat sich
staat zu nennen, aber versuchen mit einzelnen Bereichen klar zu
machen, dass es darum geht nicht wirder zu einem Obrigkeitsstaat zu
kommen wie ihn sich vielleicht die Bürgerlichen zurückwünschen oder
sich von faschistischen Strömungen her dieses zu denken wäre. Sondern
dass man nun zu einer Denke kommt, die von der Brügerdenke über die
Verbraucher zur Kndendenken nun zu Menschenrechtsdenke kommt. Denn das
ist das oberste Ziel schon in der Aufklärung gewesen, dass man es
schafft ein Bewusstsein zu schaffen über die Bürgerrechte hin zu
Menschenrechten kommt. Die Grünen haben dabei darauf gesetzt, dass man
die Obrigkeitsstaat absetzt und ersetzt durch Verbraucherechte, was
aber nun die Neoliberalen dann zu Kundenrechten gemacht haben, was
keine demokratische Kontrolle mehr ermöglicht. Jetzt gilt es aus
unserer Denke wieder ein Bewusstsein zu schaffen was auf der einen
Seite nicht wieder in den Obrigektisstaats mechainsimsu zu verfallen
und den Bürger als Untertan zu sehen, sondern ihn zu befreien von dem
Kundendasein hin zu einem Menschen mit Menschenrechten die es
einzufordern gilt, was aber mit den heutigen Rechtsansprüchen nicht
möglich ist, aber dann mit einem Grundeinkommen der erste Schritt wäre
den Menschen als Menschen und nicht als Bürger, nicht als Vebrraucher
und erst recht nicht als Kunden zu sehen.

Diese ganzen Gedankenabfolgen sind bei vielen selbst auch bei attac
nicht nachvollzogen worden, was wir aber versuchen zu vermitteln.
Vielen ist nicht bewusst was ihr eigenes Motto " Die Welt ist keine
Ware" tatsächlich im ursprung bedeutet und was für Konsequenzen es
nach sich zieht. Wenn wir das ganze auf die Grundeinkommensdebatte
beziehen so ist dieses Projekt ein Meilestein in der
Menschheitsgeschichte wenn wir es hinbekommen es durchzusetzen, wo wir
aber aufpassen müssen, dass Parteiegoismen dabei nicht dieses Projekt
gefährden. Denn es ist ein Menschheitsprojekt und kein Parteiprojekt!

Wir bei attac nennen dieses Projekt: "globale soziale Menschenrechte"
worin das bedingungslose Grundeinkommen ein Kernelement ist.

Das bitte ich einfach zu bedenken bei allem Verständnis darüber, dass
man Parteiegoismen hat, die darauf drängen Anereknnung zu suchen. Doch
wenn wir Hegel berücksichtigen und tatsächlich in seiner Logik des
Wesens arbeiten, dann lässt dich die Idee nicht nr als Vision und idee
erhalten sondern auch materiell umsetzen. Es dauert halt nur alles
etwas. Der Mensch ist da ansich nicht träge sondern eine Idee in die
Menschheit zu setzen ist träge und es bedarf eines Mechasnismus den
neoliberale schon lange verstanden haben ihn in die Menschheit zu
setzen, wovon wir eine Menge gelernt haben und nun auch umsetzen werden.

Es spielt keine Rolle welcher Partei man angehört, wenn es um diese
Fragen geht! Das ist das entscheidende. Man muss nur wissen wir
jeweils dieParteien und ihre Mitglieder ticken. das ist alles. Und man
kann für soetwas am allerwenigsten eine eigene Partei gebrauchen.

gruss

Rüdiger




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