[Debatte-Grundeinkommen] Medien

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Sa Mär 3 23:46:45 CET 2007


Jörg  Drescher schrieb:

> [...]
> (teilweise wird 
> von Staatsorganen empfohlen, wie berichtet werden soll).

Beispiel? Und werde ich durch Empfehlungen unfrei? Auch ich empfehle Medien
gelegentlich, wie und was sie berichten sollten.

> Doch 
> unterliegen Medien marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten und 
> deshalb wird berichtet, was sich verkaufen läßt - damit ist 
> eine erste "Unfreiheit" der Medien gegeben.

Diese Liste ist ein Medium ohne marktwirtschaftliche Gesichtspunkte. Es gibt
weitere. Um das Argument der Unfreiheit der Medien zu befördern, sollen
anscheinend nur unfreie Medien in Betracht gezogen werden? 

> Wer glaubt, daß wir unabhängig informiert werden,

Niemand glaubt das. Niemand!

> vergißt, 
> daß jeder Bericht durch die subjektive Brille des Autors 
> geschrieben wurde, dann durch die subjektive Sicht eines 
> Redakteurs geht und letztlich durch die Subjektivität des 
> Chefredakteurs freigegeben wird.

Hier hängt es sehr von den Redaktionsstatuten ab, ob der Chefredakteur
inhaltlich Einfluss nimmt.

> Dabei sind alle Subjekte 
> darauf bedacht, daß sie ihrem eigenen Ansehen nicht schaden, 
> um weiter machen zu können. Sensationen und was die 
> Bevölkerung interessiert (bzw. interessieren
> könnte) beeinflussen durch die marktwirtschaftliche 
> Abhängigkeit die Berichterstattung wesentlich.

Die "marktwirtschaftliche Abhängigkeit die Berichterstattung" ist solange
kein Problem, wie wir Medienkonsumenten kritische Berichterstattung
nachfragen.

> Demokratie lebt nun vom Mitmachen. Mitmachen beruht aber auf 
> Information - und wie dargestellt, zweifle ich die 
> Informationsfreiheit sehr stark an (in der Ukraine habe ich 
> live miterlebt, was passiert, wenn Medien nicht alles 
> berichten und gezielt falsch informieren, bzw. erst gar 
> nichts erzählen).

Die Zweifel sind aus ukrainischer Sicht verständlich, aber wir sind hier in
Deutschland.

> Das Internet nimmt bei den Medien eine besondere Rolle ein. 
> Hier kann jeder schreiben und sagen was er will. Darunter 
> leidet die Vertrauenswürdigkeit.
> Informationen werden im Internet leider oft halbwissentlich 
> dargestellt - dies passiert teilweise bewußt, teilweise 
> unbewußt. Welchen Informationen kann man denn trauen, die da 
> im Internet herumschwirren? Eine private Page, die ziemlich 
> unprofessionell aussieht kann Aussagen enthalten, die wahr 
> sind - umgekehrt: eine HP, die professionell aufgemacht ist, 
> kann Falschinformationen streuen. Was ist dabei wahr und wie 
> findet man heraus, welchen Inhalten man wirklich trauen kann?

Dieses Problem stellt sich bei jedem Medium, ja bei jedem Kommunikationsakt.
Ich muss mich stets fragen, wer mir was wie warum sagt. Ich muss Quellen
bewerten, Vergleiche anstellen, Plausibilitäten und Abhängigkeiten prügen,
etc.

Wichtig ist, daß so etwas beizeiten gelernt wird. Vor allem der kritische
Umgang mit Bildern. Ich hab meine Kinder immer gewarnt: "Vorsicht, das Hirn
kann nicht kotzen! Was drin ist bleibt drin."  Deshalb hatten wir keinen
Fernseher.

> [...]
> Die Medien könnten (wenn sie denn wollten) viel 
> weitreichender über die BGE-Idee berichten und 
> Aufklärungsarbeit leisten.

Ich finde das Medienecho derzeit angemessen.

> Daß dem nicht so ist, zeigt 
> relativ deutlich, daß die Medien nicht unabhängig sind.

Ein Trugschluss: Aus "Medium X berichtet mir nicht genug über Y" folgt nicht
"Medium X  ist nicht unabhängig". Sie könnten es auch nur langweilig finden.

> Götz 
> Werner machte mit ca. 250.000 Euro eine Werbekampagnie und 
> schaltete Anzeigen. Erst diese Finanzspritze erhöhte die 
> Bereitschaft, über seine BGE-Idee zu berichten.

Ein Trugschluss: Aus "X schaltet teure Anzeigen zum Thema Y im Medium Z"
folgt nicht "Die Bereitschaft über Thema Y zu berichten erhöht sich bei
Medium Z oder Medium W".
Die Bereitschaft bei Medium Z oder W könnte sich auch dadurch erhöht haben,
daß Medium V ein vielbeachtetes Interview mit G.W. zum Thema Y brachte (vor
der Anzeigenkampagne).

> [...]
> Es sind über 30 Jahre vergangen und wir diskutieren 
> immer noch über Grundlagen, welche durch Medien längst hätten 
> verbreitet sein können.

Sie _wurden_ durch Medien verbreitet. Woher wüssten wir sonst von den
Diskussionen?

> Wir denken über Dinge nach, die schon 
> gedacht wurden, aber noch keine Verbreitung gefunden haben. 

So ist das Leben. Wir denken heute z.B. wieder über Energiepolitik nach,
obwohl sich sämtliche Gedanken in 30 Jahre alten Bestsellern finden. Wir
sind vergesslich. Generationen kommen und gehen, aber manche Probleme
bleiben. Und jede Generation will zurecht neu nachdenken. 

> Das BGE könnte seit den 80ern Wirklichkeit sein.

Nein. Damals brannten uns andere Probleme auf den Nägeln. Das Notwendige
kommt vor dem Wünschbaren. Das BGE wurde damals nicht mehrheitlich als
notwendig angesehen; heute auch noch nicht. Und die gesellschaftliche
Phantasie war vielleicht noch nicht so weit. Selbst heute dürften viele
überfordert sein, sich das Leben in einer Gesellschaft mit BGE hinreichend
lebhaft vorzustellen. Das ist ein Auftrag an _uns_ hier!

Nichts ist bekanntlich so stark, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Die
Zeit des BGE ist jetzt gekommen. 

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Reimund Acker




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