[Debatte-Grundeinkommen] Antwort 2 auf Drescher-Beitrag 2, Band 22, Eintrag 14

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Do Jan 11 12:33:13 CET 2007


Hallo, Georg!

Nach meiner letzten Mail sollte klar sein, dass das Zitat von Götz
Werner in dieser - nicht "einfachen", sondern vielmehr -
simplifizierenden Form tatsächlich FALSCH ist. Das frei flottierende
Geld wird offensichtlich erst einmal vieltausendfach um den Globus
gejagt, bevor es wieder Kontakt mit der realen Welt erlangt.

So viel Geld, wie man den Banken und Fonds eigentlich durch Abheben
und Monetarisieren der geamten Spareinlagen und Aktien-, Renten- und
Immobilienfondseinlagen aller Menschen in Deutschland entziehen
müsste, um diese perverse Selbstvernichtungsmachinerie privatinitiativ
zu stoppen oder wenigstens zu bremsen, befindet sich wohl nicht (mehr)
im Besitz von Mittel- und Unterschicht. (Ich benutze bewusst einmal
das Wort Mittelschicht, obwohl es so etwas wie "Mittelschicht"
überhaupt nicht gibt.)

Und die Politik tut ein Übriges, damit diese
Selbstvernichtungsmachinerie weiter angetrieben wird: Die
Riester-Rente löst Kaufkraft in bloßes Geld auf und überschwemmt damit
die Kapitalmärkte. Jede Privatisierung spült Millionen- oder gar
Milliardensummen aus der realen Wirtschaft heraus auf die
Kapitalmärkte. Und TRANSNET-Chef Hansen dazu: "'Ein reiner
Finanzinvestor, der pro Jahr 15 Prozent Rendite sehen will und kein
Interesse an einer Weiterentwicklung der Bahn hat, kommt nicht in
Frage', sagte der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen dem
'Tagesspiegel am Sonntag'. 'Wir werden uns bei der Wahl eines
Investors sehr deutlich einmischen', kündigte er an. Der Bund solle
einen Geldgeber suchen, der sein Kapital langfristig und sicher
anlegen wolle und der an der strategischen Entwicklung des
Unternehmens interessiert sei, auch auf dem internationalen Markt.
Geeignet wären etwa GROSSE PENSIONSFONDS oder Konzerne aus den
Bereichen Transport, Logistik oder Dienstleistungen." - Realsatire
pur!

Was den "Mehrwert" der von mir aufgezählten Perversitäten angeht, so
kann ich nur lachen. Ich kann den Reiz hinter dem Wunsch zur Angabe
mit Statussymbolen ja durchaus verstehen, wenn auch nicht
nachvollziehen. Wenn diese Subtilität allerdings verloren geht und
reinem Protz weicht, dann ist das ein Anzeichen gesellschaftlicher
Dekadenz (die ich in der Tat nicht gutheißen kann) und Resultat einer
ungeheueren Verschwendung (die ich ebenfalls nicht gutheißen kann).

Allerdings haben diese Produkte ja nicht nur diesen von Dir
herausgepickten Hintergrund. Gerade die HD-DVD und die blu-ray Disc
werden ja nicht also solche nachgefragt, sondern allenfalls die damit
verbundenen realen oder scheinbaren Vorteile gegenüber der DVD. Dass
die Industrie ganze Technologiezyklen einfach um ihrer globalen
Vermarktung Willen einzieht, die im technologischen Sinne des
Fortschritts gar nicht nötig wären, weil sie lediglich
Quantenhüpferchen, aber keine echte Weiterentwicklung darstellen,
weltweit neue Fabriken für die scheinbar neue Technik und die sicher
auch neuartige Verpackung aufbaut, Ressourcen ohne Ende für
Wegwerftechnik frisst, nur um in 5 Jahren mit der Entwicklung des vor
10 Jahren bereits marktgerecht konzipierten Nachfolgers zu beginnen,
der in 10 Jahren, wenn die "alte" Technik noch lange keine Kunden-,
aber schon eine Marktsättigung erfahren hat und die "Early Adopters"
schon nach Neuem lechzen, marktreif sein muss. Die Stände auf den
einschlägigen Fachmessen sind schon gebucht...

Als Gegner der Mehrwertsteuer will ich mich hier nun gerade nicht
positionieren, sie ist die Urmutter als Konsum- und Verbrauchs- und
damit Ökosteuern. Hier gibt es sicher interessante Konzepte, wie
beides, die reine Konsumsteuer (und ihre verschiedenen Steuersätze)
und die Ökosteuer(n), weiterentwickelt werden können. Gerade auch der
Konsum von Produkten aus dem Ausland sollte in irgendeiner Form (und
nach Möglicherkeit auch nach politisch wirksamen Sätzen) mit Steuern
belegt werden, um diese aufgrund der unverantwortlichen
Transportnotwendigkeiten so sinnlose "globale Arbeitsteilung"
zurückzuschrauben, die betriebswirtschaftlich so logisch erscheint,
volkswirtschaftlich aber die absolute Katastrophe darstellt.

Gruß
Manfred





On 1/11/07, Georg Jaehnig <georg at jaehnig.org> wrote:
> Hallo,
>
> On 1/11/07, Manfred Bartl <sozial at gmail.com> wrote:
> > Äääh, Du scheinst zu glauben, dass der Produktionsprozess irgendwie
> > "gefesselt" sei und erst noch "befreit" werden müsse.
>
> Das "frei" war wohl etwas mißverständlich. Ich meinte sowas wie
> "entzerrt". Bei einer reinen Konsumsteuer wäre egal, _wie_ etwas
> hergestellt wurde (Menschen oder Maschinen) - es würde nur noch das
> Wertschöpfungs-Ergebnis zählen. Angesichts steigender Automation also
> eine zukunftssichere Steuer.
>
> Im übrigen auch ideal für die Globalisierung: Es wäre völlig egal, ob
> VW seine Autos hier oder in Polen produziert - was hier verkauft wird,
> wird hier versteuert.
>
> > Darf ich Dich an
> > Tamagotchis, Nintendogs (=Tamagotchis zweiter Generation), HD-DVD vs.
> > blu-ray Discs, Handys und Klingeltöne, Duerr's Orangen-Marmelade mit
> > Whisky, Champagner und Blattgold usw. erinnern?
>
> Ja, scheinbar alles Dinge, die für manche (viele) Menschen ein
> Mehrwert sind. Würdest Du sagen, sie wollen die "falschen Dinge"? Wie
> unterscheidest Du zwischen falschen und richtigen Bedürfnissen?
>
> > Das
> > gilt heute jedoch nicht mehr, da immer mehr Reiche ihr Geld horten und
> > immer mehr Banken und noch viel mehr Devisen- und Börsenspekulanten
> > das Geld in von der Realwirtschaft entkoppelte oder im Falle von
> > Hedge-Fonds oder REITS sogar negativ auf die Realwirtschaft
> > zurückkoppelnde Kreisläufe pumpen und damit den echten Menschen
> > Kaufkraft, also Konsumkraft entziehen.
>
> Ich gebe zu, keine Ahnung zu haben, was "Hedge-Fonds" oder "REITS"
> sind. Ich weiß auch nicht, ob Götz Werner da recht hat, wenn er sagt:
>
> Geld kann man
> * entweder ausgeben, dann zahlt man Konsumsteuer
> * oder sparen, dann verleihen es die Banken an Leute, die es ausgeben
> * oder verschenken, dann wird es auch ausgegeben.
>
> Das klingt einfach und einleuchtend. Ist es trotzdem falsch?
>
> --
> amike, Georg
>
> http://serchilo.net - share your browser shortcuts + use them anywhere
> http://del.icio.us/tag/grundeinkommen - Bedingungsloses Grundeinkommen


-- 
Manfred Bartl
Rheinallee 19
55118 Mainz
Tel. 06131 / 371 472
Tel. 06131 / 83 84 394
Handy 0179 / 11 70 216
E-Mail: sozial at gmail.com
so-zi-al: http://myblog.de/so-zi-al/



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen