[Debatte-Grundeinkommen] [Genugfueralle] Adam Smith und das BGE

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Jul 4 15:42:14 CEST 2007


Hallo, Jörg!

Da ich zu diesem Zeitpunkt in der Rehaklinik war, kann ich nur einen
verspätete Antwort geben:

Ich kenne mich mit Smith nicht im Wortlaut aus, kann mich daher nur
auf das losgelöste Zitat beziehen.

Alles ist gleich richtig:
Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut.
Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es auch den Menschen schlecht.
Wenn es den Menschen gut geht, geht es auch der Wirtschaft gut.
Wenn es den Menschen schlecht geht, geht es auch der Wirtschaft schlecht.
Und so ist es kein Wunder, wenn auch das Zitat von Ekkehard Brose richtig ist:
Jeder soziale Prozess entsteht aus der Wirtschaft.

Falsch ist nur, nicht zu hinterfragen, was denn die Wirtschaft eigentlich ist.
Besteht die Wirtschaft nicht aus Menschen?
Ist die Wirtschaft kein Teil des sozialen Miteinanders?
Sind nicht alle Menschen Teil der Wirtschaft, mindestens auf Grundlage
ihres Konsums?
Ist "die Wirtschaft", wie wir sie heute haben, nicht einfach nur das
per Gesellschaftsvertrag eingerichtete Umverteilungssystem gegen das
Kapitalismus-inhärente Marktversagen?
Antwort in allen Fällen: DOCH!

Somit wird das Smith'sche Zitat zum Zirkelschluss: Wenn es den
Menschen (in der Wirtschaft) gut geht, geht es auch den Menschen gut.
Logisch, nicht wahr?

Umgekehrt, also im Falle von "Wenn es den Menschen gut geht, geht es
auch der Wirtschaft gut.", wird immerhin eine empirische Beobachtung
daraus ;-)

Mit "Wenn es den Menschen schlecht geht, geht es auch der Wirtschaft
schlecht." nähern wir uns dem Kern des Problems, denn WANN geht es
Menschen schlecht oder im Verlauf der Zeit schlechter, während es der
Wirtschaft eigentlich gut gehen müsste?
Genau - DANN: "Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es auch den
Menschen schlecht.", DENN: "Jeder soziale Prozess entsteht aus der
Wirtschaft.", also insbesondere der (a)soziale Prozess, dass die
Menschen in der Sphäre der Wirtschaft sich für etwas Besseres halten,
die Wirtschaft nach Art des Smith'schen Zitats als Selbstzweck
betrachten (wie es beispielsweise Hans-Werner Sinn prototypisch
vormacht) und damit unwirtschaftliche Prozesse anstoßen, die natürlich
in die Gesamtgesellschaft hineinragen und es den Menschen schlechter
gehen lässt: Menschen nur als Kostenfaktoren zu betrachten, selbst im
unendlichen Überfluss vorhandene Güter (WISSEN!) künstlich zu
verknappen, die Sphäre der Wirtschaft auf mehr Bereiche der
Gesamtgesellschaft auszudehnen, statt "den Markt", um dessen Versagen
man ja allenthalben weiß, möglichst zurückzudrängen (Schließlich weiß
man, dass das Utopia, auf das wir zusteuern, eines Tages ohne Geld,
ohne Tauschmittel, überhaupt ganz ohne Tausch, also ohne "Do, ut des"
auskommen wird!) usw.

Gruß
Manfred



On 6/9/07, Joerg Drescher <iovialis at gmx.de> wrote:
>
> Hallo zusammen,
>
> während sich viele durch den G8-Gipfel etwas vom BGE-Thema ablenken lassen
> hatten, habe ich an einem Übersetzungsauftrag für Moskau gearbeitet. Dabei
> kam unter anderem der Botschaftsmitarbeiter aus Moskau (Bereich Wirtschaft),
> Ekkehard Brose, zu Wort. Die gesamte Zeitschrift (erscheint jedes Quartal
> seit 3 Jahren und mir wurde die Gesamtübersetzung übergeben) zeigt einen
> Gedanken, der auf Adam Smith zurückgeht, sehr deutlich: Wenn es der
> Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut. Das Problem dabei ist,
> daß Wirtschaft auf Gewinn aus ist und die Rechnung ohne den Menschen macht.
> In der Wirtschaft gilt nämlich: nur was monetär verwertbar ist, hat einen
> Wert. Damit meine ich, daß vor allem heute andere Werte "verfallen" (wie
> Freiheit, Gleichheit, Büderlichkeit usw.).
>
> Brose, der Wirtschaftswissenschaften und nebenher Politik und Philosophie
> studierte, sagt in dem veröffentlichten Interview: "Jeder soziale Prozess
> entsteht aus der Wirtschaft."
>
> Das erinnert sehr stark an Adam Smith und im Prinzip zeugt die Politik in
> vielen Staaten davon, daß man dieser Auffassung ist. Ich möchte sogar
> behaupten, daß es Deutschland immer dann gut ging, wenn die CDU an der
> Regierung war und das Land dann in ein Loch fiel, wenn die SPD an die Macht
> kam. Seit Schröder habe ich allerdings das Gefühl, daß selbst die SPD auf
> die Logik von Adam Smith "anspringt" und der Wirtschaft "den Hof macht".
>
> Was vielleicht einigen nicht bekannt ist: in vielen europäischen Ländern
> (und in Russland) gibt es "Schnittstellen" zwischen der Wirtschaft und
> Regierung. Über dieses "Phänomen" gibt's einen eigenen Artikel in der
> Zeitschrift. Darin wird vorgeschlagen: wer in Moskau wirtschaftlich aktiv
> werden will, sollte sich an den ortsansässigen Wirtschaftsverein (MMBA)
> wenden, der ein Zusammenschluß führender internationaler Unternehmen aus 23
> Ländern der Welt ist. Dieser Verein pflegt nämlich Beziehungen zur
> Regierung, zu Behörden usw. (das bekannte "Vitamin B"). Das aus dem Grund,
> um der Wirtschaft ein Sprachrohr an den jeweilig "richtigen Stellen" zu
> sein. In Deutschland nennt man das Lobbyismus - funktioniert genau gleich
> und hat den selben Zweck. Aber das ist nicht nur in Deutschland so,
> sondern... fast überall.
>
> Mir stellt sich dabei nur die Frage, was mit den vielen Wählern (dem Volk)
> ist, deren Interessen vertreten werden sollen. Alle Staatsführer (auch ein
> Adolf Hitler) wollten "nur das Beste" für's Volk. Dem verpflichteten sie
> sich an Eides statt (vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Amtseid - die
> englische Version zeigt, daß es nicht nur in Deutschland so war/ist)
>
> Was ich hier anspreche, hat insofern mit dem BGE etwas zu tun, weil das BGE
> den Smith'schen Satz umdreht: Wenn es den Menschen gut geht, geht es auch
> der Wirtschaft gut. Die Handlungsmaxime der Politik sollte demnach nicht nur
> die Unterstützung der Wirtschaft sein. Jeder Mensch ist Politiker (trifft
> Entscheidungen), ist Teil der Gesellschaft (lebt mit und unter Menschen) und
> ist Teil der Wirtschaft (minimalst durch Konsum - auch ein Kleinkind,
> Arbeitsloser, Topmanager...). Die Staatspolitik begeht in meinen Augen den
> "Fehler", der durch Smith "eingeführt" wurde und konzentriert sich auf nur
> einen Aspekt des Menschseins (nämlich den Wirtschaftsfaktor).
>
> Meine Übersetzungsarbeit zeigt mir immer wieder, wie an dieser Smith'schen
> Maxime festgehalten wird und damit die Wirtschaft stärkt. Dann treffen sich
> ein paar "Großen", die meinen, für die Welt verantwortlich zu sein, und
> "palavern" über's Klima und haben ihren sichtlichen Spaß dabei. Jeder dieser
> "hohen Herren" (und einer "hohen Dame") wäre ohne das Volk handlungsunfähig.
> Und in mir staut sich dann eine Art Wut an, wenn dieses Volk vergessen wird
> und "vor die Hunde" geht - nur weil im Ansatz ein gravierender Denkfehler
> liegt. Jeder wird das wohl noch aus seiner Schulzeit kennen, wenn man in
> Mathe oder auch in einem anderen Fach einen falschen Ansatz hatte...man kann
> kein "richtiges Ergebnis" liefern. Fatal wird das Ganze in der Abfolge, wenn
> mit dem "falschen Ergebnis" weitergemacht wird. In der Chaosforschung nennt
> man das "Schmetterlingseffekt" (vgl.:
> http://de.wikipedia.org/wiki/Schmetterlingseffekt)
>
> Vielleicht hat der ein oder andere eine Meinung zu diesem Thema...
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
>
> -----
>
>
>
> ___________________________
>
> JPBerlin - Mailbox u. politischer Provider
> Genugfueralle Mailingliste - Eine Mailingliste im Rahmen von Attac
> Zu Optionen und zum Austragen:
> http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/genugfueralle
>


-- 
Manfred Bartl
Rheinallee 19
55118 Mainz
Tel. 06131 / 371 472
Tel. 06131 / 83 84 394
Handy 0179 / 11 70 216
E-Mail: sozial at gmail.com
so-zi-al: http://myblog.de/so-zi-al/
Das Unterschichtenblog - Armut und Arbeitslosigkeit: http://hartz.blogg.de/
NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen