[Debatte-Grundeinkommen] Wirtschaftsgrundlagen

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mo Nov 12 23:04:02 CET 2007


Hallo zusammen,

eigentlich sollte die Diskussion über Wirtschaftsgrundlagen gehen und nicht
um "alte Kamellen" aus UdZ-Zeiten (UdZ = Unternimm-die-Zukunft, der
Götz-Werner-Initiative - dort gab es ein Forum, bei dem die Administration
weitgehenst auf Moderation verzichtete). Ohne groß auf diese Zeit eingehen
zu wollen, läßt sich doch daran zeigen, daß eben die "anarchistische
Handhabung" zu massiven Schwierigkeiten und letztendlich zur Schließung
führte. Peter Scharl, Matthias Dilthey, Axel Tigges und ich waren dort unter
anderen aktiv - aber keiner dieser Personen war Grund zur Schließung,
sondern ein anderer User. Ich stand mit den Administratoren in einem guten
Verhältnis und kenne deshalb die Hintergründe. Außerdem bot ich mich an, bei
der "Betreuung" des Forums zu helfen (noch bevor ich Matthias Dilthey kannte
und wir zusammenarbeiteten) - dieses Angebot wurde nie beantwortet, weshalb
ich dieser Initiative "kritisch" gegenüber stehe... aber das ist ein anderes
Thema und gehört nicht hier her. Soweit ein kurzer Ausflug in diese
Geschichte...

Ich plädiere immer noch für Wirtschaftsgrundlagen, mit der ein BGE begründet
werden kann. Ein wichtiges Stichwort ist dazu "Wirtschaftsordnung", das
letztlich in einer "Wirtschaftsform" mündet. Die freie (liberale)
Marktwirtschaft ist genauso, wie die soziale Marktwirtschaft eine
Wirtschaftsordnung. Der Kommunismus ist ein weiterer Versuch, eine
Wirtschaftsordnung durch eine reale Wirtschaftsform zu "leben". Der
Unterschied von Wirtschaftsordnung und -form läßt sich wohl grob daran
ausmachen, daß die "Ordnung" theoretischer Natur ist und die "Form"
praktiziert wird.

In einem Newsletter (über das allgemeine Börsengeschehen) stand vor kurzem
folgendes PS, das mir sehr gut gefallen hat:

"Je länger ich mich mit Wirtschaft und Börse beschäftige, desto mehr
begreife ich, dass der Markt selbst der stärkste Regulator ist. Es ist
schade, dass die Regierungen, aber insbesondere die Bevölkerungen, diesen
selbstregulierenden Kräften des Marktes so wenig vertrauen. Der Markt ist
die einzige dezentrale Macht, die kein "Eigeninteresse" verfolgt, also nicht
korrumpiert, erpresst, wahnsinnig, dumm, machtgeil, paranoid oder sonst
etwas werden kann, wie so viele andere Machthaber in der langen,
erschütternden Geschichte der Menschheit." (Jochen Steffens in "Investor's
Daily" vom 12. November 2007)

Diese Erkenntnis stammt eigentlich von Adam Smith (dem Vater der modernen
Ökonomie, 18. Jahrhundert). Er nannte dies "die unsichtbare Hand" (liberale
Marktwirtschaft). Marx (im 19. Jahrhundert) sah allerdings die "negativen
Auswirkungen" eines absolut freien Marktes und begründete mit seiner Kritik
die Zentralverwaltungswirtschaft (auch "Kommunismus"/"Sozialismus" genannt
und in der Sowjetunion praktiziert). Im 20. Jahrhundert kam dann die
"soziale Marktwirtschaft" als Gegenentwurf zum Kommunismus durch Ludwig
Erhart (und anderen). Im gleichen Jahrhundert wurde die Spieltheorie zum
besseren Verständnis des Marktes entwickelt (John Nash erhielt dafür 1994
als Mathematiker den Wirtschaftsnobelpreis). Seit den 1980er entwickelte
Matthias (Dilthey) die "joviale Marktwirtschaft" (wir nannen es seit 2006
so) - eine "selbstregulierende" Wirtschaftsordnung, die unter anderem auf
den Erkenntnissen der Spieltheorie beruhen. Die Beschreibung läßt sich wie
folgt zusammenfassen:

"Die Forderung einer jovialen Wirtschaftsordnung sieht vor, dass jeder
Mensch ein Auskommen hat. Der Staat soll in diesem Fall eine gerechte
Verteilerrolle einnehmen, um jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben zu
ermöglicht. Dafür werden Rahmenbedingungen für die Wirtschafts- und
Steuerpolitik gefordert. Einerseits soll die Versorgung der Menschen mit
Gütern und Dienstleistungen gesichert sein und andererseits sollen Menschen
diese Güter und Dienstleistungen konsumieren können."

Können wir nun bitte dazu übergehen, Streitigkeiten, Grabenkämpfe und
Kleinkriege zu beseitigen und etwas sinnvolles entwickeln, um das BGE auf
gesunde Beine zu stellen? Soweit mir bekannt ist, wurde in Hannover der
Antrag zu "mehr Demokratie" im Netzwerk fast einstimmig angenommen. Darin
wird auch ein Vorschlagswesen angeregt. Somit mache ich den Vorschlag an das
Netzwerk, eben solche Wirtschaftsgrundlagen gemeinsam auszuarbeiten. Das
Wieso und Warum hatte ich in dem Erstbeitrag zu diesem Diskussionsstrang
dargelegt. Aber hier wird offensichtlich lieber an die Vergangenheit
gedacht, als an die Zukunft - da hat Götz Werner bei der Namenswahl seiner
Initiative doch einen guten Griff gemacht.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)


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From: "lächelnjetzt" <axel.tigges at gmx.de>
To: <Netzwerk_BGE at gmx.net>
Cc: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Friday, November 09, 2007 9:53 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Wirtschaftsgrundlagen




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