[Debatte-Grundeinkommen] Bürgergeld = neoliberal?

"lächelnjetzt" axel.tigges at gmx.de
Mi Nov 28 04:06:21 CET 2007


Ein ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen mit nur Konsumsteuer hat völlig andere Auswirkungen als hier diskutiert wird. 
Konsumsteuer kann nicht wie jetzt einfach verschwinden. Somit wird es Regelungen geben, wie die Menschen damit umgehen wollen, vielleicht wie in der Schweiz mehr direktete Demokratie, oder sogar regionale Zuordnung
Das ausreichende bedingungslose Grundeinkommen bewirkt, NIEMAND muss mehr arbeiten, dass heißt, die Menschen können sich besser an der Basis durch Ehrenamt selber organisieren, ein weiteres Element der Basisdemokratie Regionalisierung. Ein Politiker der ehrenamtlich mit ausreichendem bGE arbeitet, kann sich an Art.38,1  halten, er ist seiner Fraktion nicht mehr verpflichtet und erpressbar und kann damit sich nach seinem Gewissen entscheiden. Somit sind alle Posten wie auch früher das Bürgermeisteramt ehrenamtlich mit ausreichendem bGE durchführbar.
Das ausreichende bGE bewirkt, dass die Menschen nicht mehr in dem Maße sparen, dass heißt Unternehmer und auch die Börsen können nicht mehr in dem Maße über frei fließendes Kapital verfügen, das gibt einen ziemlichen Umbruch am Kapitalmarkt. Das ausreichende bGE bewirkt, dass schneller rationalisiert wird und keine künstlichen Arbeitsplätze erhalten werden, wie das heute in den Apparaten noch gang und gebe ist. Beispiel, Wasserwerke werden ehrenamtlich betrieben, somit entfällt die Benutzergebühr, die für die Verwaltung erhoben wurde und die Versorgung der Bürger mit öffentlichen Leistungen wird überschaubar regional selbst geregelt 

Das ausreichende bGH wird auch die hohen Ärztegehälter eingrenzen, und mehr zur Selbsthilfe anregen mit dem beruflichen Know How der Ärtze und alternative Methoden zur Geltung kommen lassen, die Selbstverantwortung wird gestärkt. Das ausreichend bGE bewirkt das wir uns in eine Schenkende Gesellschaft verwandeln, weil jeder der ausreichendes Einkommen hat, einen Überschuss hat. Vorallem durch die große Angstlosigkeit, die diese Bereitschaft fördert. Damit wird materieller Besitz in dem Maße immer unwichtiger und wir gleiten in eine Dialoggesellschaft mit viel weniger Begrenzung. Stellen wir uns nur vor, ein katholischer Pfarrer bekommt 1400 Euro und seine Haushälterin auch. Wird er noch zölibatär leben müssen? 
Merkt hier keiner, das ausreichende bGE befreit die Menschen von den Autoritäten, das ist der Weg in die Form der Demokratie; FREIHEIT, GLEICHHEIT, GESCHWISTERLICHKEIT. Im Moment dehnt sich immer noch eine Plutokratie aus, nur Menschen mit hohem Einkommen haben die Chance mitzuentscheiden. Schauen wir uns nur den Wahlkampf in den USA an. 
So wird deutlich, durch das ausreichende bGE wird  eine Umschichtung der Gesellschaftspyramide vorgenommen, was natürlich Wissenschaftlern auch nicht schmecken wird, weil sie meinen, sie wüssten mehr als der einfache Müllwerker. 
Es ist ie nach der französischen Revolution, schon wieder kämpfen Gruppen hier um ihre Privilegien

herzlich 
axel tigges 

> Lieber Michael Opielka,
> die Behauptung, dass das Bürgergeld-Modell von Althaus "neoliberal" ist,
> lässt sich bei einer genaueren Prüfung m. E. NICHT so einfach widerlegen.
>  
> Zudem gibt es übrigens gut begründete Zweifel an der Behauptung, die
> Grundeinkommensidee selbst habe vor allem neoliberale Wurzeln. Das möchte ich
> kurz ausführen. Du schreibst:
>  
> "Die Grundeinkommensidee hat selbstverständlich ordoliberale bzw.
> neoliberale Wurzeln, am prominentesten bei Milton Friedman, später bei Joachim
> Mitschke und heute bei Thomas Straubhaar, dessen "idealtypisches"
> Bürgergeld-Modell den Sozialstaat auf eine Negative Einkommenssteuer zusammenstutzen
> will - ergänzt durch ein Gutscheinmodell für Bildung." 
>  
> Ich erlaube mir hier den Hinweis, dass das erste detaillierte
> Grundeinkommensmodell  genau 20 Jahre VOR Friedman, im August 1942, veröffentlicht und
> als mögliche Alternative zum Beveridge-Plan in Großbritannien
> öffentlich diskutiert wurde. Die britische Sozialpolitikerin Juliette Rhys-Williams
> wollte mit ihrem Modell damals schon die hohen Verwaltungskosten aufgrund
> der Bedürftigkeitsprüfung abschaffen - in DIESER Hinsicht wurde also
> durchaus ein schlankerer Staat, wie ihn Neoliberale fordern, gewünscht. Mit
> DIESEM traditionell neoliberalen Element haben rechte und linke Modelle,
> innerhalb dieses Kontextes, bis heute keine Probleme.
>  
> ABER: Ganz anders als später Friedman forderte Rhys-Williams mit ihrem
> eher rousseauistisch-egalitaristischen Modell a) ausdrücklich eine vertikale
> Einkommensverteilung von reich zu arm, schloss b) Mindestlöhne keineswegs
> aus und betonte c), dass es zusätzlich zu bestehenden staatlichen
> Sozialleistungen gezahlt werden solle.
>  
> Daran werden meines Erachtens sehr gut die UNTERSCHIEDE zum neoliberalen
> Modell Friedmans deutlich, der nicht müde wird zu betonen, warum 
> a) Einkommensumverteilung ein falscher staatlicher Eingriff sei
> b) Mindestlohnsätze den freien Markt nach neoklassischer Auffassung
> beeinträchtigen und
> c) sonstige staatliche Leistungen durch das Grundeinkommen ERSETZT und
> nicht ergänzt werden sollen (Friedman erläutert ausführlich, das auch
> Gesundheitsversorgung, Altersversorgung und Pflichtversicherungen viel besser
> durch private Anbieter als durch staatliche geleistet werden könnten). 
>  
> Eindeutig neoliberal ist ZUSÄTZLICH Friedmans Position gegen Instrumente
> zur Arbeitszeitverkürzung. 
>  
> Nun zu Althaus. Du schreibst:
>  
> "Das Althaus-Modell könnte man in der rechten Mitte des
> Grundeinkommensspektrums einordnen - es umfasst nämlich zwei wesentliche Elemente, die es
> von der neoliberalen Tradition abgrenzen: eine Zusatzrente nach Schweizer
> Vorbild in Höhe des doppelten Bürgergeldes und ein steuerfinanziertes
> Gesundheitswesen, was die Neoliberalen in der Regel radikal ablehnen."
>  
> In diesem Punkt stimme ich mit Dir überein: Das steuerfinanzierte
> Gesundheitswesen im Althaus-Modell ist nicht neoliberal (bzw. nicht neoliberal im
> Sinne Friedmans; die Tatsache, dass die Gesundheitskosten aufgrund der
> Kopfpauschale von den Lohnkosten abgekoppelt werden sollen, befreit die
> Unternehmer allerdings von den Lohnnebenkosten für Gesundheit, womit das Modell
> in angebotsorientiert-neoliberaler Manier zumindest zu "mehr Markt"
> tendiert).
>  
> Das Bürgergeld von Althaus ist also a) bezüglich des schlankeren Staates
> bei der Einsparung des Bedürftigkeitsprüfungsaufwandes neoliberal, aber
> eben nicht neoliberaler als linke Modelle in diesem Kontext. Dieser
> "Vorwurf" wäre also, von linker Seite aus geäußert, nicht sonderlich
> aufrichtig.
> Und b) ist das Bürgergeld-Modell nicht gegen ein steuerfinanziertes
> Gesundheitswesen und also - in diesem einen Teilaspekt - nicht radikal
> neoliberal. Kein Widerspruch. 
>  
> Wie verhält es sich aber mit den weiteren (und zumeist seit der ersten
> Debatte in den 1940er Jahren ebenso grundlegenden) Aspekten?
>  
> Bezüglich weiterer grundlegender Aspekte sind ERSTENS zahlreiche
> Äußerungen von Althaus gegen Mindestlöhne auszumachen die - fast im selben
> Wortlaut wie bei Friedman - traditionell neoliberal daherkommen. 
> Und ZWEITENS kann Althaus nichts mit einer der wichtigsten zu erwartenden
> Folgen eines ausreichend hohen Grundeinkommens, der Arbeitszeitverkürzung,
> anfangen: Von Instrumenten zur Arbeitszeitverkürzung ist nicht nur keine
> Rede im Bürgergeldmodell, es lassen sich sogar eindeutig ablehnende Zitate
> gegenüber Instrumenten zur AZV von Althaus (in traditionell neoliberaler
> Manier) belegen (siehe Literaturhinweis unten). 
> DRITTENS wird die Arbeitslosenversicherung (Alg I), die zur
> Lebensstandardsicherung in einigen aktuellen Grundeinkommensmodellen erhalten bleibt, von
> Althaus schlicht weggekürzt.
>  
> Gewiss, es gibt radikal-neoliberale Modelle wie der von Dir genannte
> Straubhaar, die noch weiter "rechts" stehen. Dennoch tritt Althaus auch noch in
> einem weiteren Punkt in die Fußstapfen des Chicagoer Ökonomen, denn:
>  
> VIERTENS beabsichtigt Althaus mit Höhe des Grundeinkommens - genau wie
> Friedman - keine Möglichkeit für die Bezieher, unsittliche Arbeitsangebote
> abzulehenen, da die Einkommenshöhe unterhalb aller tatsächlichen
> Armutsgrenzen  festgelegt wurde. Vielmehr stellt er fest:
> "Es ist ja nicht so, dass die Höhe des Solidarischen Bürgergeldes, wie
> wir sie vorschlagen, besonders üppig ist. Der Anreiz, selbst etwas zu tun,
> ist da, und es besteht keine Angst vor genereller Beharrung."
> 
>  
> Mit gerade einmal 600 Euro monatlich liegt das Bürgergeld nämlich
> einerseits unter dem (derzeit tatsächlich ausbezahlten) Hartz-IV-Regelsatz, der
> regional aufgrund von Mieten etc. durchaus darüber liegen kann. Zudem
> liegt es unter einer Grenze, die m.E. auch nicht von "grünen" oder "rechten"
> Modellen unterschritten werden darf, wenn sie ernst genommen werden und
> mehrheitsfähig werden wollen: 
> Der Armutsgefährdungsgrenze, wie sie sich nach (auch für die BRD
> geltendem) EU-Recht derzeit auf 856 Euro monatlich quantifizieren lässt.
> Darunter darf meines Erachtens kein Modell liegen, egal ob es libertär,
> sozialistisch, sozialliberal, liberal, konservativ, neoliberal oder von der
> katholischen Soziallehre geprägt ist, wenn es den Menschen bedingungslos
> als Menschen anerkennen will.
>  
> Ich habe mich zu entschuldigen, denn meine als "kurz" angekündigten
> Ausführungen wurden nun doch etwas länger als geplant. 
>  
> Und dass, obwohl es sich hier um einen Beitrag auf einer Diskussionsliste
> handelt - und ich dementsprechend auf Fussnoten und ausführliche Belege
> verzichtet habe. 
> Alle hier genannten Argumente sind aber auch mit entsprechenden Belegen in
> meiner Diplomarbeit (Das bedingungslose Grundeinkommen - eine neoliberale
> Forderung? Universität Göttingen 2007) nachlesbar unter:
> www.archiv-grundeinkommen.de/loeding/20070502-Loeding-bge-diplom.pdf
>  
> Ich hoffe dennoch mit meinem Beitrag etwas zur Klärung der Frage
> beigetragen zu haben, ob bestimmte Modelle als "neoliberal" gelten können oder
> nicht.
>  
> Ansonsten wünsche ich noch einen guten Tag und uns allen weiterhin eine
> fruchtbare Diskussion.
>  
> Thomas Löding
> 
> ***************************************
> Thomas Loeding
> Allensteiner Weg 2
> 37083 Goettingen
> 
> Tel. 0551/9955145
> Mobil: 0176/21772983
> E-Mail: thomas.loeding at gmx.de
> ***************************************

-- 

www.lachen-und-atmen.net

"Feel free" - 10 GB Mailbox, 100 FreeSMS/Monat ...
Jetzt GMX TopMail testen: http://www.gmx.net/de/go/topmail



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen