[Debatte-Grundeinkommen] zu Manfred Bartels Antwort an Florian Hoffmann, Band 27, Eintrag 14

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Jun 27 18:32:50 CEST 2007


Hallo, Florian!

Nein, nicht D'Accord!

Du differenzierst nicht zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit. Würdest Du
wirklich von Arbeit reden, wenn Du Arbeit sagst, würden wir
Übereinstimmung erzielen. Da Du aber stets Erwerbsarbeit meinst, kann
ich Dir nicht zustimmen.

Wer lieber in der Firma ist als zuhause, wer sich für ein
kapitalistisches Unternehmen aufopfert oder "nur" mehr gibt, als er
verdient, der verdrängt lediglich die Wirklichkeit, in der diese
Firmen es einem eben nicht danken - siehe eben die Telekom.

Natürlich galt das scon vor 50 Jahren, aber das ändert ja nichts an
der Entwicklung wie sie eben abgelaufen ist. Von 10 Stunden würde ich
HEUTE nicht sprechen - aber das ist natürlich ein Ziel! Das Fernziel
wäre, auf Erwerbsarbeit komplett verzichten zu können, wenn wir die
Zweiklassengesellschaft aufgehoben haben werden und die Währung Geld
verschwunden und gegen die Währung "gesellschaftliche Mitgestaltung"
ausgetauscht wird, die man frei konvertieren kann in jede andere Form
der gesellschaftlichen Mitgestaltung!
Dann könntet Ihr, Du und Deine Bonner auch 100 Stunden die Woche
arbeiten und ich "arbeitsloser" Politiker wäre anerkannt statt ein
Nulleinkommen ausweisen zu müssen, weil noch ein paar Euro abgetragen
werden müssen, bevor das kümerliche Alg II fließt....

Das Motto "nur noch Ferien" habe ich nicht verstanden - seit wann sind
Schulkinder Erwerbsarbeiter?? ;-)

Gruß
Manfred



On 6/27/07, Florian J. Hoffmann <florian at green-capitalism.org> wrote:
>
> Lieber Manfred,
>
> denk' das Modell doch mal zuende! Deine Argumentation hätte, wenn sie
> stimmt, doch auch schon vor fünfzig Jahren gestimmt. Dann hätten wir heute
> bei unserem Produktivitätsanstieg, würde man sich an Dein Rezept gehalten
> haben, Wochenarbeitszeiten von 10 Stunden oder weniger. Da lohnt es schon
> gar nicht mehr zur Arbeit zu gehen oder zu fahren. Wir hätten die
> Erwerbsarbeit aus unserem Leben herauskatapultiert und wären in der totalen
> Freizeitgesellschaft mit Selbstversorgung gelandet. Alles was an der Arbeit
> Spaß macht wäre eliminiert worden, weil man sich schon gar nicht mehr darin
> vertiefen könnte.
>
> Ich selbst arbeite sehr viel mehr als 40 Stunden und manchmal bin ich sauer,
> dass ich müde werde und aufhören muß. Du verstehst Arbeit ausschließlich als
> abhängige Lohnschinderei, die man lieber los werden möchte. In Wahrheit ist
> Arbeit, ob zuhause oder im Betrieb (Verlag, Autowerkstatt, Forschungslabor,
> Sport-Unterricht, Gärtnerei, Software-Bude, Kindergarten, Altersheim, ...)
> wesentliches Element der Selbstverwirklichung. Arbeit macht Spaß, nicht nur
> wenn man Boris Becker heißt und während der Arbeit Tennis spielen darf.
> Sogar viele Grubenarbeiter oder Bauarbeiter möchten ihre Arbeit nicht
> missen, obwohl sie schwer und manchmal gefährlich ist. Und es gibt viele,
> viele Menschen in Großfirmen, die sich mit Firma und Arbeit identifizieren,
> die lieber in der Firma sind, als zuhause, die sich aufopfern, die mehr
> geben, als sie verdienen. Auch bei der Telekom. Ich kenne da ein paar Bonner
> ... Und es ist Afgabe der Gewerkschaften, dafür zu sorgen, dass sie halbwegs
> gerecht entlohnt und nicht ausgebeutet werden (sprich: zu wenig Anteil am
> Gesamterlös).
>
> Deshalb: Die Woche hat sieben Tage, das wird sich nicht ändern. Was sich
> ändert, das ist die Lebensarbeitszeit und die wird mehr und nicht weniger,
> weil wir immer älter werden. Und eine durchschnittliche Leistungszeit pro
> Woche von 40 Stunden, oder 38 oder 35 ist auch okay. Aber es ist Unsinn an
> dem Rädchen Wochenarbeistzeit weiter zu drehen, denn es ist so etwas wie ein
> natürlicher Rythmus, so wie das Wochenende oder die Urlaubs- und
> Fereinzeiten. Es macht keinen Sinn, sie noch mehr zu verlängern. Nur noch
> Ferien und die Kinder lernen nichts mehr, weil es nicht mehr nötig ist? Ist
> ja jetzt alles da, dank Rationalisierung? Oder fast den ganzen Tag frei? For
> what?
>
> Ich denke, es ist anders herum. Die Beendigung der Mühsal dank
> Rationalisierung gibt uns die Möglichkeit, Dienste für Mitmenschen zu
> leisten, statt an Maschinen zu kleben. Um diese Nachfrage zu erzeugen,
> brauchen die Menschen ausreichend Geld, muß die Geldverteilung stimmen.
> Deshalb brauchen wir zu Kapital-Einkommen und Arbeits-Einkommen ein
> Solidarisches Einkommen, also ein bGE. Dann bekommt die ganze Sache einen
> Sinn.
>
> D'accord?
>
> Florian
> www.green-capitalism.org
>
>
>
> > -----Ursprüngliche Nachricht-----
> > Von: Manfred Bartl [mailto:sozial at gmail.com]
> > Gesendet: Mittwoch, 27. Juni 2007 15:27
> > An: Florian J. Hoffmann
> > Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> > Betreff: Re: zu Manfred Bartels Antwort an Florian Hoffmann, Band 27,
> > Eintrag 14
> >
> >
> > Lieber Florian!
> >
> > Warum fragst Du, wenn Du Dir selbst schon die Antwort gibst?
> >
> > On 6/27/07, Florian J. Hoffmann <florian at green-capitalism.org> wrote:
> > > Wieso das? Die Woche hat 168 Stunden. Davon werden 40 Stunden,
> > also 25 %,
> > > gearbeitet, 50 Stunden geschlafen und ca. 70 Stunden selbst
> > organisiert. Was
> > > soll daran falsch sein? Was kann man daran ändern? Und weshalb?
> >
> > Was daran falsch ist? Ganz einfach: Wir waren schon mal bei 35 Stunden
> > oder zumindest 38,5 Stunden Arbeit und die Produktivität ist seitdem
> > immer weiter angestiegen.
> >
> > Und wenn nicht aufgrund irgendwelcher betriebswirtschaftlicher
> > Kostenargumente einzelner Unternehmen ganze Wirtschaftszweige
> > geschlossen und anderswo aufgebaut worden wären, was die
> > Volkswirtschaft gleicht auf doppelte Weise runtergezogen hat, wäre die
> > Produktivität sogar noch mehr gestiegen, weil sich natürlich auch in
> > diesen Bereichen der deutsche technische und organisatorische
> > Erfindergeist weiter ausgetobt hätte.
> >
> > Wir müssten mittlerweile eigentlich bei 30 oder 25 Stunden Arbeit in
> > der Woche angelangt sein - aber Du schreibst, es sind 40 Stunden. Was
> > daran falsch ist? Nun, 10 bis 15 Stunden Arbeit ZUVIEL sind falsch
> > daran!
> >
> > Was man daran ändern kann: Arbeitszeit reduzieren! Erst so viel, dass
> > überhaupt alle Erwerbspersonen Arbeit haben, und dann weiter, bis alle
> > Erwerbstätigen ein der aktuellen Produktivität angemessenes Höchstmaß
> > an Erwerbsarbeitszeit erdulden müssen, also höchstens 30 bzw. 25
> > Stunden die Woche.
> >
> > Und weshalb? Na, damit alle Arbeitswilligen auch wirklich arbeiten
> > können und damit alle Erwerbstätigen die ihnen zustehende selbst
> > organisierte Zeit ausgestalten können!
> >
> >
> > Rest: D'Accord!
> >
> > Gruß
> > Manfred
> >
> >
> >
> >
> > > > Daran erkennt man auch gleich, wie veraltet diese Betrachtung ist,
> > > > denn wenn die Gewerkschaft ver.di im sechswöchigen Telekom-Streik
> > > > nichts als Mehrarbeit und Lohnkürzung "durchsetzt", und nicht ganz
> > > > unbeteiligt so massiv versagt, weil sie bei den Telekom-Konkurrenten
> > > > eben höchstselbst niedrigere Tarife als bei der Telekom ausgehandelt
> > > > hat, dann hat ihre Arbeit gleich in beiden Bereichen nichts
> > > > gefruchtet.
> > >
> > > Apropos Telekom, ein gutes Beispiel für Gewerkschaftsversagen:
> > Da gibt es
> > > seit ein paar Jahren eine Regulierungsbehörde, die die Telefontarife
> > > runterbolzt, die "Wettbewerb" zu Gunsten des Verbrauchers
> > durchsetzt und die
> > > die Telekom-Erlöse damit systematisch vernichtet. Dagegen macht keine
> > > Gewerkschaft etwas, weil sie ja auch für niedere Preise ist!
> > Hinterher muß
> > > sie das Desaster ausbaden, weil sie übersehen hat, dass niedrigere
> > > Telefonkosten für den Verbraucher auch niedrigere Einkommen für ihre
> > > Mitgleider sind und weil die deshalb für weniger Geld mehr
> > schuften müssen.
> > > Eine Telekom zu bestreiken, die machtlos ist gegen eine
> > Regulierungsbehörde
> > > (alle das Wort ist schon zum Kotzen!), ist mit Sicherheit sinnlos!
> > >
> > > Wie wär's, wenn  sich die Gewerkschaften an dieser Stelle
> > politisch gegen
> > > die Liberalisierung wenden würden (oder gewendet hätten), wenn das
> > > Rabattgesetz wieder eingeführt würde (was unendlich viele
> > Arbeitsplätze in
> > > der Automobilindustrie gekostet hat) und wenn man sich aus allen
> > > Aufsichtsräten verabschieden würde, um nicht als Pseudo-Arbeitgeber die
> > > Interessen der Arbeitnehmer zu vernachlässigen?
> > >
> > > Ich weiß nicht, was an der Argumentation veraltet sein soll!
> > >
> > > Gruss
> > > Florian
> > > www.green-capitalism.org
> > >
> > >

>


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