[Debatte-Grundeinkommen] Nichtindustrieländer und BGE - Bodenrente, Bodensteuer, Erbbaurechte und Ökoabgaben

Juli juli at 180-grad.net
Fr Mai 18 13:30:51 CEST 2007


Hallo!

Ich finde, Jörg hat hier ein sehr interessantes Problem angesprochen,
auch wenn das in der Deutlichkeit wie es sich für mich stellt, noch nich
angesprochen wurde: in der Ukraine gibt es noch in weiten Teilen
vor-industrielle Strukturen, in denen viel über Subsistenz läuft und
eher wenig über Geldeinkommen. wenn wir mal kurz annehmen, hier würde
ein einheitliches monetäres Grundeinkommen eingeführt, dann wäre ja
tatsächlich die Frage, wie sich das auf diese Strukturen auswirkt.

Einerseits wäre sicherlich eine langfristige Angleichung der
Lebensverhältnisse in Stadt und Land denkbar. Verbunden wäre damit
tendenziell aber auch ein weitergehendes ersetzen bisheriger
Subsistenzwirtschaft durch Geldwirtschaft. Positiv könnte also gesagt
werden: hier schreitet der Zivilisationsprozess voran, Geld und
bürgerlicher Lebensverhältnisse dringen in immer weitere
gesellschaftliche Gebiete ein und bringen den Menschen Glück und Freude,
zerstören die "idyllischen und patriarchalischen Verhältnisse" (Marx).
Negativ könnte gesagt werden, das damit natürlich auch die Chance
vergeben wird, die in den patriarchalisch-ländlichen Verhältnissen
schlummernden Chancen zu bewusster Selbstorganisation der Beteiligten zu
nutzen, um sie statt dessen dem vollständigen Diktat von Markt und Geld
zu unterwerfen. Das BGE hätte in diesem Fall die Funktion, in den
entsprechenden Staaten eine nachholende Modernisierung voranzubringen.

Wobei natürlich tatsächlich die Frage offen bliebt, ob in diesen Ländern
das entsprechende monetäre Potential überhaupt vorhanden wäre und nicht
ohnehin Formen des "BGE als Sachleistung" wesentlich sinnvoller und
befreiender wirken könnten.

bunte grüße,

juli

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Joerg Drescher schrieb:
> Hallo Joachim und die anderen Listenteilnehmer,
>
> angenommen, wir führen ein BGE in der EU als Gesamtflächenstaat ein, dann
> haben wir das gleiche Problem, wie in der Ukraine. Da die EU administrativ
> in einzelne Staaten aufgeteilt ist, haben wir automatisch unterschiedliche
> BGE-Höhen. Durch die staatsadministrativen Unterschiede fällt das Problem
> weg, daß jemand aus Spanien in Deutschland BGE kassieren kann.
>
> Nehmen wir allerdings einen Binnenstaat mit unterschiedlicher BGE-Höhe,
> haben wir das Problem, daß z.B. ein Sohn aus einer Familie nach Kiew
> geschickt wird, dort so günstig wie möglich lebt (Wohngemeinschaft) und
> Lebensmittel von der Familie (Eigenproduktion auf dem Land) nach Kiew
> schickt und den Sohn "durchfüttert". Der Sohn schickt dafür das Geld zu
> seiner Familie, die ein niedrigeres BGE bekommt (regionale Unterschiede).
> Die Leute in der Ukraine sind so drauf.
>
> Dieses Problem haben wir vielleicht weniger in Deutschland, auch nicht in
> der EU (durch die Distanzen), aber in Nichtindustrieländern, wie der
> Ukraine. Das löst nicht das eigentliche Problem: es hängt von der
> Infrastruktur, den Produktionsmitteln und den realen Arbeitseinkommen ab
> (die sich gegenseitig bedingen) - dem gegenüber stehen die
> Lebenshaltungskosten (zum Auskommen -> BGE-Höhe).
>
> Meine Entscheidung, in der Ukraine zu leben, war unter anderem mit den
> niederen Lebenshaltungskosten verbunden. Arbeitet mein Geld in Deutschland
> und wirft monatlich 500 Euro ab (so meine Überlegung), habe ich in der
> Ukraine ein Auskommen - in Deutschland reichen 500 Euro nicht. Das Problem
> war nur, daß ich mich verspekuliert hatte und die Rechnung nicht aufging
> (vielleicht kennt jemand den Phoenix-Skandal). Deshalb bin ich inzwischen
> gezwungen, meinen Lebensunterhalt zu verdienen - aber mir macht meine Arbeit
> Spaß, die ich schon mit meinem "BGE" angefangen hatte.
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
>
>
>
> ----- Original Message ----- 
> From: "j.behncke" <j.behncke at bln.de>
> To: "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>; "Manfred Bartl" <sozial at gmail.com>;
> <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>;
> <gruenes_netzwerk_grundeinkommen at gruene-berlin.de>
> Sent: Friday, May 11, 2007 10:06 AM
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Nichtindustrieländer und
> BGE - Bodenrente, Bodensteuer, Erbbaurechte und Ökoabgaben
>
>
>   
>> Lieber Jörg, liebe Liste!
>>
>> Man muß wohl das machen, was man auch in Deutschland machen muß: Die GE
>>     
> Höhe
>   
>> ist zu regionalisieren.
>>
>> Das ist ganz selbstverständlich, wenn man das GE global denkt.
>>
>> Aber ich finde die Modellanwendung Ukraine ganz interessant, auch durch
>>     
> den
>   
>> Stadt-Land Effekt und durch die aus Deinen Darstellungen hervorgehende
>> Tatsache, dass dort die Leute auf dem Land noch in einer vorindustriellen
>> Situation leben: Geld ist untergeordnet. Man versorgt sich durch die
>> Erzeugung von Gütern für das tägliche Leben.
>>
>> Grüße
>> Joachim Behncke
>> AK Grundsicherung/Grundeinkommen, Berlin
>>     
>
> _______________________________________________
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> http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen
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